Der Batteriestand meines Mobiltelefons ist niedrig. Nervös werfe ich einen Blick auf das Display. Ist das schon ein erstes Anzeichen von Sucht? Mir geht es aktuell oft so. Aus Gründen. Zum einen nutze ich mein Smartphone häufig und gerne. Zum anderen gibt der Akku meines Geräts in letzter Zeit bereits nach wenigen Stunden erbarmungslos den Geist auf.
Wenn ich mal wieder auf das erloschene Display blicken muss, könnte ich richtig wütend werden. So sehr hänge ich an den bunten Icons, dem Reigen verheißungsvoller Verlockungen. Natürlich kann man sich den Social-Media-Kanälen als Blogger nicht entziehen, vor allem, wenn man „en vogue“ bleiben möchte. Eine willkommene Ausrede also? Mit Blick auf das schwarze, funktionslose Ding in meiner Hand letztlich ohne Bedeutung: Ich bin gezwungenermaßen offline.
Digitales Leben in der Vergeudungsökonomie
Wurde ich mal wieder das Opfer von geplanter Obsoleszenz? Ja und nein. Fast fünf Jahre intensive Nutzungsdauer ist heute vor allem bei mobilen Endgeräten nicht mehr eingeplant. Da auf meinem alten iPhone 4s trotzdem noch IOS 9 sowie die meisten Apps (mitunter etwas ruckelig) funktionieren, kann ich diesbezüglich kaum von einer geplanten, indentierten Alterung des Produktes sprechen. Mehr als ein halbes Jahrzehnt „Lebenszeit“ dürfen Konsumenten heute eben offensichtlich nicht mehr erwarten. Schließlich ist ein Smartphone mit seiner komplexen Computertechnik kein Tischfernsprecher W48. Diese alten Bakelit-Wählscheiben-Telefone unserer Großeltern erfüllen teilweise bis heute ihre Funktion: nämlich ein Telefonat zu führen. Nicht mehr, aber selbst nach 50 Jahren nicht weniger. Warum also austauschen?
Heute ist das vollkommen anders. Dafür sorgen Werbe- und Marketingstrategen mit allen Tricks: Viele Nutzer sollen jedes Jahr ein neues Modell mit noch besseren Gimmicks wollen. Entsprechend schnell veralten die Vorgängermodelle, obwohl sie im Wesentlichen noch voll funktionstauglich sind.
So wie mein 4s, wenn der Akku noch durchhalten würde… Natürlich sind Stromquellen Verschleißteile; aber dass Firmen wie Apple den Austausch künstlich mit Verklebungen und besonderen Schrauben erschweren, ist eben doch ein klares Indiz für geplante Obsoleszenz. Die Botschaft lautet: Reparatur unerwünscht! Was also tun?
Ich bin wahrlich kein Fortschrittsverweigerer. Aber manchmal beneide ich die älteren Generationen, die sich Geräte für die Ewigkeit gekauft haben – wie das bereits erwähnte, unverwüstliche W48. Da sich mein digitaler Entzug schmerzlich bemerkbar machte, das Display immer noch schwarz geblieben ist, versuchte ich mich an den Gedanken einer Neuanschaffung zu gewöhnen. Beim Durchforsten der verschiedenen Angebote offenbart sich die Misere unserer Konsumgesellschaft. Gerade bei Smartphones kann ich beim besten Willen keine wirkliche Innovation mehr erkennen, die den Kauf eines neuen Modells rechtfertigen würde. Trotzdem werden Begehrlichkeiten geschickt geschürt – fast schon mit pseudoreligiösen Heilsversprechen. Dahinter wird nur versteckt, dass die Entwicklung ausgereizt zu sein scheint. Oder sind eine noch höher auflösende Kamera, ein noch schnellerer Prozessor und eine noch aufwendigere Lackierung wirklich zukunftsweisende Neuerungen? Ich habe eigentlich keine überzeugenden Gründe gefunden, die einen Tausch für mich rechtfertigten.
Gebraucht statt neu
Obwohl wir für unseren Blog Smartphones nutzen, habe ich gerade keine Lust auf eine Neuanschaffung. Wenn man wie ich das Telefon bis zu seinem Funktionsende benutzen will, wäre ein Neukauf – trotz der teilweise horrenden Preise – dennoch sinnvoller. Denn das Sponsoring durch den Mobilfunkanbieter rechnet sich nur, wenn man sich alle zwei Jahre ein neues Gerät holt. Bei diesem Konsumzirkus möchte ich jedoch nicht mitmachen. Ein typisches Erste-Welt-Problem, ein modernes Konsum-Dilemma sozusagen.
Doch ich hatte Glück: Ich nutze jetzt ein iPhone 4, das ich geschenkt bekommen habe. Dieses ausrangierte Firmenhandy zwingt mich, auf liebgewonnene Funktionen wie Panoramabilder und die Sprachsteuerung Siri zu verzichten. Auch die eine oder andere App ist nicht mehr auf dem neuesten Stand oder lässt sich gar nicht mehr installieren. Das ist jedoch alles nicht halb so schlimm wie befürchtet. Zwar sehe ich zum Beispiel keine Instagram-Videostories mehr, da diese Funktion nicht unterstützt wird. Aber auf solche digitalen Zeiträuber kann ich bereits nach wenigen Tagen problemlos verzichten.
Außerdem konnte ich meine bisherigen Anwendungen nicht einfach auf das iPhone 4 übertragen, weil ein Downgrade auf ein älteres Gerät bei iTunes nicht vorgesehen ist. Dass erst einmal nichts installiert ist, kommt einem Entrümpelungs-Kahlschlag gleich. Bevor ich wieder digital vermülle, überlege ich aktuell lieber dreimal, ob ich eine App wirklich erneut herunterlade. Weniger ist auch hier eindeutig mehr, denn plötzlich ist der Reigen der digitalen Verlockungen auf ein sinnvolles Maß zusammengeschrumpft – eine wahre Wohltat!
Und das Beste: Ich muss erst einmal kein neues Smartphone kaufen.
Ich bin technisch eher ungeschickt. Deshalb habe bei meinem alten 4s bereits einmal den Akku austauschen sowie den Home- und den Ausschaltknopf reparieren lassen. Falls Ihr jedoch Euer altes Smartphone selbst reparieren wollt, habe ich einen Link-Tipp für Euch: iFixit. Das kostenlose Reparaturhandbuch für alles, geschrieben von allen.