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Konsumtempel

Wir sind in Colombo angekommen, de facto Hauptstadt von Sri Lanka und Ausgangspunkt für die Rundreise. Neben dem Fahrer und unserem deutschsprachigen Tourguide Luki (gesprochen engl. Lucky) ist eine dreiköpfige Familie aus Frankfurt mit an Bord: Mama Heike (Ärztin), Vater Karl-Heinz (Buchhalter) und Tochter Caroline (Schülerin).

Tempel, Tee und Traditionen sollen wir während unseres viertägigen Trips kennenlernen, bei dem wir etwa 1100 Kilometer zurücklegen werden. Eine Station unserer Rundfahrt: die Besichtigung einer Edelsteinmanufaktur. Ein Videofilm zu Beginn informiert uns über die verschiedenen Bodenschätze, die Art der Gewinnung und Bearbeitung. Ein nachempfundener Stollen in den Ausstellungsräumen demonstriert eindrücklich, unter welchen Bedingungen die kostbaren Schmuckstücke in spe zutage gefördert werden. Heike und ich sind uns sofort einig. Die Minenarbeiter, die in Staub und Dreck nach dem begehrten Mineral schürfen, haben ein ebenso erhöhtes Krankheitsrisiko wie die Menschen, die die Klunker im Anschluss in Form bringen.

Diamonds are a girl’s best friend?
Der feine Diamantenstaub sowie die beim Schleifen eingesetzten chemischen Mittel können Schleimhäute und Haut verätzen. Die beim Polieren freigesetzten Teilchen können sich in verschiedenen Organen festsetzen und Infektionen sowie Tuberkulose oder Krebs auslösen. Auf einen entsprechenden Mundschutz scheint hier jedoch niemand Wert zu legen. Auf meine Frage, wie lange sich denn überhaupt noch erfolgreich graben lasse, erhalte ich eine ausweichende Antwort. Erschöpfte Lagerstätten stehen hier nicht zur Debatte. Stattdessen erzählt man uns von einem Grund auf der Insel, der als Bauplatz für eine Schule vorgesehen gewesen war – zumindest bis man dort auf entsprechende Edelsteinvorkommen stieß. Die Ausbildungsstätte wurde kurzerhand an eine andere Stelle verlegt. So funktionieren wirtschaftlich nachhaltige Geschäfte.

Dass selbst Lady Di in gewisser Hinsicht Teil davon ist, war mir bis zu diesem Zeitpunkt aber nicht bewusst. Der blaue Saphir aus ihrem Verlobungsring stammt aus Sri Lanka – und beendete 30 Jahre später in selber Funktion auch die Wartezeit von „Waity Katie“. Jedenfalls hängt unmittelbar vor den Verkaufsräumen ein Bild von Diana mit eben diesem Ring, während das Shoppingareal in meinem Gehirn den subtilen Kampf gegen die Vernunft aufgenommen zu haben scheint. Ich merke, wie sehr mich dieses schöne Schmuckstück anspricht und im selben Moment fragt Herr M21er, ob ich etwas probieren möchte. Ja, das kleine Juwel ist – den Medien sei es gedankt – emotional aufgeladen und ich liebäugele für einen Moment mit königlicher Etikette für meinen Ringfinger. Caroline nölt ein wenig, weil Heike und Karl-Heinz unterdessen keinerlei Anstalten machen, ihrem 16-jährigen Töchterlein etwas zu kaufen. Heike moniert, wie schwierig es sei, eigenen Kindern beizubringen, warum man nicht immer alles haben müsse, und mir wird bewusst, dass ich momentan zum gedanklichen Konsumopfer mutiere. Später fahren wir noch in ein Textilgeschäft, wo die beiden Damen unbedingt einen Sari anprobieren wollen, fürs Erinnerungsfoto und weil Oma und Opa sich zu Hause schon auf eine Power-Point-Präsentation über Sri Lanka freuen. Da wird mitgenommen, was geht. Logisch.

Tradition und Moderne
Während Herr M21er und ich noch etwas ratlos im Laden herumstehen und uns unterschiedliche Stoffe wie Seide und Kaschmir erklären lassen, schleppt eine eifrige Angestellte Berge von Poloshirts an. Tommy Hilfiger, Lacoste und selbst A&F in allen Farben und Größen. Hier trifft Tradition auf Moderne, begegnen sich um den Körper gewickelte Stoffbahnen und Baumwollhemden mit Knopfleiste auf Augenhöhe. Preis für letzere vor Ort: Rund 10 Euro. Preis laut Label in Dollar für den Export: Rund 96. Ich kann es gar nicht fassen und versuche der Verkäuferin halb lachend halb schockiert klarzumachen, dass diese Preisschere unglaublich sei. Sie sollten doch mehr für die Shirts vor Ort kassieren als ZEHN EURO. Wer weiß, dass das durchschnittliche Einkommen laut Reiseführer in Sri Lanka bei 100 Euro liegt, versteht ihren entgeisterten Blick: Ich glaube, sie hat mich für verrückt gehalten…

Am Ende der Reise hat sich ein grünes Poloshirt mit Krokodil auf der Brust in unser Gepäck geschlichen. Manchmal werden auch Minimalisten schwach.

Was wir sonst noch in Sri Lanka erlebt haben, erfahrt Ihr in den nächsten Tagen im dritten Teil unserer Miniserie. Zum ersten Teil bitte hier entlang.

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