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Von allem nur das Nötigste

Warum soll ich im Leben Verzicht üben, wenn ich es nicht muss? Dass es sich lohnen kann, zeigt der Student Max Gaedtke. In einem kurzen Beitrag der SWR-Landesschau bringt er die Kerngedanken des Minimalismus auf den Punkt:

„Ich muss auch nicht das Geld verdienen, um mir Dinge zu kaufen, die ich eigentlich gar nicht brauche.“

Und über seine Eselin sagt er: „Ich lerne von ihr Langsamkeit, Entschleunigung, einfach ein bisschen das Tempo aus dem Leben rauszunehmen.“

Zwei wesentliche Erkenntnisse, die die Chance auf ein glückliches Leben eröffnen – warum?

Konsumverzicht und Angstfreiheit
Wenn ich meine eigenen Bedürfnisse kritisch hinterfrage, verliert das moderne Hamsterrad aus immer mehr Leistung und Geldverdienen seine Macht. Das Bewusstsein, durch reduzierten, zielgerichteten Konsum weniger zu benötigen, kann Angstfreiheit erzeugen. Und nichts ist wichtiger für ein glückliches Leben. Nur wer ohne Furcht vor dem Morgen auf seinen Alltag blicken kann, hat auch den Mut zur Veränderung. Dabei müssen es nicht gleich existenzielle Brüche sein; manchmal genügt es, nur den Blickwinkel zu ändern. Wie der Soziologe Hartmut Rosa in seinem Beitrag für Die Zeit ausführt, gelingt das Leben, „wenn wir es lieben. Wenn wir eine geradezu libidinöse Bindung an es haben. >>Es<<, das sind die Menschen, die Räume, die Aufgaben, die Dinge und Werkzeuge, die uns begegnen und mit denen wir zu tun haben. Wenn wir sie lieben, entsteht so etwas wie ein >>vibrierender Draht<< zwischen uns und der Welt.“
Angst, Pessimismus, Misstrauen und Starrheit verdecken schnell den neugierigen, offenen Blick auf das eigene Umfeld. Und im ständigen Vergleich mit anderen Menschen kommt einem das Glas oftmals halb leer vor.
Ich bin nicht mutig genug gewesen, mein Leben nach meinen persönlichen Vorstellungen zu gestalten. Damit hadern viele Menschen auf dem Sterbebett. Warum es also nicht einfach mal wagen, auf die eigenen Selbstwirksamkeitserfahrungen im sozialen Miteinander (im Beruf, in der Freizeit, in der Familie) zu achten? Statt sich mit noch mehr Konsum und folglich noch mehr Arbeitsdruck zu betäuben!

Die Wiederentdeckung der Langsamkeit
Damit kommen wir zur Entschleunigung. Byung-Chul Han, Philosophieprofessor in Berlin, geißelt in seinem Aufsatz „Alles eilt. Wie wir die Zeit erleben“ die Beschleunigung als die heutige Zeitkrise. Und er macht uns wenig Hoffnung, durch Zeitmanagementkurse oder Entschleunigungsangebote wirklich zur Ruhe zu kommen. Für ihn sind das alles nur Verzögerungen, Arbeitspausen, aber keine Veränderungen. In unserer modernen Welt hat die Arbeitszeit als ‚additive Ich-Zeit‘ – als Anhäufung von Pflichten und Terminen jedes einzelnen – alles überlagert. Nach Han sind uns sogenannte ‚narrative Zeitstrukturen‘, die uns wie z.B. religiöse Feiern die Erfahrung der Dauer bieten, nahezu völlig abhandengekommen.
Doch wie in Michael Endes „Momo“ besteht Hoffnung: „Es gibt aber eine andere Zeit, nämlich die Zeit des Mitmenschen, eine Zeit, die ich ihm gebe. Die Zeit des Anderen als Gabe lässt sich nicht beschleunigen. Sie entzieht sich auch der Leistung und Effizienz. Die Zeitpolitik des Neoliberalismus hat heute die Zeit des Anderen, die Gabe, ganz abgeschafft. Notwendig ist nun eine andere Zeitpolitik. Im Gegensatz zur Ich-Zeit, die uns isoliert und vereinzelt, stiftet die Zeit des Anderen die Gemeinschaft, ja die gemeinsame Zeit. Sie ist die gute Zeit.“

Alle Zitate aus „Wie soll ich leben? Philosophen der Gegenwart geben Antwort“ (2014)

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