Jahr: 2013

Der Abzug der Parade

Meine Oma sprach von ihrem Nippes immer als ihrer „Parade“. Diese stand in Reih und Glied auf der „Kredenz“, einer dunkelbraunen Anrichte im Wohnzimmer. Jedem neuen Besucher präsentierte sie voller Stolz die bunte Ansammlung unterschiedlichster Gegenstände in allen Formen, Farben und Größen. Meine eigene Parade hat dagegen zum Teil lange Zeit im Verborgenen verbracht. Dort wartete sie nur auf einen günstigen Moment, um wieder ein Mitglied in ihre Reihen aufnehmen zu können. Im Laufe der Zeit entstanden so kleinere und größere Kolonien, die den Namen „Zierde“ jedoch nicht annähernd verdienten. Ein Schlachtplan musste her. Codename: „Minimalismus“. Taktik: Eliminierung und Aushungern der Mitglieder auf der einen, Abwehr und Abweisung potentieller Neuankömmlinge auf der anderen Seite. Jüngstes Beispiel: Die Ansammlung an geschenkten und selbst gekauften Cremes, Lotions, Emulsionen und Co. Auch wenn die Haut das größte Organ des Menschen sein mag – so viel Balsam tut nicht einmal der Seele gut.

Beschränkung = Bewusstmachung?

Herr K. sagt immer: „Sie müssen sich beschränken. Ihre Interessen verteilen sich auf zu viele Gebiete.“ Warum eigentlich, frage ich (mich). Ist es so vermessen, mehr vom Leben zu wollen, das Beste aus jedem Tag herauszuholen? Nein, das sicherlich nicht. Doch wer sich auf wenige Bereiche konzentriert, hat eine größere Chance, bestimmte Dinge bewusst(er) wahrzunehmen und zu lernen. Dabei ist das Bewusstmachen wie eine Reise mit kleineren und größeren Zwischenstopps. Wo ich heute noch verweile, darauf vermag ich morgen schon zurückzublicken. Herr F. sagt immer: „Alle fünf Jahre muss ich etwas Neues machen. Neuer Job, neues Umfeld, neues Hobby.“ Die letzten Jahre ist F. passionierter Taucher gewesen – eine Leidenschaft, auf die er sich voll und ganz konzentriert hat. Sein persönliches Highlight: ein langer Tauchgang begleitet von einem Delphinschwarm. Das, sagt Herr F., lässt sich für mich nicht mehr toppen. In Zukunft will er sich ganz dem Fliegen widmen. Zumindest für das nächste halbe Jahrzehnt.

Nachlese: Befreiung vom Überfluss (Niko Paech)

Nehmen wir es gleich vorneweg: „Befreiung vom Überfluss“ ist keine leichte Kost. Auf mehr als 150 Seiten wandelt Niko Paech „auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie“, die ein genügsameres, stabileres und ökologisch verträglicheres Wirtschaften ermöglichen soll. Dabei hält der Volkswirtschaftler dem Leser einen blank polierten Spiegel vor die Augen. Im Mittelpunkt des Angesichts: der materiell orientierte Wohlstandsbürger, der in einem unbegrenzten (Kommunikations-)System uneingeschränkt konsumieren kann – weltweite Mobilität inklusive. Doch was steckt hinter dem immensen Mobilitäts- und Konsumniveau? Vor allem eine Abhängigkeit von überregionalen Marktdynamiken und Versorgungsketten. Klingt kompliziert? Ist es stellenweise auch. Der Wachstumskritiker Paech hat eine Menge Thesen parat, wenn es darum geht, sein Modell ökonomischen Handelns zu erklären: Wohlstandsballast abwerfen, Lebensstile entschleunigen, mehr Eigenproduktion als industrielle Herstellung, Nutzungsdauer von Gütern durch Instandhaltung und Reparaturen verlängern, gemeinschaftlicher Gebrauch von Gegenständen – um nur einige Beispiele zu nennen. Flankiert wird das Ganze von einem Wirtschaftssystem, in welchem die Verkürzung der Arbeitszeit genauso eine Rolle spielt wie der Rückbau von Industrieanlagen. Visionäre Alternativen, die in einem ersten Schritt eine Arbeit an der Basis und damit …