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#Reset 3: Rainer, Yucca und ich

So langsam arbeitet die Zeit in Sachen Umzug gegen uns. In fünf Wochen erhalten wir offiziell den Schlüssel für die neue Wohnung. Bis dahin müssen und sollen jedoch noch zig Dinge ausgemistet, entsorgt, verschenkt, verkauft, versteigert und gespendet werden. Um die Umzugskisten nicht unnötig (weiter) zu füllen, haben wir uns ein strenges Gebot auferlegt: Konsumverzicht hoch drei. Gekauft wird nur das aller-, aller-, allernotwendigste wie etwa Lebensmittel. Und dennoch: Den eigenen Hausstand in Bewegung zu setzen kostet Kraft, Zeit, Energie und manchmal jede Menge Nerven. Bei schwankendem Stimmungsbarometer.

Urbane Geschichten aus der großen Stadt
Das hat sich bei unserer letzten eBay-Aktion mal eben in der Gefrierzone bewegt. Da wir beide keinen grünen Daumen haben, heißt es in unserem Haushalt bekanntlich DIY light: Minimal(istisch) Gärtnern. Und wir erinnern uns: drei Blumenkästen mit Tütensamen und ein Drachenbaum sind für mich das grüne Maximum. Unsere Yucca ist jedoch überhaupt nicht nach meinem floralen Geschmack und bringt mich regelmäßig auf die Palme: Groß, staubig, steht immer im Weg. So würde ich das großblättrige Ungetüm charakterisieren. Herr M21er ist allerdings ein überzeugter Anhänger und ignorierte sämtliche meiner Drohungen, den unliebsamen Mitbewohner irgendwann heimlich per Selbstabholung im Internet zu „entsorgen“. Bis jetzt. Jetzt haben wir selbigen nämlich genau dort versteigert: Yippie jaja yippie yippie yeah!

Der Käufer hinter der Yuccapalme
Der glückliche Höchstbieter: Rainer. Knapp 1.000 Bewertungen. Ein erfahrener eBayer, oder? Äh, jein. Obwohl ich Rainer sofort nach dem Ende der Aktion (Sonntag) sämtliche Daten und Termine für die Abholung schicke, folgt erst einmal tagelanges Schweigen. Mitte der Woche plötzlich eine E-Mail: „hallo ich würde pflanze gerne abolen wo und wann“. Sorry, ich bin manchmal gegen diesen Kommunikationsstil einfach allergisch, verweise jedoch freundlich auf die Zahlungsinfos und schreibe geduldig erneut sämtliche Infos in meine Antwort. Doppelt hält bekanntlich besser. Die Reaktion kommt prompt: „würde heute vorbeikommen so gegen 20 uhr“. Dummerweise ist heute gleich heute und 20 Uhr nur noch 38 Minuten entfernt. Dazu kommt: Herr M21er hat um 20 Uhr einen Termin mit unserer Vormieterin, um die Küchenübernahme schriftlich zu fixieren. Mist. Und Herr M21er will mich mit der verdammten Pflanze UND mit Rainer alleine lassen. Ne, logisch, oder? Wir diskutieren heftig, ich gewinne und es wird klar: Mitgehangen, mitgefangen. Frau. W. (Vormieterin) muss warten.

Also sitzen wir beide auf der Lauer und harren sehnsüchtig nach dem erlösenden Klingelton. Der aber nicht ertönt. Stattdessen macht sich um Viertel nach acht eine merkliche Unruhe im Treppenhaus breit und ich höre, wie unser Nachbar im zweiten Stock Laut macht. Dann eine zweite Stimme: „Haben Sie meine Palme? Nein? Ach, Mensch, wer hat denn jetzt nur…“ Kann ein Minimalist die Ausmist-Krankheit kriegen? Wahnvorstellungen, ausgelöst vom Entrümplungsmarathon und der strengsten Kaufabstinenz ever? Ich öffne vorsichtig die Tür. Und da kommt er die Treppe hoch: Rainer. Die Adresse hatte er, ja, aber den Namen? Neee!!! Zahlungsinfos? Nie gelesen. Jetzt hat er eben bei allen Nachbarn geläutet – vom Erdgeschoss bis einschließlich den beiden Etagen unter uns. „Aber da sind wohl viele im Urlaub.“ Ich muss ein schallendes Lachen unterdrücken und lasse mir die Geldstücke aus einer Plastiktüte in die Hand zählen. „Wie hoch war nochmal der Preis?“

Ach ja, ich mag Geschichten, die das Leben schreibt. Der Preis für diese Humoreske: Unbezahlbar.

#Reset. Alles auf Anfang. Die aktuelle Blogserie auf Minimalismus21.

Begleitet uns in den nächsten Wochen bei unserem Einzug in ein neues Leben. Alle vorherigen Teile der Serie findet ihr unter dem Suchbegriff #Reset rechts oben (Lupe) und natürlich bei Twitter.

„Dufte“ Sache. Mit der Seife(nschale)

Auch bei Minimalismus-Bloggern gibt es sogenannte „It-Pieces“. Eines von ihnen: Aleppo-Seife aus Syrien. Trotz der Kriegszustände vor Ort findet das Produkt seinen „Weg nach Deutschland“, wie es in einem Artikel von SPIEGEL ONLINE vom Februar 2016 heißt. Da Herr M21er und ich stetig daran arbeiten, unseren Plastikmüll zu reduzieren und Kunststoff wo immer möglich aus dem Alltag zu verbannen, sind wir vor ein paar Wochen auf Körperseife umgestiegen. Ihr erinnert Euch? (Falls nein, hier geht’s zur Gedächtnisstütze). Ins Rennen haben wir drei zufällig ausgewählte Produkte geschickt:

1. Bionatur Soap Bar Carpe Diem (Grapefruit/Limette) von SPEICK
2. sebamed seifenfreies Waschstück für sensitive und anspruchsvolle Haut
3. Pflanzenölseife Verveine von alverde Naturkosmetik

Neuzeitliches Wasch-Syndet trifft auf Seife mit Geschichte
Mein persönlicher Testsieger nach knapp 13 Wochen Anwendungsdauer: das Waschstück von sebamed. Trotz empfindlicher Haut bin ich mit der cremigen Seife prima klargekommen, hatte weder Spannungsgefühle, trockene Stellen noch sonstige Irritationen. Der Duft riecht angenehm neutral und eignet sich damit für männliche und weibliche Minimalisten. Einziger Haken: Nach Angaben von Codecheck.info kann mein Favorit Palmöl enthalten:

„Ab 2016 müssen in der EU Lebensmittel die Palmöl enthalten entsprechend deklariert werden. Für Kosmetika gibt es aber noch keine Deklarationspflicht. In Kosmetika gibt es viele Begriffe, hinter denen sich Bestandteile der Ölpalme verstecken können […]. Außerdem können viele chemische Rohstoffe […] sowohl aus der Ölpalme wie auch aus anderen Pflanzen hergestellt werden. Dies macht es fast unmöglich, den Kauf von Palmprodukten ganz zu vermeiden.“

Deswegen waren wir auf der Suche nach Alternativen und sind schnell auf die o.g. Aleppo-Seifen mit Lorbeer- und Olivenöl gestoßen, die bereits seit Jahrhunderten produziert werden. Für jeden Hauttyp gibt es eine passende Mischung, wobei wir uns für ein Mischverhältnis von 20% Lorbeer- und 80% Olivenöl (Saryane) entschieden haben. Die eignet sich angeblich für normale, trockene sowie für Misch-Haut. Ehrlicherweise muss ich sagen: Mein erster Eindruck ist durchwachsen, fast schon ernüchternd. Die Seife riecht – zumindest für meinen Geschmack – irgendwie ein bisschen muffig, ein bisschen nach Kernöl und leider wenig frisch. Meine Haut fühlt sich nach dem Gebrauch zudem nicht besonders weich an. Das wuchtige Seifenstück fordert meine Feinmotorik heraus, sodass ich in jedem Fall künftig eine kleinere Größe wählen muss. Ob meine palmölfreie Alternative Aleppo heißen wird, ist Status Quo mehr als fraglich, v.a., wenn ich meine Haut im Zweifelsfall mit verschreibungspflichtiger Chemie beruhigen muss.

Viel Lärm um eine Seifenschale
Eine Frage, die sich jedoch im Zusammenhang mit unserer bisherigen Testphase geklärt hat, ist die nach der richtigen Seifenschale. Mir war bis dato nicht bewusst, wie viel Lebenszeit sich mit der Suche nach einer schlichten, minimalistisch und dabei formschön gestalteten Schale mit Abtropflöchern und ohne Kunststoff verbringen lässt. Seitenweise hat Herr M21er das Netz durchforstet, bis wir aus dem Konsumüberangebot endlich das Passende entdeckt haben; eine Flut von hässlichen Plastik-Äquivalenten war dagegen nur einen Klick weit entfernt. Fündig geworden sind wir schließlich bei seifenblase.eu, einem Anbieter, der auch gleich für den richtigen Inhalt sorgt. Das Ergebnis seht ihr im Beitragsbild oben.

Abschließend sei noch gesagt: Die genannten Produkte sind uns nicht gesponsert worden. Alle Angaben beruhen auf persönlichen, freiwillig gemachten Erfahrungen. Und vielleicht helfen Euch die, wenn Ihr beim nächsten Mal im lokalen Super- oder Drogeriemarkt bzw. beim Onlineshopping eine Entscheidung zwischen zig Produkten treffen müsst. Fünf von ihnen habt Ihr jetzt ja näher „kennengelernt“.

Wer Empfehlungen in Sachen „Kosmetika“ (und/oder Seifenschalen) hat, darf gerne einen Kommentar hinterlassen. Wir freuen uns über Anregungen und Feedback!

TV-Tipp
P.S.: Weiterführende Informationen zum Thema „Palmöl“ gibt es im WDR-Haushaltscheck. Erschreckendes Fazit: Wirkliche Alternativen existieren nicht. Wenn wir mengenmäßig auf den Einsatz von anderen Ölen umsteigen, verlagert sich die u.a. mit der Herstellung einhergehende Problematik von Palmöl am Ende lediglich und wir benötigen bspw. noch mehr Anbaufläche.

Minimalismus und Meilensteine

„Veränderungen umgeben uns überall, sie sind ein unausweichlicher Teil des Lebens. Sie sind sogar das Wesen von Leben. Das heißt allerdings nicht, dass sie deshalb automatisch schön oder angenehm wären.“*

Beruflich habe ich mich in den letzten zwei Jahren verstärkt mit Change Management beschäftigt. Ein spannendes Feld, umso mehr, weil uns diese sog. „Veränderungsprozesse“ auch privat begleiten. Dich und mich. Ein Leben lang. Schulabschluss, Ausbildung, erste Festanstellung, Hochzeit, Kinder, Jobwechsel, Kündigung, Todesfälle, Scheidung, Rente, Krankheit – das Schicksal fordert uns stetig heraus, hält neue Herausforderungen bereit, im Positiven wie im Negativen, stellt unsere Anpassungsbereitschaft und -fähigkeit immer wieder auf die Probe. Viele Ereignisse fungieren dabei wie Meilensteine, weil sie Voraussetzung für die nächste Entwicklungsphase sind:  Erst wenn ich das Laufen gelernt habe, kann ich die Welt auf eigenen Beinen erkunden. Erst wenn ich die Grundschule erfolgreich abgeschlossen habe, kann ich auf eine weiterführende Bildungseinrichtung gehen usw. Jede dieser Etappen bildet ein wichtiges Fundament, auf dem unser weiteres Dasein fußt. Niederlagen und Höhenflüge, veränderter Blickwinkel und neue Wertvorstellungen inklusive.

„(I)ch bin gerade 20 geworden und trotz meines jungen Alters merke ich jetzt schon, wie mich der ganze Konsum belastet. Ich habe ein sehr kleines Zimmer und wenn ich mich umgucke, fühle ich mich eingeengt und unterdrückt. Durch die immer größere Vielfalt an Einkaufsmöglichkeiten […] wird die junge Generation noch einmal mehr von dem Shopping-Wahnsinn überrollt. Das möchte ich nicht mehr!“ (Ramona)

Als wir unser Gewinnspiel für das Buch von Rita Pohle (Das kann weg!) gestartet haben, hätten wir niemals mit dieser Flut an Kommentaren und E-Mails gerechnet. Ihr habt uns teilhaben lassen an Eurem Verhältnis zum Thema „Minimalismus“, an Eurem Verständnis von einem entrümpelten und reduzierten Leben, an der Bedeutung, die Konsumverzicht und Downshifting für Euch haben. Und Ihr habt uns eines sehr deutlich gemacht: Minimalismus ist keine Frage des Alters und ist doch eine Frage des Alters bzw. der persönlichen Erfahrungen und Umstände. Da ist die junge Frau, die sich von dem unüberschauberen Warenangebot im Internet sowie von den riesigen Shoppingmalls erdrückt fühlt. Dort ist die Geschlechtsgenossin mittleren Alters, die ihren Lebensgefährten von der Philosophie des Loslassens überzeugen möchte, davon, physische und psychische „Altlasten“ endlich über Board zu werfen. „Mein Mann hat sich vor einem Jahr von mir getrennt. Vielleicht kann mir das Buch helfen, auch in der Richtung alten Ballast loszuwerden“ – so eine weitere Leserin. Andere finden „nicht den richtigen Anfang“, den Kampf gegen das Gerümpel aufzunehmen, suchen nach einem „positiven Anstoß“, wollen die „letzte Hemmschwelle“ ablegen oder haben einfach „nicht mehr viel Platz“ zum Leben trotz einer Wohnfläche von satten 100m².

Innehalten heißt Achtsamkeit und Veränderung zulassen
„Manchmal muss man von Zeit zu Zeit stehen bleiben, kurz innehalten und dann neu beginnen“, schreibt uns Lilamila. Manchmal muss man „Altlasten“ ablegen, damit die „Seele frei und leicht durchatmen kann“ – ein Meilenstein, „auf dem Weg zum Minimalismus“, ein Meilenstein, um ein „komplettes Haus von Ballast“ zu befreien und dem „große(n) Familienthema“ Aufräumen endlich Herr zu werden. Und irgendwann stellt sich vielen von uns die Frage, wie wir mit dem Wissen um die eigene Endlichkeit umgehen sollen: Verdrängen? Akzeptieren?

„Ich bin 70 Jahre jung geworden und zwangsläufig stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Wie bereite ich mich auf das unausweichliche Loslassen vor? Der Gedanke, ein geordnetes Leben zurückzulassen, stimmt mich fröhlich. Ich möchte, dass meine Töchter die verbliebenen Dinge mit freundlichen Gedanken in die Hände nehmen und ihnen das „Aufräumen“ nicht zur Last wird. Eine große Aufgabe, wie ich feststelle.“ (Iris)

Egal, in welcher Phase Du Dich gerade befindest, welchen Meilenstein Du erklommen hast und welche Herausforderungen noch auf Dich warten: Das Leben ist und bleibt ein ständiger Veränderungsprozess. Bis zum Schluss. Wertvorstellungen, die heute Gültigkeit besitzen, können sich schon morgen ändern. Eine Philosophie bzw. Handlungsmaxime, nach der wir unser Denken und Handeln aktuell ausrichten, muss nicht zwangsweise ein Leben lang Bestand haben. Sie kann ein Wegbegleiter sein, ein guter Freund, Orientierung und Halt bieten. Sie legt womöglich den Grundstein für den nächsten Schritt und lässt sich gleichzeitig immer wieder neu aufladen:

„Und damit auf die nächsten (mindestens!) 70 aufgeräumten und unbeschwerten Jahre“. (Susanne)

P.S.: Die Gewinner der drei Exemplare werden in den nächsten Tagen bekanntgegeben.

*Alexandra Schichtel: Change Management für Dummies. Weinheim 2013, 32.