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Grenzen setzen: Neinsagen im Job

Ich habe „Nein“ gesagt. Das erste Mal in meinem fast zehnjährigen Berufsleben als Lehrer habe ich ein Projekt, das vom Schulleiter an mich herangetragen worden ist, abgelehnt. Bisher habe ich jede zusätzliche Mehrarbeit übernommen und mir damit durchaus Lob und Anerkennung erarbeitet – glaubte ich zumindest.

Zugegeben: Der Arbeitsauftrag wäre interessant gewesen, aber unter den gegebenen Bedingungen kaum zu realisieren. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, warum der Chef an mich herangetreten ist. Getrieben von meinem Perfektionismus hätte ich das Unmögliche möglich gemacht und die Aufgabe wieder einmal erfüllt – trotz der insgesamt hohen Belastung und der schlechten Rahmenbedingungen.Aber um welchen Preis? Schon jetzt bin ich oft an meiner Leistungs- und Belastungsgrenze. Wie wäre es erst gewesen, hätte ich diesen Auftrag auch noch auf dem Schreibtisch? Und würde ich dann eher befördert werden? Wäre mein zusätzliches Engagement im Kollegium wirklich anerkannt worden? Ich denke nicht.

Meinem Chef ist ganz schön die Kinnlade heruntergefallen, als ich seinen Vorschlag abgelehnt habe. Aber er hat es akzeptiert. Und mir geht es gut mit dieser – für mich persönlich sehr schweren – Entscheidung. Ich möchte meinen Beruf als Lehrer mit vollstem Einsatz für die Schüler ausfüllen. Aber ich arbeite mich nicht mehr für das System Schule auf, indem ich fleißig Lücken schließe, die durch falsche Bildungs- und Personalpolitik gerissen werden.

Auch dieser gesunde Egoismus in der Arbeitswelt hat für mich etwas mit Minimalismus zu tun: Ich will mit meinen physischen und psychischen Kräften haushalten und mich auf das Wesentliche konzentrieren – bei mir auf das tägliche Unterrichten vor der Klasse.

7 Kommentare

  1. Meinem Chef ist ganz schön die Kinnlade heruntergefallen, als ich seinen Vorschlag abgelehnt habe, meinen Vertrag zu verlängern. Aber er hat es akzeptiert. Und mir geht es gut mit dieser – für mich persönlich sehr leichten – Entscheidung 😉

  2. Ich finde deine Entscheidung super. Wenn die Chefs und Kollegen es gewohnt sind, dass du jede Arbeit übernimmst, erfordert es sicher viel Mut und Selbstüberwindung „Nein“ zu sagen.
    Und letztendlich wird es für deine Schüler sicher auch die richtige Entscheidung sein, denn was hilft ihnen ein gutes Projekt im hier und heute, wenn du in ein paar Jahren anfängst demotiviert zu sein, um kurz danach mit einem Burn-Out aus dem Dienst (temporär) auszuscheiden.

    Hast du denn die Möglichkeit bekommen darüber zu sprechen, welche Rolle „Belastung“ und „schlechte Rahmenbedingungen“ für deine Entscheidungsfindung gespielt haben, oder wurde die Entscheidung ohne weiteres Interesse für deine Beweggründe hingenommen?

    • Herr M21er sagt

      Vielen Dank für den Zuspruch. Mit fällt das Neinsagen nicht leicht, deshalb musste ich sehr mit mir ringen.

      Im Rahmen seiner – begrenzten – Möglichkeiten hätte mir der Chef durchaus Geldmittel für die Realisierung und sogar eine Anrechnungsstunde pro Woche als Arbeitszeitausgleich zur Verfügung gestellt. Aber der Einsatz dafür wäre meiner Einschätzung nach ungleich höher gewesen. Und halbherzig hätte ich dieses wichtige Projekt im Rahmen der Schulentwicklung nicht machen wollen. Dass es mir als Lehrer in Vollzeit zu viel wird, konnte ich offen ansprechen – das ist zum Glück kein Problem an unserer Schule.

      Ich nehme auch regelmäßig an einer Supervisionsgruppe mit einem sehr kompetenten externen Coach teil, die wir jedoch selbst finanzieren. Gerade in meinem Beruf sollte so etwas eigentlich Standard sein. Aber davon sind wir noch weit entfernt! Das meine ich mit den „schlechten Rahmenbedingungen“: die viel zu knappen Mittel, die den einzelnen Schulen für soziale Projekte und Schulentwicklungsfragen, aber auch Fortbildungen und Coachings zur Verfügung gestellt werden. Hier gibt es noch deutlichen Nachholbedarf!

      Beste Grüße
      Herr M21er

  3. Ich kenne eine ganze Reihe Lehrer, die bereits ein Sabbatical eingelegt haben. Geht in dem Beruf meist sehr gut und wird teils sogar gefördert. Evtl. auch mal etwas für Dich M21 …

    Viele Grüße aus der ganz in Weiß gehüllten Fränkischen Schweiz,

    Christof

    • Herr M21er sagt

      Einzelne Kolleginnen und Kollegen haben diese Möglichkeit bereits genutzt – hier ist mein Arbeitgeber wirklich fair! Die Konditionen für ein Sabbatjahr sind gut und meist wird dieses Ansinnen auch genehmigt…
      M21 und ich haben selbst schon mit diesem Gedanken gespielt, aber uns noch nicht dafür entschieden!
      Ich persönlich kann mir vorstellen, dass ich eher in Zukunft meine Wochenstunden reduziere, um mehr freie Zeit zu haben. Ein erster wichtiger Schritt war für mich aber die Erfahrung, dass man auch im Beruf Nein sagen kann, ohne negative Folgen zu fürchten. So wie es jetzt ist, passt es ganz gut für mich!

      Beste Grüße
      Herr M21er

  4. Das klingt, als seist du einer der wenigen Lehrer, die Menschen und keine Fächer unterrichten. Das ist (übrigens auch in anderen Systemen ausserhalb der Schule) ein täglicher und oftmals frustrierender Kampf. Aber am Ende geht es immer um den Menschen, das lese ich bei dir ganz stark raus und das finde ich unendlich gut und wichtig.

    Noch wichtiger ist, dass solche Einstellungen erhalten bleiben und nicht ausbrennen, deshalb ist es wichtig anderen die eigenen Grenzen zu zeigen und dann konsequent „nein, das geht nicht noch oben drauf“ zu sagen. In diesem Sinne: Danke für den Beitrag.

    • Herr M21er sagt

      Vielen Dank für den netten Kommentar!

      Zum Glück geht es nicht nur mir vor allem um die Schüler; nicht nur an unserer Schule gibt es viele Kolleginnen und Kollegen, die diese Einstellung teilen (und trotzdem oder gerade deswegen einen sehr guten Fachunterricht geben).

      Ich denke, dass sich hier der Generationswechsel in (bayrischen) Lehrerzimmern stark bemerkbar macht… jetzt müssen wir Jungen nur aufpassen, dass wir unsere Kraft und unsere Freude für die kommenden Berufsjahre erhalten! Dass dazu auch einmal ein klares Nein gehört, habe ich jetzt gelernt – und fühle mich gut dabei!

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