Nehmen wir es gleich vorneweg: „Befreiung vom Überfluss“ ist keine leichte Kost. Auf mehr als 150 Seiten wandelt Niko Paech „auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie“, die ein genügsameres, stabileres und ökologisch verträglicheres Wirtschaften ermöglichen soll. Dabei hält der Volkswirtschaftler dem Leser einen blank polierten Spiegel vor die Augen. Im Mittelpunkt des Angesichts: der materiell orientierte Wohlstandsbürger, der in einem unbegrenzten (Kommunikations-)System uneingeschränkt konsumieren kann – weltweite Mobilität inklusive. Doch was steckt hinter dem immensen Mobilitäts- und Konsumniveau? Vor allem eine Abhängigkeit von überregionalen Marktdynamiken und Versorgungsketten. Klingt kompliziert? Ist es stellenweise auch.
Der Wachstumskritiker Paech hat eine Menge Thesen parat, wenn es darum geht, sein Modell ökonomischen Handelns zu erklären: Wohlstandsballast abwerfen, Lebensstile entschleunigen, mehr Eigenproduktion als industrielle Herstellung, Nutzungsdauer von Gütern durch Instandhaltung und Reparaturen verlängern, gemeinschaftlicher Gebrauch von Gegenständen – um nur einige Beispiele zu nennen. Flankiert wird das Ganze von einem Wirtschaftssystem, in welchem die Verkürzung der Arbeitszeit genauso eine Rolle spielt wie der Rückbau von Industrieanlagen. Visionäre Alternativen, die in einem ersten Schritt eine Arbeit an der Basis und damit bei jedem einzelnen von uns erfordern. Warum nicht die Bohrmaschine vom Nachbarn leihen, anstatt selbst eine zu kaufen? Warum nicht den Fehlkauf oder das ungeliebte Weihnachtsgeschenk gegen einen selbstgebackenen Kuchen oder eine Stunde Rasenmähen tauschen? Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Fazit: Niko Paech postuliert im Grunde einen Lebensstil, der einen gewissen Grad an Minimalismus zur Selbstbefreiung von äußeren und inneren Zwängen bzw. Abhängigkeiten benötigt. Als Sprachrohr für eine Gegenbewegung zur Wachstumsdroge müsste sich der Nachhaltigkeitsforscher und Lehrstuhlvertreter jedoch auch selbst beschränken. Lange Schachtelsätze, komplizierte Satzkonstruktionen und zahlreiche Fachbegriffe erreichen leider nur bedingt die Massen. Genau sie wären jedoch zur Realisierung eines neuen Morgen notwendig.
Niko Paech: Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie. oekom verlag 2012 (14,95 €)
Schön, dass Ihr ihn live erlebt habt. Er sagt, was ich denke. Wir haben den gleichen ökologischen Fußabdruck.
Genau, die Sprache geht einfacher. Oder brauchen wir erst ein Studium in Oldenburg?