Nachlese & Seitenblicke
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Kinostart: Raus. Walden für die Generation Z

Glocke (Matti Schmidt-Schaller) gehört zur „Generation Z“. Zu einer Generation, die nach 1995 geboren worden ist und die es als normal empfindet, „Serien bei Netflix zu gucken, Musik zu streamen, sich die Weltlage von YouTubern und alle anderen Probleme von Google erklären zu lassen.“ Und Glocke ist dagegen. Gegen Kapitalismus, gegen globale Ungerechtigkeit, gegen Umweltverschmutzung und gegen Tierversuche. Ein wirklicher Weltverbesser oder Aktivist ist er allerdings nicht. Aber einer, der irgendwie dagegen drücken möchte in einem System, in dem die falschen Menschen am Drücker sind. Spontan schließt er sich deshalb einer Gruppe Fremder an: fünf Jungen und Mädchen, die sich im Internet verabredet haben, darunter Judith (Milena Tscharntke) alias Pornoqueen. Motto der „grünen“ Influencerin: Kickstarte uns, wir ficken dagegen an.

Die jungen Rebellen Glocke, Judith, Steffi (Matilda Merkel), Elias (Tom Gronau) und Paule (Enno Trebs)

Gemeinsam folgen sie dem Ruf eines Unbekannten namens „Friedrich“, der in den Bergen lebt und in der Rückbesinnung zur Natur den Weg in die Zukunft sieht. Ein moderner Henry David Thoreau, welcher den Jugendlichen im Internet ein analoges Walden im digitalen Zeitalter verspricht, einen Sehnsuchtsort und Gegenpool zur alltäglichen Wüste aus Langeweile und unsinnigem Zeitvertreib. Jeder einzelne von ihnen möchte seine Vergangenheit hinter sich lassen und aus dem System ausbrechen, das ihn geformt hat.


Im Film wird jedoch größtenteils über diese individuellen Geschichten und Treiber geschwiegen. Nur ansatzweise treten die Charaktere mit ihrer persönlichen Biographie hervor und machen sich sichtbar: Einfach hier raus, neu geboren werden, einen Neustart wagen wie bei einem Computer – nur das treibt sie an. Für mehr Tiefe ist in diesem – durchaus – als Coming-of-Age-Story angelegten Plot leider kein Platz. Denn das bisherige PC-Spiel der Protagonisten heißt ab sofort „Leben“, ein Leben, das sie bis dato so nicht erfahren konnten. Ein unmittelbares, echtes Dasein mitten in der Natur, auf der Suche nach Einfachheit und in der Hoffnung auf Erlösung durch einen heilsversprechenden Messias.

Raus aus der Zivilisation, zurück in die Natur

Das Aufschreien gegen die Welt macht den überwiegend stillen Film mit seinen beeindruckenden Naturaufnahmen, die sich zwischen den Einstellungsgrößen (Größenverhältnis der abgebildeten Objekte bzw. Subjekte durch die Kamera) Welt und Detail bewegen, stellenweise sehr laut. Raus lässt – dank talentierter Nachwuchsschauspieler – zudem im weitesten Sinne Reminiszenzen an den Abenteuerfilm Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers sowie an die Kinoadaption von Wolfgang Herrndorfs Tschick aufkommen. Auch wenn der Mix der Darstellungsformen zwischen Spielfilm, Dokumentation und metaphorischen Kunstformen oft genauso orientierungslos und unentschlossen wie das Zweifeln und Suchen der jungen Frauen und Männer selbst wirkt; die überdies viel zu spät erkennen, dass ihre Idee des (gesellschaftlichen) Neuanfangs auf einer Lüge aufbaut.

Fernab der Gesellschaft treten archaische Verhaltensweisen zu Tage

Raus versucht als Film ein Gedankenspiel: Jugendliche wagen unter guten Vorsätzen einen riskanten Schritt. Sinn, Nachhaltigkeit und Ausgang ihrer Suche sind ungewiss“, bilanziert Regisseur Philipp Hirsch.

Minimalismus21 sagt: Für Fans von wildromantischem Minimalismus à la Wir hier draußen (Andrea Hejlskov) und/ oder Liebhabern von Goldings Herr der Fliegen empfehlenswert.

Alle Zitate stammen – soweit nicht anders angegeben – aus dem Kinofilm Raus.
Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von farbfilm verleih.

Raus
Regie: Philipp Hirsch
Kamera: Ralf Noack
Musik: Johannes Lehniger, ComixXx
Verleih: farbfilm verleih
Länge: 101 Minuten

Weitere Infos findet Ihr unter raus-film.de sowie auf den entsprechenden Social-Media-Kanälen.

Das Kinodebüt von Hirsch startet am 17. Januar 2019 deutschlandweit im Vertrieb von farbfilm verleih, die uns eine kostenlose Preview ermöglicht haben sowie ein kleines Gewinnspiel.

Wer sich selbst ein Bild von dieser Produktion machen möchte, verrät uns bis zum 12. Januar 2019 im Kommentarfeld oder bei Facebook, wo bzw. aus welchem Bereich des Lebens sie bzw. er dieses Jahr „raus möchte“.

Bitte denkt daran, Eure E-Mail-Adresse (nicht öffentlich sichtbar auf dem Blog!) anzugeben. Wir verlosen 3 x 2 Kinokarten. Unter allen Antworten zieht die Glücksfee am Ende die GewinnerInnen.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Umtausch oder Barauszahlung des Gewinns sind nicht möglich. Teilnahme ab 18 Jahren.

7 Kommentare

  1. thomy quirce sagt

    Ich würde es gerne schaffen nicht immer von anderen abhängig zu sein und mich auch mal überwinden alleine zu reisen , essen zu gehen oder auf Konzerte ..einfach raus aus den gesellschaftlichen Vorgaben

  2. Mawebo sagt

    Raus aus dem (Arbeits)stress. Mehr Zeit für mich und meine Familie haben. Dadurch möchte ich es vor allem schaffen ruhiger mit mir selbst und meiner Umwelt umzugehen.

  3. Nicole sagt

    Ich versuche seit ein paar Monaten so wenig wie möglich zu konsumieren und mehr in der Natur zu sein. Mir fällt es schwer bei social media los zu lassen, da vieles sich darüber nur noch abspielt.. Oft wollte ich schon meinen account löschen, weil er mich unter Druck setzt.. Dann dachte ich aber wieder und wenn ich Veranstaltungen verpasse/nicht mitbekomme?.. Ich konnte nicht los lassen. Alleine reisen oder ausgehen kommt für mich gar nicht in Frage.. Man fühlt sich zu unwohl und verbringt die Zeit lieber daheim in einem Onlinechat oder Onlinespiel.. Man hat da zwar mit Menschen zu tun aber ist dennoch allein. Ich will davon los lassen und mehr raus, ausgehen mit Leuten, Abenteuer und Neues erleben. Einfach richtig leben.

  4. Conny sagt

    Ich würde gerne mal raus aus dem Ständig erreichbar sein für die Arbeit. Klar kann man mal was ausschalten aber irgendwie erreichen einen immer mehr auf immer mehr Kanälen.

  5. Kerstin sagt

    Ich würde gerne raus aus den ganzen gesellschaftlichen Zwängen, wie man sich wann zu verhalten hat und man dadurch sein eigenes Bedürfnis hinten anstellt

  6. Herzlichen Dank für Eure Teilnahme an unserem Gewinnspiel:

    Die GewinnerInnen wurden soeben über Facebook (PN) sowie per E-Mail informiert.

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