Klopfen, strecken, dehnen, streichen. Ein Raum, erfüllt von asiatischen Klängen sowie einem aromatischen Mix aus Ölen, Ingwer und Zitronenmelisse. In Stoffbeutel gewickelte Kräuter, die wie ein Stempel auf meinem Körper entlangwandern. Und ich, ich lasse los, vollkommen los…
Herr M21er und ich sind keine Freunde von konsumorientierten Festtagen. Auf der No-Go-Liste (aktuell) ganz vorne: Valentins- und Muttertag.
Den letzten Geburtstag von Herrn M21 haben wir mit einem großen Fest gefeiert. Schon vorab fragten mich etliche Gäste, was man(n) sich denn so wünsche. Um das neue Lebensjahr ohne unnötigen weiteren Plunder zu begehen, startete ich heimlich eine Sammelaktion: Jeder konnte sich nach seinem Willen an einem Gutschein für einen Spa-Besuch beteiligen: Schachtel aufgestellt, Schlitz hineingemacht, weggeguckt – auf diese Weise ist das „Spenden“ unter Freunden eine zwanglose Sache.
Das Geld investierte Herr M21 heute in eine BuaSiam Kräuterstempel-Massage – mit solidarischer Begleitung von mir. Die 90-minütige Auszeit war zugleich eine Übung im Loslassen. Oder wie es eine Leserin vor kurzem so treffend auf Facebook formuliert hat: „Minimalismus ist auch das Loslassen von angelernten Mustern“; ich schiebe ein „Verhaltens-“ ergänzend hinterher. Warum das so ist? Drei persönliche Erklärungsversuche.
1. „So viel Geld für eine Massage?“ Ja, genau, so viel Geld für eine Massage. Jeder Euro, jeder Cent. Weil ich es mir wert bin. Eine Investition in mich und mein Wohlbefinden. Und gegen materielles Gerümpel. Oder: Wellness- gegen Konsumtempel 1:0.
2. „Bares von Freunden schenken lassen? Das kann man doch nicht machen!“ Selten spürte ich derart viel Erleichterung im Vorfeld einer Geburtstagsfeier. Kein mühsames Geschenkeshoppen, keine Rumhetzerei nach dem aktuellen Bestseller, der Last-Minute-Weinflasche von der Tanke oder der – ach wie komischen – Deko-Staubfänger-Freundschaftskündigungsgrund-Sammelfigur. Ergebnis: 3 x G. Geht doch, Gäste entspannt, Geburtstagskind glücklich.
3. Ich gebe gerne. Wenn es das Herz meines Gegenübers nachweislich erfreut, auch die Diddlmaus oder das x-te Geschenk aus der Reihe y. Denn Minimalisten als Geizhälse abzustempeln, ist vollkommen unreflektiert. Allerdings: Raum für Zeit oder Zeit statt Zeug ist das, was ich persönlich bevorzuge. Für mich und für andere. Zeit für Freunde und gute Gespräche, Zeit für Entspannung und Muse, Zeit für alles, was im Alltag oft nur wenig bis gar keinen Raum (mehr) findet.
Wer Zeit und Schenken verbinden möchte, der wird übrigens auch im „Zeit-statt-Zeug-Shop“ fündig. Vorlesen statt Buch, Waldluft statt Parfüm, Zoobesuch statt Stofftier – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Einfach Idee überlegen, Motiv, Empfänger und Zeitraum auswählen und los.
Nach eineinhalb Stunden greife ich etwas benommen zu meinen Kleidern und bin entspannt, vollkommen entspannt. Trotzdem muss ich zugeben: Es fällt mir nicht leicht, den Hebel von Alltag zu Auszeit in 90 Minuten umzulegen. Zwar habe ich mich schon lange dafür entschieden, noch mehr Materielles aus meinem Leben loszulassen. Aber das innerliche Freimachen ist manchmal der schwierigere Part. Also weiter geht es mit dem Lassen. Jeden Tag ein bisschen mehr. Und los!