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Digitalen Lärm reduzieren. Zurück zur Buddha-Natur

Einfach mal abschalten. Offline sein. Digital und geistig. Für Minimalismus-Blogger Pflicht und Kür, Herausforderung und Ironie zugleich. Einer, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, ist Frank – ein Kontakt, der sich über unser Social-Media-Dasein ergeben hat. Logisch. Frank ist ein kritischer Geist, der uns immer wieder wertvolle Anregungen und Gedanken zum Blog mitgibt. Aktuell stellt er sich die Frage: „Was ist das am wenigsten Mögliche im Digitalen?“ Wie wir digitalen Lärm reduzieren können. Mit Weniger zum Mehr.

Gastbeitrag von einem Wegbegleiter
Unser ganzer Tag ist unterlegt vom Grundrauschen der Information und des Begehrens und verschüttet so den wichtigsten Teil in uns. Das sollten wir nicht zulassen. Wir werden überschüttet, zugehäuft und vollgedröhnt. Ungefragt. Newsletter, Prospekte, Fernsehsendungen und Social-Media-Kanäle unterlegen unseren Tag mit einem immerwährenden Grundrauschen von Informationen. Jeden Tag entdecken wir ein neues Begehren. Jeden Tag finden wir etwas, das wir gestern noch nicht kannten und heute haben wollen.

Viele Menschen nehmen dieses Grundrauschen nicht nur dankbar an, sondern verstärken es noch bewusst oder unbewusst. Sie befreunden sich mit noch mehr Menschen auf Facebook, folgen noch mehr News auf Twitter oder Unternehmen auf Linkedin. So wird das Grundrauschen unendlich. Es ist egal, wie oft wir auf unser Smartphone schauen, es gibt immer Neuigkeiten, es hört nie mehr auf. Und was wir dann lesen, gesellt sich zum Affengeplapper in unserem Kopf: Da gibt es wieder was zum Beneiden, zum Hassen, zum Aufregen, zum Habenwollen. Immer neue Impulse, damit der Gedanken- und Emotionsstrom bloß nicht abreißt.
Die Menschen brauchen das. Denn Ruhe ist gefährlich. Die Ruhe ist das Nichts. Ist es nicht besser, sich aufzuregen oder etwas zu begehren, als gar nichts zu fühlen? Wenn ich mich aufrege, muss ich mich in dem Moment wenigstens nicht mit mir selbst befassen, dann kann ich meine Gedanken wieder ganz „in Ruhe“ nach außen richten und ihnen ihren Lauf lassen. Das Informations- und Konsum-Grundrauschen ist da ungeheuer praktisch. Da kann es gar nicht mehr passieren, dass die emotionale Erregung stoppt und ich mich nach innen richten müsste. „Gefahr“ gebannt.

Die Kette des abhängigen Entstehens
Im Buddhismus spricht man von der „Kette des abhängigen Entstehens“. Eine Kausalkette, die den Kreislauf aus Leben und Sterben in Gang hält. Diese Kette basiert darauf, dass wir der Illusion erliegen, wir wären ein von anderen getrenntes Lebewesen, ein „Ich“ oder ein „Wir“, das einem „Du“ oder einem „Ihr“ gegenübersteht. Erst durch diese Illusion wird eine Identifikation als Person möglich, die über die Sinnesorgane die Außenwelt wahrnimmt. Jede auf diese Weise aufgenommene Empfindung kategorisieren wir sogleich als gut, schlecht oder neutral für „uns“. Dies verstärkt wiederum das Bewusstsein von „Mein“ und „Dein“. Die Abgrenzung zu anderen wird weiter vertieft, die Illusion zementiert und wir handeln im Zweifelsfall zu unserem vermeintlichen Vorteil und dem Nachteil der anderen. Wir erkennen nicht, dass wir uns in Wahrheit selber schaden.

Einfach mal abschalten und in der Stille verharren: Für viele von uns gar nicht so leicht

So lange wir uns zudröhnen, ist es uns völlig unmöglich, diese Illusion zu erkennen und die Kette zu durchbrechen. Der ewige Strom aus Informationen und Begehren gräbt die Furche der Illusion immer tiefer in unser Bewusstsein. Täglich, stündlich, immerwährend. Jede Sekunde beurteilen wir auf diese Weise eine täglich steigende Anzahl an Eindrücken als gut, schlecht oder neutral. Im schlimmsten Fall lösen sie unbändiges Begehren oder grenzenlosen Hass aus – zwei Emotionen, die ein ungeübter Geist nur noch schwer kontrollieren kann. Die Hasskommentare im Internet belegen dies eindrucksvoll. Hier sind Menschen sehr, sehr tief im „Mein“ und „Dein“ oder im „Wir“ und „Ihr“ gefangen und befeuern sich darin tagelang gegenseitig ohne die geringste Chance, dem zu entrinnen. Sie werden vollständig von ihren Emotionen kontrolliert, wie auf einem Wagen mit vier wild gewordenen Gäulen sitzend, die Zügel nicht mehr in der Hand.

Minimalismus kann ein Anfang sein
Doch offensichtlich gibt es Menschen, die erkannt haben, dass ihnen diese Flut nicht bekommt. Dass jede neue Information und jedes neue Ding neue Urteile und Emotionen auslöst. Diese Menschen haben gemerkt, dass das, was sie wirklich sind, immer weiter unter dem Grundrauschen verschüttet wird. Diese Menschen möchten sich nicht mehr von äußeren Eindrücken lenken und sagen lassen, wer sie zu sein haben. Sie möchten nicht mehr gezwungen werden, Partei zu ergreifen, etwas zu begehren oder abzulehnen. Sie möchten wieder die Kontrolle über ihren Geist, die Zügel wieder in der Hand halten.
Minimalismus ist ein valider Schritt raus aus der Kette des abhängigen Entstehens. Es ist ein wichtiger Schritt zur Reduzierung all der Eindrücke, die das Affengeplapper in unserem Kopf immer neu anreichern. Ein Schritt, der dazu führen kann, den Blick wieder für unser Inneres zu öffnen. Denn das wahre Glück liegt nie in äußeren Umständen, die wiederum immer von irgendetwas anderem abhängig sind – egal, ob es sich um Dinge, Menschen oder Emotionen handelt, an denen wir uns festhalten wollen. Die Wahrheit und das Glück liegen allein in uns selbst. Ganz im Innern wissen wir um die Illusion und um das, was wir wirklich sind. Und ganz tief verborgen wissen wir, dass nur wir selbst die Illusion enttarnen und wir uns so befreien können.

Diesen wissenden Kern nennt man die Buddha-Natur, die jedem Lebewesen inhärent ist. Minimalismus ist ein kleines, aber hoffnungsvolles Aufblitzen dieser Buddha-Natur.

Danke an Frank für den schönen Gastbeitrag.

Lektüretipps zum Thema:
Inga Heckmann: Von der Kunst, Yoga & Achtsamkeit im Alltag zu leben. Irisiana, München 2015 (16,99 Euro)
Winfried Hille: Slow. Die Entscheidung für ein entschleunigtes Leben. Gütersloher Verlagshaus 2016 (17,99 Euro)

2 Kommentare

  1. Zemmi sagt

    Vielen Dank für diese Erinnerung an das Wesentliche. Ich bin inzwischen minimalistisch unterwegs, merke aber, dass ich mich digital immer noch viel zu oft mit Themen auseinandersetze, die mich aufregen und ärgern. Ich weiss das, beobachte diese Tendenz und wollte den tieferen Grund einfach nicht wahr haben. Obwohl ich mich mit dem Buddhismus und den Texten des Yoga viel beschäftigt habe, konnte ich das oft sehr gut verdrängen. Also vielen Dank für diesen wertvollen Hinweis.

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