Alle Artikel mit dem Schlagwort: Tod

Death Cleaning. Generalprobe Minimalismus

Ich sehe in Deinen Augen, dass eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Die Art, wie Du mich anblickst, die Art, wie Du den Hörer hältst, macht mir unmissverständlich klar: Nach diesem Telefonat wird nichts mehr wie vorher sein. Denn manchmal ist die Endlichkeit nur einen Anruf weit entfernt. Als Du mir sagtest, man habe sie bewusstlos auf der Straße gefunden, war ihr Buch des Lebens bereits fertig geschrieben. Error, Festplatte gelöscht, rien ne va plus. Loslassen kostet weniger Kraft als Festhalten. Und ist dennoch schwerer Im Krankenhaus stehen wir an Deinem Bett. Und Vater fleht: „Wach bitte wieder auf!“ Er zieht Mutter M21 Socken an, damit die kalten Füße warm werden, und ignoriert dabei, dass man ihre Körpertemperatur bewusst herabgesetzt hat. Unser Flehen, unsere Tränen, unsere Verzweiflung erreichen dich zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr. Die Ärzte raten zu einer Entscheidung. Loslassen, freigeben, wo immer es dich hinzieht. Die Krankenschwester sagt, man würde das Fenster öffnen, wenn es soweit sei. Damit die Seele ihre letzte Reise antreten kann. Ich halte deine Hand, als man die Scheiben …

Geschichten aus der großen Stadt 1: Begegnungen

Sie spricht mich am Eingang des Friedhofs an. Wo denn das Krematorium sei. Der Taxifahrer hat sie soeben abgesetzt. Jetzt geht sie etwas schwerfällig den kleinen Pfad Richtung Aussegnungshalle entlang. Ich bin mir nicht sicher und begleite sie ein Stück. Mein Ziel: Die Wegweiser, die ein paar hundert Meter weiter in der Sonne leuchten, schwarze, kleine Schrift auf weißem Grund. Zu klein für die Entfernung. Wir laufen nebeneinander in den Strahlen der ersten Frühlingssonne. Die kleine, alte Dame und ich, die ich gerade ein bisschen Ruhe in der Mittagspause suche. Plötzlich bricht es aus ihr heraus. Ihre beste Freundin wird heute bestattet, heute, am 6. Februar 2014, einem milden, warmen Tag. Ich spüre ihre Trauer und wie sie um Fassung ringt, während ihre rechte Hand den kleinen weißen Blumenstrauß fest umklammert hält. Barbaratag im Februar 40 Jahre haben sie gemeinsam bei der Post gearbeitet. Neun Kilometer ist sie damals immer mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Das Rad ist auch heute noch ihr liebstes Fortbewegungsmittel. Besser als laufen, denn da schmerzen Hüfte und Knie. Wir …