Ich bin geladen. Genauer gesagt: Emotional aufgeladen. Und zwar immer dann, wenn es ans Aussortieren, Reduzieren und Entrümpeln geht. Neulich war es wieder soweit. Ich hatte beschlossen, die nächste Runde im Kampf gegen überflüssigen Ballast einzuläuten. Der Gegner: Mein mit Klamotten und Ebay-Artikeln durchmischter Kleiderschrank.
Drei Fächer beherbergten bis dato sämtliche Dinge, die im Internetauktionshaus bereits auf neue Besitzer warten – von DVDs, Hörspielen und Büchern über Pullover, T-Shirts und Hosen bis hin zu unnützem Nippes. Der Rest des Schrankes ist gefüllt mit meiner täglichen Leibgarderobe. Und genau die soll sich in – einer idealen – Zukunft auf meine Lieblingsteile beschränken, auf das, was mir wirklich steht, schmeichelt, passt, was sitzt und meinem Typ entspricht. Schon nach dem ersten Vorsortieren war die Grundlinie klar: Kein Rosa, keine Schnörkel, kein textiler Klimbim, keine leicht entzündlichen Kunstfasern sowie allzu schrille Farben oder Muster sollen künftig des Minimalisten (neue) Kleider sein.
Also einfach weg mit dem ganzen Rest, oder?
Emotionales Loslassen
Genau an dieser Stelle begann die Ausmistaktion mal wieder verdammt schwierig zu werden. Nehmen wir als Beispiel das gemusterte, rosa Trägertop, gekauft vor über zehn Jahren. Eigentlich der perfekte Kandidat fürs Nimmerwiedersehen. Aber weißt Du noch, liebe M21, was für tolle Zeiten wir zusammen hatten? Damals, auf Deiner Geburtstagsfeier in dem ungewöhnlich heißen Sommer? Oder auf der ersten gemeinsamen Reise mit Herrn M21er?
In ihrem Buch „Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags“ thematisiert Karen Kingston verschiedene Gründe, warum Menschen Dinge horten und nicht loslassen können. Einer davon: Identität und das Gefühl, diese sei an die Gegenstände selbst gekoppelt. Viele von uns haben Angst, „einen Teil von sich wegzuwerfen“, so die Bestsellerautorin.
Ich muss gestehen: Mir geht es ähnlich genauso. Es gibt immer noch viele Besitztümer, zu denen ich zumindest eine emotionale Bindung habe – auch wenn so mancher Entrümplungsexperte sagt, man würde sein Herz damit an tote Gegenstände hängen. Wer sich intensiv mit Minimalismus beschäftigt, kommt jedoch meistens auch am Thema „Nachhaltigkeit“ nicht vorbei. Und genau diese Kombination hemmt meinen fortlaufenden Entrümplungsprozess oftmals ungemein. Für mich sind die Gegenstände nicht tot, sondern voller Geschichten, Erlebnisse und Erinnerungen. Für mich steht selbst hinter dem alten, verwaschenen Baumwollshirt noch immer der Respekt vor der Schöpfung, in diesem Fall vor dem Gossypium, aus dessen Samenhaaren die Faser für mein Shirt gewonnen wurde; die Menschen hinter diesem Produktionsprozess noch gar nicht mitgedacht. Wer die Bilder von Bangladesch vor Augen hat, kann wohl nicht mehr von Gesichtslosigkeit sprechen.
Emotionaler Minimalist
Die Dinge, die ich definitiv verkaufen, verschenken oder spenden werde, teilen sich mittlerweile ihren Platz nicht mehr mit meinen Kleidern. Sie liegen separat in einem extra Schrank. Ich weiß, dass ich wohl auch in absehbarer Zeit noch nicht zu den Besitzarmen beziehungsweise Besitzlosen zählen werde. Aber um mir selbst treu zu bleiben, bin ich gerne ein emotionaler Minimalist.
Zitat aus Karen Kingston: Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags. Richtig ausmisten. Gerümpelfrei bleiben. 2. Auflage Reinbek bei Hamburg 2010, 51
Für mich ist das Schwierigste beim Ausmisten auch das emotionale Loslassen von (bestimmten) Gegenständen. Gerade bei Büchern und Filmen finde ich es nicht einfach, erinnern sie mich doch an bestimmte Lebensabschnitte.
Trotzdem versuche ich mich davon frei zu machen, meine Erinnerung zu stark an solche Gegenstände zu heften – und das ist meist sehr befreiend! Es lohnt sich also, den Kampf gegen das (emotional aufgeladene) Gerümpel weiter zu führen… 😉
Liebe Sophia,
Danke für diesen privaten Einblick!
Du hast vollkommen Recht – der Kampf lohnt sich, auch wenn er meistens immer wieder aufs Neue geführt werden muss.
Und in dem ein oder anderen Fall gibt es ja auch Erinnerungen, die man sehr gerne loslässt ;-).
Wie wenig mittlerweile für mich emotional aufgeladen ist, merke ich an meinen spontanen Ausmistaktionen. Manchmal dauert es nur seine Zeit und die gebe ich den Dingen auch. Scheint besser zu gehen als sie einfach aus meinem Leben zu reißen nur um dem Minimalismus Genüge zu tun.
Kleidung ist wirklich am wenigsten aufgeladen und die Dinge folgen oft einem Weg. Alltagskleidung, Gammelkleidung, Arbeitskleidung oder Putzlumpen. Dann haben sie Löcher und sind so verschmiert, dass ich sie nicht mehr nutzen kann.
Was noch gut ist, aber nicht mehr getragen wird, wird verschenkt oder gespendet. Die Mühe etwas zu verkaufen mache ich mir sehr selten, weil der Arbeitsaufwand sich mit den paar Euro nicht deckt.
Bewusster (Kleidungs)Konsum scheint daher die beste Lösung.
Ich empfehle einen Umzug! 🙂
Durch diesen habe ich ca die Hälfte meiner Bücher, ein Drittel unseres Geschirrs uns ca. 3/4 meiner Klamotten entsorgt. Ich fand das sehr befreiend und war dabei gar nichts emotional. Gerade bei den Büchern hatte ich da anderes erwartet, aber da habe ich mich wirklich extrem beschränkt. Ich finde es super und ich freue mich sehr darauf, bei den Klamotten künftig viel bewusster einzukaufen.
Liebe Sara,
wow, das klingt toll!
Darf ich fragen, was Du mit den aussortierten Sachen gemacht hast?
Liebe Grüße
M21
Von Büchern und Klamotten kann ich mich relativ leicht trennen. Schwieriger ist es bei Stofftierchen (Personifizierung), Briefen oder halt Dingen, die mir als Kind viel bedeutet haben… Aber wenn die Hürde geschafft ist – aus den Augen, aus dem Sinn. Freue mich gerade mega über meinen verschlankten und ordentlichen Kleidungsschrank und, wie bei meiner Vorrednerin, den künftigen bewussten Klamottenkonsum!! 🙂
Liebe Greena,
oh ja, das kenne ich nur zu gut ;-)!
Wie meisterst Du denn die Hürden? Irgendwelche Tipps und Tricks?
Herzliche Grüße
M21
Sehr interessant. Mir geht es teilweise wie Greena. Von Klamotten und Büchern kann ich mich auch sehr leicht trennen. Zugegeben, es gibt zwei, drei Bücher die MUSS ich einfach besitzen. Ich versuche gerade, die Print-Bücher bei Ebay so zu verkaufen, dass mit dem geld vielleicht sogar das eBook gekauft werden kann…
Meine Frau teilt leider meine überschaubare Sammlung an bspw. Klamotten überhaupt nicht: Das kann man noch irgendwann mal anziehen, was passiert, wenn ich wieder zunehme usw.
Nur manchmal, ganz selten, darf ich sie mitnehmen und dann stellen wir uns vor ihren Kleiderschrank und beobachten einfach nur. Ganz wertneutral und vorurteilsfrei lassen wir dann den Schrank bei geöffneten Türen auf uns wirken. Meist fängt sie dann an zu lachen und hin und wieder kommt dann sogar doch ein Müllsack an altem Zeugs bei raus…
Ich glaube, dass emotionale Bindungen bei Sachen, gut zu zweit zu lösen sind. Der oder die unbeteiligte Dritte stellt vielleicht so eine Art Korrektiv dar. Natürlich darf es nicht in die Richtung gehen, los, schmeiß den Mist endlich mal weg, aber eine Diskussion darüber schadet nicht. – immerhin hat man sich mit der Sache beschäftigt und noch für bereichernd erachtet…
Viele Grüße
Jochen
Lieber Jochen,
das mit dem neutralen Korrektiv ist ein guter Tipp!
Der eigene Partner und/oder Freunde schauen im Zweifelsfall mit einer zu gut gemeinten, aber wenig zielführenden Rücksichtnahme oder Scheu auf die Dinge.
Wenn man dennoch als Paar über die „Schrullen“ des anderen lachen kann, schadet es natürlich auch nichts ;-).
So oder so plädiere ich für einen wert- und vorurteilsfreien Umgang mit dem Thema „Minimalismus“. Jeder ist sein eigener Maßstab und muss für sich entscheiden, wie wenig ihm genug ist.
Schönen Sonntag und alles Gute
M21