Frau W. ist die aktuelle Mieterin unserer neuen vier Wände. Auf die haben wir über 3650 Tage gewartet. Also auf die Wände. Und Frau W. hat eine Küche, die sie loswerden möchte. Und in der sitzen wir etwa eineinhalb Wochen, nachdem der Vorstand der Genossenschaft unseren Wohnungstausch abgesegnet hat. Wir werden freundlich empfangen, beglückwünscht und gefragt, ob wir ein Glas Wein möchten. Da Herr M21er Kopfschmerzen hat und ich mich im Status chemischer Rest-Rekonvaleszenz befinde, lehnen wir jedoch dankend ab. In medias res gehen wir deswegen aber nicht sofort. Ich spüre: Die Vormieterin in spe hängt an ihrer alten Heimat, die sie verlässt, an ihrer Wohnung mit leichtem Altbaucharakter und an ihrer Edelstahl-Küche. Bei der war sie allein für die passenden Schubladengriffe im minimalistischen Industriedesign wochenlang auf der Suche. Ich mag die Architektin mit Geschmack sofort.
Eine gute Küche ist das Fundament allen Glücks (G. A. Escoffier)
Noch mehr mag ich jedoch die Vorstellung, dass Herd und Co. im Begriff sind, die Eigentümer zu wechseln. Aus Respekt vor Frau Ws. Wehmut übe ich mich jedoch selbst dann in emotionaler Impulskontrolle, als wir den wirklich fairen Preis für die Ablöse erfahren. Die Win-win-Situation ist eindeutig. Um meinen positiven Gefühlen etwas legitimen Raum zu verschaffen und die Stimmung aufzulockern, erzähle ich von unserer jetzigen Küche: 16 Jahre alt, Typenbezeichnung „Apfel Calvados“. Die Architektin guckt ein wenig irritiert und merkt an, dass klinge irgendwie nach „Granny Smith“ – was Herrn M21er ein leicht säuerliches Lächeln entlockt. Wie passend. Denn tatsächlich ist die mittelbraune Sperrholzfurnier-Ausstattung von Quelle zu Studentenzeiten die beste und günstigste Lösung gewesen. Sentimentalitäten kommen bei diesem Gedanken nicht auf. Apfel Calvados passt weder in die neuen vier Wände noch zu unserem heutigen Geschmack. Da mich selbst zwei Jahre Hauswirtschaft als Schülerin nie an die „Materie“ herangeführt haben, ich keine Lust habe, stundenlang durch Küchenstudios zu streifen und unnötig Geld bzw. Ressourcen zu verschwenden, nehme ich „Edelstahl matt gebürstet“ mit Kusshand. Komisch, dass wir nicht mit Apfelbranntwein aufs Geschäft angestoßen haben. #Küchenminimalismus eben.
Die 2-Kilo-Regel
Bevor wir das kulinarische Hab und Gut in Beschlag nehmen können, ist nach wie vor einiges zu tun. Auf beiden Seiten. Frau W. ist in Redelaune gekommen und hadert mit dem restlichen Krempel, den sie noch in ihr neues Dachgeschoss nach NRW bringen muss. Es fallen emotionale Sätze wie: „Woher kommt das ganze Zeug?“ Oder: „Also irgendwie fühlt man sich fast ein bisschen schlecht, dass es soweit gekommen ist.“ Zwei Besucher-Köpfe nicken voller Empathie im Takt. Ihre Strategie der letzten Wochen: Die 2-Kilo-Regel. Trage jeden Tag beim Verlassen des Hauses vier Pfund Plunder aus deiner Wohnung. Zum Müll, zum Wertstoffhof, zum Verschenken an Nachbarn und Freunde etc. Ich denke an meine drei gewichtigen Bücher Wälzer, die ich im Internet versteigert und just an diesem Tag zum Briefkasten gebracht habe. Nach dieser Rechnung können wir erst 2017 umziehen. Ende 2017. Also frühestens.
#Reset. Alles auf Anfang. Die aktuelle Blogserie auf Minimalismus21.
Begleitet uns in den nächsten Wochen bei unserem Einzug in ein neues Leben. Alle vorherigen Teile der Serie findet ihr unter dem Suchbegriff #Reset rechts oben (Lupe) und natürlich bei Twitter.