„Wie stellst Du Dir eine zukunftsfähige Gesellschaft von Morgen vor?“ Diese und andere elementare Fragen werfen die Köpfe hinter living utopia auf. Das Projekt- und Aktionsnetzwerk möchte sog. „Mitmachräume“ für den gesellschaftlichen Wandel schaffen – und nicht nur theoretisch über alternative Lebensformen philosophieren. Ihre Mission: Außerhalb der Box denken sowie neue Perspektiven und Erfahrungen machen. Das geht zum Beispiel auf der jährlichen Utopie-Ökonomie-Konferenz UTOPIKON. Einer ihrer zahlreichen Initiatoren ist Tobi Rosswog. Im Gespräch mit Minimalismus21 erzählt der selbsternannte Mitweltpädagoge und Aktivist (u.a. Blogger bei Experiment Selbstversorgung) mehr über die Nachhaltigkeits-Konferenz sowie die Motivation, geldfreier zu leben. Sein Ziel: keiner fremdbestimmten und sinnentleerten Lohnarbeit nachzugehen.
Lieber Tobi, vielen Dank für Deine Zeit. Stelle Dich doch bitte kurz vor.
Ich heiße Tobi Rosswog und bin als Aktivist, Mitweltpädagoge sowie Initiator beim Netzwerk living utopia sowie dem BildungsKollektiv aktiv. Mit living utopia verwirklichen wir Mtimachräume für den gesellschaftlichen Wandel. Dabei richten wir uns nach vier begleitenden Motiven aus: geldfrei, vegan, ökologisch und solidarisch. Wir laden dazu ein, neue Selbstverständlichkeiten zu leben und alternative Wege außerhalb von Verwertungslogik, Leistungsdruck und Selbstoptimierung zu gehen. Als Teil des BildungsKollektivs halte ich jährlich ungefähr 100 Vorträge und Workshops an Unis, auf Kongressen und Konferenzen. Auf diese Weise möchte ich Impulse für eine zukunftsfähige Gesellschaft von Morgen geben und zum Austausch anregen. Nebenbei schreibe ich Artikel für Zeitungen, Blogs und demnächst noch ein Buch.
Wie seid Ihr auf die Idee von UTOPIKON gekommen?
Auf einer unserer Vortragsreisen haben wir Halt in Berlin gemacht. Da es dort eine sehr große Resonanz zu den Ideen von living utopia gibt, waren wir auf der Suche nach einem entsprechenden Saal für den Vortrag. Die Forum Factory hat uns einen ihrer Räume für einen Abend geldfrei zur Verfügung gestellt. Aus dem Kontakt heraus entstand dann schnell die Idee, dass wir doch eine noch größere Veranstaltung ins Leben rufen könnten. Meine Mitstreiterin Pia Damm und ich saßen schließlich an Heiligabend zum Thema zusammen, tauschten uns aus und die Idee von UTOPIKON war geboren.
Wie lief die UTOPIKON 2016 ab? Was ist das Ergebnis?
In 20 Workshops, fünf Keynotes und einem inspirierenden Rahmenprogramm haben wir die verschiedenen Wege in eine geldfrei(er)e Gesellschaft sowie die damit verbundenen Herausforderungen beleuchtet. Mit dabei waren Pionier*innen der Alternativ-Ökonomie, darunter Niko Paech, Friederike Habermann und Silke Helfrich.
Die UTOPIKON hat durch eine unglaubliche Resonanz gezeigt, dass viele Menschen die Sehnsucht nach einem anderen Miteinander haben – fern von der erwähnten Verwertungslogik, Selbstoptimierung und dem Leistungsdruck. Eine geldfreie Welt, in der wir die Tauschlogik überwinden, mag aktuell zwar unmöglich erscheinen. Aber wir sollten uns über eines klar sein: Nur weil etwas heute undenkbar ist, heißt es nicht, dass es unmöglich ist. Es ist eben gerade nur nicht denkbar.
Was zeichnet Deinen persönlichen Konsumalltag aus?
In erster Linie: Vorhandenes sinnvoll nutzen! Es gibt eigentlich alles im Überfluss. Das Bestehende zu nutzen, ist das Nachhaltigste, was wir tun können: Wir schaffen auf diese Weise keine weitere Nachfrage für ein Angebot, das ohnehin bereits in Hülle und Fülle vorhanden ist. Außerdem organisiere ich meinen Alltag radikal geldfrei. Davon ausgenommen sind nur meine Krankenversicherung sowie die anteilige Warmmiete für das sog. „Liebermensch-Haus“, das wir als Projekt- und Gemeinschaftshaus in Mainz initiiert haben.
Insgesamt ist mein Impuls aber eher: geldfreier leben! Denn das bedeutet, unabhängiger von Lohnarbeit zu werden und dementsprechend mehr Zeit für freie Entfaltung zu haben, d.h. das Potential zu heben, welches ich dann gerne gemeinwohldienlich einbringe. Es ist natürlich auch eine klare Frage nach der Suffizienz, also der Genügsamkeit: Was brauche ich eigentlich wirklich?
Was macht für Dich das Leben wertvoll?
Eben nicht mit Geld zu versuchen, einen Wert und vergleichenden Charakter zu schaffen. Fern von Verwertungslogik, Selbstoptimierung und Leistungsdruck leben und wirken zu dürfen. Verantwortung zu übernehmen im wörtlichen Sinne. Also: Einst Antworten geben zu dürfen auf die Fragen unserer Kinder. Ich möchte sagen können: Ich habe alles versucht, damit Ihr noch eine wunderbare Welt vorfindet. Und mit großartigen Menschen um mich herum konnten wir den Wandel gemeinsam gestalten!
Wird die UTOPIKON 2017 erneut stattfinden?
Da die erste UTOPIKON super gelaufen ist und die Resonanz ganz großartig war, werden wir sicherlich auch 2017 eine Konferenz gestalten, vermutlich im Herbst. Wo die stattfindet, hängt vom Ort ab, der uns geschenkt wird. Wer auf dem Laufenden bleiben mag, darf sich gerne in unseren monatlichen Newsletter eintragen.
Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Tobi Rosswog und UTOPIKON.
Unsere Lektürempfehlung zum Thema: Niko Paech: Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie. oekom verlag 2012 (14,95 €)
More Moments
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Ein tolles und inspirierendes Interview!
Danke für’s Aufmerksammachen einer so tollen Idee- ich habe mich glech einmal in sämtliche Newsletter eingetragen und verfolge das nun sehr gespannt! 🙂
Liebe Grüße
Jenni
Liebe Jenni,
das freut uns sehr zu hören – und Tobi sicherlich auch ;-).
Wenn Du jemanden kennst oder empfehlen möchtest, der auch Teil der #MoreMoments-Reihe sein soll, melde Dich gerne.
Herzlichst
M21