Alle Artikel in: Nachlese & Seitenblicke

Nachlese: Natürlich leben (Rebecca Sullivan)

Als Stadtkind bin ich meinen schon lange verstorbenen Großeltern besonders für eine Erfahrung dankbar: Durch ihre kleine Selbstversorgerwirtschaft auf ihrem ehemaligen Bauernhof bin ich in meinen Ferien mit Gärtnern, Tierhaltung inklusive Schlachtung, Fischen, Einmachen, Kochen, Holzmachen, Schnitzen, Handwerken und Renovieren in Berührung gekommen. Der große Nutzgarten, das Angeln am Altrhein inklusive Fahrradtour, die Kaninchen und Hühner und die nie endende Arbeit an dem gut 100 Jahre alten Anwesen waren immer ein Garant für ereignisreiche Sommerferien. Ganz nebenbei habe ich viel Wissen über einen naturnahen Lebensstil erfahren, der damals auf dem Dorf selbstverständlich war – und habe mit Oma die weltbesten Essiggurken auf dem alten Holzherd in der Küche eingeweckt! Do it yourself Solche Erlebnisse sind heute nicht mehr selbstverständlich. Stattdessen gehen viel Wissen und alte Traditionen verloren. Und genau diesem Trend stellt Rebecca Sullivan ihr Ratgeber-, Rezepte- und Anleitungsbuch „Natürlich leben. Die besten DIY-Rezepte für Dich und Dein Zuhause“ entgegen. Wie sie in ihrer Einleitung schreibt, geht es ihr „mit Blick auf die Nachhaltigkeit […] dabei vor allem um eine Ernährungsethik, die unsere Umwelt berücksichtigt, …

6 G: Minimalismus im April

6 G: Minimalismus im April ist der Auftakt zu unser neuen Serie, in der wir Euch monatlich ein paar ausgewählte Appetithappen rund um das einfache und bewusste Leben vorstellen wollen. Dazu gehören Lektüre- und ausgewählte Produkttipps ebenso wie spannende Projekte und Initiativen, Nachdenkliches und Kritisches. Viel Spaß mit unseren ersten „6 Gs“ wünschen M21 und der Herr M21er! Gelesen Weshalb mich weniger Besitz glücklich macht. Mit Minimalismus mehr Klarheit im Leben von Guido Schlaich aus dem Kosmos Verlag (Stuttgart 2021). Bei Schlaich beginnt das einfache Leben mit einem Möbelstück, genauer gesagt mit einer Couch. Sie ist Schluss- bzw. Wendepunkt für den studierten Innenarchitekten, der auf kurzweiligen 120 Seiten die Lebensgeschichte seines Downgradings erzählt – schnoddrig, unverblümt und unzensiert. Selbst die eigenen Nachbarn oder Ex-Partnerinnen werden einer „materialistischen Bestandsaufnahme“ unterzogen. Das ist durchaus unterhaltsam, führt aber an einigen Stellen dazu, dass sich der Autor zu sehr in geschlechterspezifischen Klischees verliert. Denn nicht nur Frauen verfügen hin und wieder über einen (zu) voluminösen Kleiderschrank, lieber Guido! Und dem (digitalen) Nomaden steht nicht zwangsweise der Messie am anderen …

Nachlese: Gut leben ohne Wachstum (Norbert Nicoll)

2020 ist das Jahr, in dem Menschen weltweit die scheinbare „Normalität“ von gestern hinterfragen. Es ist das Jahr, in dem wir noch stärker als sonst gezwungen sind, nach Lösungsangeboten für eine lebenswerte Welt von morgen zu suchen. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen, einen Teil unserer gesellschaftlichen Grundlagen anzuzweifeln, auf denen unser bisheriges Leben basiert(e). Wer zweifelt, kritisiert und in Frage stellt, wird irgendwann um Antworten gebeten, um Alternativen etwa zum kapitalistischen System wie die sog. „Postwachstumsgesellschaft“, welche u.a. vom deutschen Volkswirt Niko Paech postuliert wird. Wieder andere versuchen sich bewusst an reinen Ideenskizzen, verfolgen den Ansatz, die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge einer komplex gewordenen Welt in Beziehung miteinander zu setzen. Norbert Nicoll gehört dazu. Weniger Scheinlösungen, mehr Genügsamkeit Bereits 2016 veröffentlichte der Nachhaltigkeitsforscher eine interdisziplinäre Geschichte der kapitalistischen Wachstumsidee, die bis heute zum festen Bestandteil meines literarischen Minimalismus-Kanons gehört. Kein Rettungsplan und keine Formel, kein weiteres akkumuliertes Punktekonzept, wie Loslassen in 100 Schritten, 365 Tagen oder entlang der Bedürfnispyramide zunächst das eigene Ich und dann den ganzen Planeten nachhaltig zu retten vermag. Nicoll liefert 2020 …