Monate: April 2013

Das große Los

Eine Teekanne aus Buenos Aires, ein Morgenmantel aus Indien. Manchmal reicht das schon für ein Gefühl von Zuhause, jedenfalls für ein ambulantes – oder ein mobiles. Mobil, weil die zwei Gegenstände Meike Winnemuth begleitet haben. Ein Jahr lang war die 52-Jährige 2011 unterwegs. Zwölf Monate in zwölf verschiedenen Städten. Und wenn sie über ihre Reise spricht, ist zumindest die kleine silberne Kanne wieder mit dabei. Denn: Erzählen erzeugt Durst. An diesem Abend im Literaturhaus München trifft das übrigens auf beide zu – Referentin und Zuhörerschaft. Vor mir die Welt Doch zum Anfang der Geschichte. Der ist schnell zusammengefasst. Journalistin gewinnt bei Günther Jauchs Quizshow „Wer wird Millionär“ 500.000 Euro. Und plötzlich ist sie da: die innere Erlaubnis, die Genehmigung, der richtige Zeitpunkt für „Vor mir die Welt“. So heißt der Blog, auf dem sie fortan ihre Erlebnisse dokumentiert: Sydney, Buenos Aires, Mumbai, Shanghai, Honolulu, San Francisco, London, Kopenhagen, Barcelona, Tel Aviv, Addis Abeba, Havanna – eine ausgewählte „Bauchnummer“, gefolgt von mehr als 200.000 Lesern, einer Nominierung für den Grimme Online Award und der Auszeichnung bei …

Leben in der Vergeudungsökonomie

Vielleicht war sie beim Schleudern über die Jahre etwas lauter geworden. Vielleicht wollten wir die Zeichen der Zeit nicht sehen. Tage zuvor wusch sie noch klaglos unsere Wäsche, ohne Anzeichen von Abnutzung. Und dann, von einer Ladung zur anderen – nichts mehr! Stattdessen blinkte ein großes „E“ für Error. Kein Programm ließ sich mehr starten. Unsere knapp zehn Jahre alte Waschmaschine einfach kaputt? Nach einem kurzen Telefonat mit dem Kundendienst kam rasch ein Servicetechniker. Aber geschraubt und repariert wurde nichts. Mitleidig blickte er auf die Maschine im Bad, erkundigte sich erstaunt nach dem Alter. Hoffnung mache er mir keine, sagte er, im Grunde lohnen sich Reparaturen bei solchen Geräten nicht. Da er aber nun einmal da sei, lese er wenigstens den Fehlercode aus: Motorendefekt, wohl ein Steuerungsmodul. Reparatur nicht lohnenswert. Unter uns gesagt, verkündete der Techniker, sparen Sie sich nächstes Mal den Service und kaufen Sie gleich eine neue Maschine. Mehr als zehn Jahre hält so ein Gerät nicht… Als technischer Laie zahlte ich ratlos die geforderte Pauschale. Tags darauf machten wir uns auf den …

Nachlese: Der Mann ohne Geld (Mark Boyle)

Könnt ihr euch vorstellen, ohne Geld zu leben? Mark Boyle kann es. Und hat es getan. Ein Jahr lang lebte der studierte Betriebs- und Volkswirtschaftler in einem Wohnwagen, platziert auf einem Stück Farmland in der Nähe von Bristol. Keine Kreditkarten, keine Schecks, kein Bankkonto, keine Ausnahmen. Alle Bedürfnisse und Konsumgüter mussten innerhalb der 365 Tage ohne jegliche Zahlungsmittel befriedigt beziehungsweise besorgt werden – entweder durch eigene Produktion oder durch Herstellung von einer ihm bekannten Person; selbstgebaute Komposttoilette und Mülltauchen inklusive. Beginn des Experiments: der internationale „Kauf-nix-Tag“ Ende November 2008. Kommunikationsinstrumente für die nächsten zwölf Monate: Laptop sowie Mobiltelefon mit leerer Prepaidkarte für eingehende Anrufe. Der notwendige Strom wurde mit Solarzellen erzeugt. Geldlos glücklich Mobiltelefon und Laptop? „Der Mann ohne Geld“ ist die persönliche Bilanz aus einem Jahr Konsumverweigerung, ist Ratgeber, Erfahrungsbericht und Porträt einer Reise. Und Boyle ein selbstkritischer Autor, der um (scheinbare) Widersprüchlichkeiten und Dilemmata seines Versuchs weiß. Die Entscheidung zugunsten der beiden Elektrogeräte war eine Entscheidung für die Teilhabe der weltweiten Öffentlichkeit. Als Gründer der Freeconomy Community hatte sich der „Moneyless Man“ – …