Jahr: 2018

Nachlese: Herrschaft der Dinge (Frank Trentmann)

Wie schreibt man eigentlich Konsumgeschichte in einem Zeitalter, in dem wir von einem stetig wachsenden Berg von Dingen umgeben sind? Vielleicht als Geschichte eines Beziehungs- bzw. Bedeutungswandels, als Historie der Veränderung und als Beitrag zu einer historischen Debatte. Letztgenannte begann übrigens nicht erst im 21. Jahrhundert, wo sich – so der deutsche Historiker Frank Trentmann (Professor für Geschichte am Birkbeck College der Universität London) – zwei Lager gegenüberstehen und mit ihm zwei Arten von Konsumenten. 1. Der passive, durch Kaufen, Billigkredite, Markenbildung und Werbung gelangweilte Konsument. 2. Der demokratische Wohlstandsbürger, der als Teil des Marktes unbehelligt seiner Wahlfreiheit frönt, Kinder und ältere Menschen als besondere Zielgruppen mitgedacht. Egal, wie die persönliche Einordnung ausfällt: Einkaufen und Konsumieren sind keineswegs Akte geistloser Akkumulation, sondern haben identitätsbildenden Charakter. Menschen finden sich, das zeigen anthropologische Studien in Überflussgesellschaften, in ihren Besitztümern wieder und drücken sich durch sie aus. Dazu gehört auch, Dinge zu personalisieren und sich eine Erinnerungskultur zu schaffen, etwa wenn Materielles von Generation zu Generation weitervererbt wird. Im 15. Jahrhundert genauso wie heute. Erwerb, Nachschub, Verbrauch Aus …

#MoreMoments 10: Meine Ernte

Meditativer Ausgleich zum Büro, Bewegung an der frischen Luft, sich erden und ernten, was man säht: Ein Stück Acker kann zum grünen Paradies mitten in der großen Stadt werden, wie uns Lili schon im Sommer 2017 erzählt hat. Auf 45 oder 90 qm lässt sich der Traum vom regionalen Eigenanbau an mitlerweile 26 Standorten deutschlandweit für jedermann verwirklichen. Gemeinsam mit landwirtschaftlichen Betrieben bietet meine ernte Gemüsegärten zum Mieten an, darunter in Berlin, Dresden, Hamburg und Stuttgart. Für das „Experiment Selbstversorgung“ benötigen Slow-Food-Freunde, Natur- und Gartenliebhaber  nicht einmal den sprichwörtlichen  „Grünen Daumen“. Denn ein Landwirt vor Ort pflanzt bereits mehr als 20 Gemüsearten professionell vor, eine Grundausstattung an Geräten wird gestellt. Die Erntezeit liegt saisonal zwischen Mai und November. Als Studentinnen konnten Natalie und Wanda davon allerdings nur träumen. Denn zu diesem Zeitraum stand „oft ein Fertiggericht oder Fast Food auf dem Speiseplan“, wie sie selbst sagen. Auf Minimalismus21 erzählen die beiden Gründerinnen und Gesichter hinter meine ernte, wie sie Bürostühle gegen Gemüsegärten tauschten und warum das Glück der Erde in eben jener selbst liegt. Was …

Minimalismus, jetzt

Ich weiß nicht, ob die Sonne an diesem Morgen heller leuchtete. Die Vögel lauter sangen. Die Menschen fröhlicher wirkten. Ich vermag nicht zu sagen, ob meine persönliche Wahrnehmung auf positiven Autofokus umgeschaltet hatte. Wahrscheinlich ist, dass ich tatsächlich mit aller Macht versuchte, die negativen Gedanken zu verdrängen. Denn vor einiger Zeit hatte ich das Schicksal herausgefordert. Ihm direkt ins Gesicht gesehen und festgestellt, ich könnte gehen. Ja, es wäre nicht mehr so schlimm, wenn es ab sofort aus und vorbei wäre, die Reise zu Ende, der Weg beschritten. Denn mein Minimalismus und ich, wir haben auf vieles verzichtet, um uns vieles zu erfüllen. So viel, dass immer noch genug Neugierde und Erwartung offen sind. So viel, dass „Wenn dann“ und „Hätte“ auf ein erträgliches Maß schrumpfen konnten. Für einige meiner Mitmenschen stellen sich diese Überlegungen seit dem vergangenen Jahr allerdings schon nicht mehr. Sie mussten gehen oder wollten. Wobei das „Wollten“ am schwierigsten zu begreifen ist. Denn etwas zu wollen setzt eine Freiwilligkeit voraus. Und die scheint medizinisch betrachtet höchst fragwürdig zu sein, wenn tiefe …