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Sabbatical. Warum ich mir 2019 eine Auszeit leiste

Als 1974er-Jahrgang bin ich bereits über der Halbzeit des Lebens – statistisch gesehen. Keine Sorge – es folgt kein Midlife-Crisis-Gejammer… Fakt ist aber: Seit ich die 40 überschritten habe, beschäftigt mich das Thema Zeit immer mehr. Was will ich mit meiner Zeit anfangen? Wie viel freie Zeit habe ich wirklich für mich zur Verfügung? Wem oder was widme ich diese Zeit?

Und ich spüre intensiver denn je: Zeit ist der wahre Luxus im Leben. Und doch wird dieses Bewusstsein meist vom Alltag verdrängt, einem Alltag, der von beruflichen Pflichten dominiert wird. Das Bild vom Hamsterrad mag ich nicht sonderlich, denn ich arbeite gern. Trotzdem bleibt unterm Strich wenig Zeit für die vielen Dinge, die mich neben meiner beruflichen Tätigkeit interessieren. Oder anders gesagt: Oftmals bin ich von der täglichen Lehrtätigkeit, den Korrekturen und der Vorbereitung zu erschöpft, meine verbliebene Freizeit so zu nutzen, wie ich das eigentlich möchte. Vielleicht auch ein Anzeichen meines zunehmenden Alters. Doch was tun?

Sabbatical: Aussteigen auf Zeit
Ich habe mich für ein Sabbatjahr entschieden. Innerhalb weniger Wochen wurde mein Antrag vom Ministerium genehmigt. Nach einer zweijährigen Ansparphase, in der ich in Vollzeit arbeite, aber auf ein Drittel meines Gehalts verzichte, werde ich ab August 2019 für ein Jahr freigestellt sein. Und dann das angesparte Gehalt „zurückbekommen“, also weiterhin meinen Lohn erhalten.
Bei meinem Dienstherrn – dem Freistaat Bayern – war lediglich ein formloser zweiseitiger Antrag auf „Teilzeitbeschäftigung im Freistellungsmodell“ und die Zustimmung des Direktors notwendig. Doch trotz dieser privilegiert einfachen Regelung habe ich diese Herzensentscheidung lange herausgezögert.

Gesellschaftliche Konventionen und der innere Schweinehund
Woran dies lag, weiß ich selbst nicht so richtig zu fassen. Als verbeamteter Lehrer muss ich mir keine Sorgen über die Rückkehr in meinen Job machen. Ich habe keine Kreditlasten, muss kein Haus o.ä. abbezahlen und keine Familie finanzieren, sodass auch ein Teilzeitgehalt genügt. Als Minimalist gebe ich wenig Geld für unnötigen Konsum aus. Diese Sparsamkeit ermöglicht mir für das Sabbatjahr eine finanzielle Freiheit. Also, warum überhaupt ein Zögern?
Wenn ich in mich hineinhöre, gibt es zwei Gründe dafür. Einmal die innere Stimme, die mir sagt: So was macht man doch nicht! Als gesunder Erwachsener geht man pflichtbewusst in die Arbeit… Du kannst dir doch nicht einfach ein Jahr freinehmen, einfach so… und dafür noch dein Erspartes ausgeben! Leg` das mal lieber fürs Alter zurück!
Und das kleine Teufelchen flüstert weiter: Was willst du denn dann machen? Etwa faulenzen? Das muss schon etwas Großartiges und Einmaliges sein! Mindestens eine Weltreise oder ein Bestseller! Sonst ist es doch nur eine Verschwendung von Lebenszeit, in der du lieber gearbeitet hättest… Hast du überhaupt schon eine Idee dafür?

Nein, habe ich noch nicht! Und ja, man darf sich diese Freiheit nehmen. Das Leben ist zu kurz, um ein solches Experiment nicht zu wagen. Ich freue mich auf den wahren Luxus: freie Zeit!

Ich stehe erst am Anfang. Für mich bzw. uns wird es ein spannendes Experiment. Können wir möglichst viel gemeinsame Zeit für besondere Unternehmungen nutzen? Was werde ich bzw. was werden wir mit dieser Zeit machen, was macht sie mit uns? Unter dem Hash #SabbatjahrM21 werden wir immer wieder berichten.

Hast Du ähnliche Pläne? Oder gar schon ein Jahr aus dem Beruf ausgesetzt? Was hast Du mit dieser Freiheit auf Zeit gemacht? Wir freuen uns über Deine Kommentare!

13 Kommentare

  1. Ulrike sagt

    Lust hätte ich da unbedingt drauf. Leider arbeite ich in der freien Wirtschaft und es gibt bei uns keine Sabbatical-Anspar-Modelle und einmal raus aus dem Job, komme ich mit Ü40 dann auch nicht mehr rein. Ich habe mir mal zwei Monate halbtags arbeiten gegönnt, aber das haut finanziell sehr rein und der Abstand zum Job fehlt halt auch.

    • Herr M21er sagt

      Hallo Ulrike, vielen Dank für Deinen Kommentar.

      Da bin ich tatsächlich in einer sehr privilegierten Situation, nicht nur durch meinen Beamtenstatus. Mit den großen Ferien im Sommer ist das alte Schuljahr abgeschlossen und im September startet die gesamte Schulgemeinde neu. Das erleichtert den Wiedereinstieg ungemein! Und in meinen Fächern Deutsch, Geschichte und Ethik sind selbst Neuerungen im Lehrplan nach einer Pause keine große Herausforderung.

      Für ein Sabbatical einfach zu kündigen, wie das z.B. Stefanie und Birgit von Giraffe13 gemacht haben (https://minimalismus21.de/2017/09/03/moremoments-8-sabbatical-in-afrika/), hätte ich mich auch nicht getraut!

      Toll finde ich, dass du dir zwei Monate Teilzeit gegönnt hast. Vielleicht gibt es ja in deiner Firma die Möglichkeit, ein „Mini-Sabbatical“ anzusparen, z.B. 4 Wochen Extra-Urlaub?

      Viele Grüße – Herr M21er

  2. Sabattical ginge bei mir auch nicht, aber ich meine Arbeitszeit habe ich schrittweise reduziert auf jetzt 50%. Als Sozialpädagogin eigentlich eine finanzielle Herausforderung. Allerdings so schwierig auch nicht. Der Verzicht auf ein Auto spart bei mir alleine schonmal rund 20% Arbeitszeit (genau berechnet dank Haushaltsbuch). Der minimalistische Lebensstil bringt die restl. Ersparnis.
    Zeit ist für mich ebf. der grösste Luxus und den geniesse ich sehr.

    • Hallo Gabi, vielen Dank für Deinen Kommentar. Teilzeit oder zumindest Stundenreduktion ist für mich auch ein sehr präsentes Thema, vor allem nach den letzten beiden Schuljahren mit überdurchschnittlich hoher Korrekturbelastung. Aber diese Entscheidung werde ich nach dem freien Jahr treffen.
      Auch finde ich es sehr sinnvoll, immer wieder die eigenen Fixkosten zu überprüfen und zu hinterfragen. Eine Kollegin von mir kann in ca. 15 Jahren regulär in Pension gehen, möchte sich aber früher aus dem Berufsleben verabschieden. Sie hast mit Hilfe eines strengen Haushaltsbuchs Kassensturz gemacht, wie viel Rentenabschlag sie für ein früheres Ausscheiden verkraften kann.

      Beste Grüße – Herr M21er

  3. zeit am stück zu haben, also was über die üblichen ferienzeiten hinausgeht, ist das grösste! ich habe das immer wieder gemacht für ein paar monate. und mit der familie in europa rumgegurkt. eins a. die nächsten 4 monate gibts erst wieder 2019/2020, freistellungsantrag für die kinder (die ja zur schule gehen) ist schon gestellt….

    • Hallo Betty, ich finde es toll, dass Ihr Euch als Familie immer wieder Auszeiten nehmt und nicht vor administrativen Hürden zurückschreckt! Denn diese gemeinsam erlebte Zeit schafft kostbare gemeinsame Erinnerungen! Vielleicht möchtest Du uns für unsere Blogreihe #MoreMoments über Eure Erfahrungen berichten? Wir würden uns freuen! Viele Grüße – Herr M21er

  4. Nadine sagt

    „Lassen Sie Leere zu, damit etwas entstehen kann, ohne ihren Willen und ohne ihre Planung. Im zweckfreien Zwischenraum müssen sie nicht nach vorne blicken, auch nicht nach hinten, da sind sie einfach da, wo sie sind. Es ist ein lebendiger Ort, an dem sie frei sind.“ Aus Innehalten von Fleur Sakura Wöss. Ich finde diese nicht-verplanen grandios. Daraus wird etwas entstehen. Etwas gutes. Viele Grüße

    • Hallo Nadine! Ein sehr treffendes Zitat! Es bestärkt mich darin, weiterhin „planlos“, aber offen für Neues an das freie Jahr heranzutreten. Was ich jedoch mache: Ich schreibe Dinge auf, die ich immer schon einmal erleben wollte. Oftmals „nur“ alltägliche Dinge, für die ich aber kaum Zeit finde. Es wird also viel zu entdecken geben! 😉 Vielen Dank für diesen inspirierenden Hinweis auf Fleur Sakura Wöss & beste Grüße – Herr M21er

  5. Ich habe tatsächlich vor einer Woche auch einen Antrag auf ein Sabbatical gestellt. Bei mir geht es aber – wenn alles klappt – erst im Juli 2020 los. Einen Plan habe ich auch noch nicht, da ich denke, dass ich es auf mich zukommen lassen möchte. Bin gespannt was ihr aus dem Jahr macht. 🙂

    • Hallo Mara, Gratulation zu Deiner Entscheidung! Ich drücke die Daumen, dass Dein Vorhaben genehmigt wird! Es ist ein Geschenk, das man sich selbst macht: Zeit, die man ohne Druck und schlechtes Gewissen für sich und andere nutzen kann! Ich bin auch schon sehr gespannt, was dabei alles entsteht! 🙂 Beste Grüße – Herr M21er

  6. Thorsten sagt

    Ein Sabbatical hätte ich mich nie getraut, ich hätte Angst auch gehabt den (technischen) Anschluss zu verlieren. Tempus fugit. Als Selbstständiger wäre das auch eher schwer gewesen. Eine Auszeit in meinem Job wäre bei jedem Vorstellungsgespräch (alle 3,6,9,12 Monate) sehr lästig geworden und mit höchster Sicherheit auch eher negativ bewertet worden. Möglichst gar keine Lücke im Lebenslauf, lückenloser Einsatz, um sich gegen die Konkurrenz durchsetzen zu können.

    • Vielen Dank, Thorsten, für den ehrlichen Einblick in Deine Berufserfahrung.
      Ich habe auch den Eindruck, dass es in der Arbeitswelt längst noch nicht selbstverständlich ist, Auszeiten wie ein Sabbatical als etwas Positives zu werten – was sehr schade ist! Ich denke aber, dass auch hier ein Umdenken stattfindet: Es gibt so viele interessante Ansätze, die Arbeitswelt von morgen neu zu denken…
      Für Selbstständige ist es natürlich doppelt schwer, eine solche Auszeit zu realisieren; ich bin daher meinem Arbeitgeber für diese Chance wirklich dankbar!
      Dir alles Gute – vielleicht ergibt sich trotzdem eine Möglichkeit für eine selbstbestimmte Auszeit! Beste Grüße – Herr M21er

  7. Katrin sagt

    Ich finde großartig was du vorhast. Sei nur darauf gefasst, dass du nicht mehr derselbe sein wirst wie vorher. Herzlichen Glückwunsch zu der Entscheidung.

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