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Spuren des Abfalls – im Museum Wald & Umwelt

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Schöne doch so nah liegt? Getreu diesem Motto unternahmen wir letztes Wochenende einen Tagesausflug ins Münchner Umland. Genauer gesagt nach Ebersberg, in die Heimat meiner Kindheit.
Schon lang war ich nicht mehr im Ebersberger Forst, wo ich als kleiner Bub Radfahren gelernt habe. Ewige Zeiten ist es her, dass ich den berühmten Aussichtsturm bestiegen und den überwältigenden Blick auf die Alpensilhouette genossen habe – was für ein Flashback, diese kurze Reise in die Vergangenheit!

Ausblick über Ebersberg auf das gesamte Voralpenland

Panoramablick über Ebersberg auf das gesamte Voralpenland

Etwas „Neues“ gab es auch zu entdecken: das Museum „Wald und Umwelt“. Teilweise in einem über 300 Jahre alten „Jägerhäusl“ aus Holz untergebracht, gewinnt man hier nicht nur einen authentischen Einblick in das karge Bauernleben unserer Vorfahren, sondern auch in das diffizile Ökosystem unserer heimischen Natur. Die Dauerausstellung im Haupthaus informiert verständlich, teilweise interaktiv und kindgerecht aufbereitet über die Waldnutzung im historischen Wandel. Ans Museum angeschlossen gibt es zudem einen Walderkundungspfad – ein überzeugendes Konzept für Jung und Alt.

„Einfälle statt Abfälle“ – Müllermeidung für jedermann
Antrieb für unseren Besuch war jedoch die aktuelle Sonderausstellung „Abfall – Rohstoff von morgen“. Die Exponate und informativen Schautafeln führten uns ein weiteres Mal eindringlich vor Augen, dass ein simples „Weiter so!“ früher oder später unsere Lebensgrundlage zerstören wird.
Bereits die erste Schauwand verdeutlicht diese Erkenntnis eindringlich mit einem Dosenturm und einem einfachen Rechenexperiment: Gestiegender Verbrauch  und explodierende Zahl der Weltbevölkerung potenzieren sich: „Der heutige Jahresbedarf an Ressourcen hätte […] zur Zeit der Agrargesellschaft für 3500 – 10.000 Jahre gereicht.“ Ganz gleich, was man von solchen Zahlenspielen halten mag, keiner kann mehr die Augen vor den Folgen unserer Vergeudungsökonomie verschließen.

Panoramablick durch die Sonderausstellung

Panoramablick durch die Sonderausstellung

Schon die nächste Infotafel ermahnt den Betrachter genau dazu: „Wenn wir 3 Erden hätten… könnten alle so leben wie wir“.
Denn es ist ebenfalls offensichtlich, wer an dieser Entwicklung maßgeblich beteiligt ist: Wir, die wir in den reichen Industrienationen leben. Die wir ungeniert konsumieren (z.B. kostbare und seltene Erden durch unseren unbändigen Hunger nach immer neuen technischen Gadgets).
Die wir hier in Deutschland Exportvizemeister in Müll sind. Die wir Unmengen von Plastik verbrauchen. So offenbart der mitten im Raum aufgeschichtete Plastikkegel viele Alltagsdinge, die jeder von uns nutzt: Selbst das Museum ist nicht gegen Plastikverbrauch gefeit – die gleichen Einwegseifenspender befinden sich auch im WC.
Oder ein Balkendiagramm macht nüchtern klar, wie lange uns noch seltene Erden und Metalle zur Verfügung stehen. Die Ausbeutung der Menschen, die diese Rohstoffe fördern müssen, bleibt hier noch gänzlich unbeachtet… Darf es also ein bisschen weniger sein?

Unser alltäglicher "Plastikkegel"

Alltäglicher Plastikwahnsinn

Etwas betrübt von diesen eigentlich bekannten, hier geballt präsentierten Infos wendet  man sich dem zweiten Teil der Ausstellung zu. Hier wird – getreut dem Motto „Abfall – Rohstoff von morgen“ die Hoffnung geweckt, mit sinnvoller Wiederverwertung die Misere abwenden zu können. Natürlich ist es eine tolle Idee, einen vollständig kompostierbaren Schuh zu haben (wie das Exponat von Puma). Auch ist es lobenswert, kreativ mit Mülle zu arbeiten (z.B. der ausgestellte Schmuck aus Kaffeekapseln). Aber sind wir mal ehrlich: Trotz noch so ausgeklügelter moderner Recycling- oder noch so kreativer Upcyclingmöglichkeiten sollte immer die Devise gelten: Müll gar nicht entstehen zu lassen.
Und hier können wir alle unseren Beitrag im Alltag leisten. Hoffnung machen uns daher die Austauschpinnwand und das im Eingangsbereich aufgestellte Tauschregal: beides gut bestückt mit lokalen Tipps und tollen Tauschgegenständen. Das zeigt, wie sehr dieses Thema die Menschen bewegt.

Unser Fazit: eine kleine, aber gelungene Sonderausstellung und ein schöner Ausflug!


Die Sonderausstellung „Abfall – Rohstoff von morgen“ ist noch bis 22.05.2016
jeweils sonntags bzw. feiertags (ab 15. März auch samstags)
im Museum „Wald und Umwelt“ zu besichtigen.

„The True Cost – Der Preis der Mode“

Kleidung ist ein Ausdruck unserer Individualität. Kulturgeschichtlich sprechen Historiker über sie zurecht als „Spiegel der Gesellschaft“ – man denke beispielsweise an Marie Antoinette, die  als „Mode-Märtyrerin“ und -ikone ihrer Zeit gilt. Die Königin ließ ihre Garderobe nach aktuellen stadtbürgerlichen und englischen Vorbildern herstellen und avancierte damit zum Dauergesprächsthema. Der Vorwurf: Die angeblich sehr kostbaren und freizügigen Gewänder entsprächen nicht der traditionellen höfischen Norm, so Marita Bombek in ihrer Arbeit mit dem (vielver-)sprechenden Titel Kleider der Vernunft. Um Vernunft oder vielmehr um den Verlust derselben geht es auch im Dokumentarfilm The True Cost – Der Preis der Mode, der am 21. Januar in den deutschen Kinos startete: parallel zur Berlin Fashion Week.

Fast Fashion
Wir denken, wir sind reich. Sehr reich, weil wir uns viel kaufen können. Viel, das heißt in diesem Fall – oder besser noch in diesem Film – Klamotten. Für sie ist offenbar immer Geld da. Zu jedem Anlass ein neues Outfit? Zu jeder Party? Kein Problem! Denn während essentielle Dinge wie eine Lebensversicherung oder ein Studium teurer geworden sind, scheint es für Kleidung keine untere monetäre Grenze mehr zu geben. „Fashion to go“ lautet die Zauberformel, die dieses Konsumverhalten möglich macht; von Regisseur Andrew Morgan nur als „Fast Fashion“ betitelt. Dahinter steckt eine unaufhaltsame Beschleunigung des Produktionszyklus. Früher gab es vier Jahreszeiten. Auch in der Mode. Heute sind es 52. Jede Woche kommen frische Klamotten auf den Markt, hängt eine neue Kollektion in den Läden. Für diese schnelllebige Industrie werden wir auf Dauer einen hohen Preis bezahlen. Und tun es schon. Das macht die Dokumentation bereits nach wenigen Minuten unmissverständlich klar.

Szene aus "The True Cost": Eine Arbeiterin beim Nähen in der Textilfabrik

Szene aus „The True Cost“: Arbeiterinnen beim Nähen in der Textilfabrik

Ware Mensch
In zahlreichen Gesprächen mit unterschiedlichen Beteiligten der Textilwirtschaft stellt sich dem Zuschauer eine Frage: An welchen Werten orientiert sich unsere Gesellschaft eigentlich? Da werden ganze Landstriche und Ackerböden wie Fabriken behandelt und  chemisch auf unbestimmte Zeit verseucht. Dort wird vollkommen emotionslos über Menschen als „Humankapital“ gesprochen, moderne Sklaven, die in den Augen von Fabrikbesitzern und Unternehmen nicht mal das Billigshirt unter ihren arbeitenden Händen wert sind. Es gilt die Devise: Wir produzieren, wo der Preis stetig gedrückt werden kann. Besonders gut funktioniert das in Ländern wie Bangladesch, wo das Wort Lohn bei jedem Atemzug wie Hohn klingt. Die Näherinnen, die hier mit teilnahmslosen Gesichtern an den Maschinen sitzen, soll(t)en dennoch keinen Grund zur Klage haben. Schließlich könnten sie ja auch in einem Bergwerk arbeiten. Das wäre viel schlimmer, lautet sinngemäß das geistige und seelische Greenwashing eines Interviewpartners und klassischen Lobbyisten. Frei nach dem Motto: Was mich nicht betrifft, berührt mich nicht. Was ich nicht wissen will, noch weniger. Und der Konsument? Ihm geht mehr und mehr der Respekt vor den Dingen verloren: Was nichts kostet, ist auch nichts wert. Alte Shoppingweisheit.

truecostplantage

Von der Baumwoll-Plantage zur giftigen Müllhalde – Klamottenberge voller Gift in einem Dritte-Welt-Land

Dennoch machen wir unser Glück paradoxerweise oftmals von eben diesem „wertlosen“ Besitz abhängig und werden beim Streben nach mehr doch nur immer unglücklicher. Die Botschaft hinter The True Cost lautet: Eigentlich sind wir arm. Weil das, was wir hinterlassen, eine humanitäre Katastrophe ist. Was als Baumwollpflanze auf riesigen amerikanischen oder indischen Plantagen begann, endet als „Wohlstandsabfall“ in den Elendsgebieten unserer Welt. Der braucht dann rund 200 Jahre, bis er verfällt. Dazwischen sondert er eine ganze Armada giftiger Stoffe ab. Die belasten und schädigen Menschen und Tiere vor Ort schwer. Fakt ist also: Wir wollen Bioäpfel essen, die nicht gespritzt sein sollen. Aber kleiden uns mit billigen Hemden und Hosen voller Chemie, obwohl die Haut unser größtes Organ ist. Ein Paradoxon jagt das nächste auf der Kinoleinwand. Ironischerweise kommt hinzu, dass uns unser Hab und Gut am Ende nicht einmal zufriedener macht.

My Stuff. Was brauchst Du wirklich?
Petri Luukkainen, der 2015 in Deutschland größere Bekanntheit durch seinen ersten Dokumentarfilm „My Stuff“ erlangte, schrieb über die intensive Auseindersetzung mit seinem persönlichen Besitz: „Am Anfang war ich ein Mann, der dachte, sein größtes Problem sei, dass er zu viele Dinge besitzt und nicht weiß, was er damit anfangen soll. Mal ehrlich: das ist kein Problem, das ist eher traurig.“  Tatsächlich suggeriert uns Werbung das Gegenteil, trichtert uns die mediale Dauerberieselung auf zig Kanälen ein, nur der Erwerb von Waren mache glücklich. In der Praxis geht es beim Shoppen folglich immer weniger um sogenannte Needs, also um Dinge, die wir brauchen, als vielmehr um Wants, also Dinge, die wir uns wünschen. Dazu kommt, dass die Attraktivität eines Angebotes zunehmend durch seinen Erlebnischarakter bestimmt wird: Gekauft werden Marken, die Gefühle und Erlebnisse transportieren, und weniger Produkte mit speziellen funktionalen Eigenschaften.

Die "unsichtbaren" Menschen hinter unserer Kleidung. Die Doku "The True Cost" gibt ihnen ein Gesicht

Die „unsichtbaren“ Menschen hinter unserer Kleidung. Die Doku „The True Cost“ gibt ihnen ein Gesicht

Am Ende sind diese Produkte mehr Schein als Sein. Die im Vorbeigehen erworbene Klamotte sitzt oft gar nicht richtig. Fast Fashion lässt einen plötzlich fahl oder sogar unvorteilhaft aussehen, weil wir unkritisch konsumiert haben, ohne vorab u.a. die Notwendigkeit oder wenigstens die Passform zu hinterfragen. Von geplanter Obsoleszenz ganz zu schweigen. Aber auch das ist kein Problem. Schließlich ist der Neuerwerb so billig gewesen, dass man ihn ohne mit der Wimper zu zucken wegwerfen kann. Ein Schnäppchen, über dessen wahren Preis wir uns keine Sorgen machen.
Doch was sind die wirklichen Kosten hinter dieser Entwicklung? Welchen Preis sind wir bereit, für unseren verschwenderischen Lebensstil fern jeder Vernunft zu bezahlen? Unsere Gesellschaft ist auf Wachstum, nicht auf Minimalismus ausgerichtet. Konzerne, die mit dubiosen Mitteln an einer unheimlichen Monopolstellung in verschiedenen Industriezweigen arbeiten, sind dabei genauso Alltag geworden wie kreischende Fashionbloggerinnen, die wöchentlich ihre Shopping-Haul-Videos im Netz präsentieren. Wir kaufen kopflos, als wenn es kein Morgen gäbe. Nicht nur im Bereich der Mode. Eine fünfte Jahreszeit könnte ein erster kleiner Schritt sein, um diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten.

Ich nenne sie „Konsumauszeit“.

Alle Abbildungen © truecostmovie

My home is my hotel

Meike Winnemuth hat eine Vorbildfunktion für mich. Eine – wie sie unlängst in einem Interview sagte – „Schreiberin, die sich und den Rest der Welt unterhält.“ Flächendeckende Bekanntheit erlangte die ehemalige Vizechefin der Cosmopolitan im Herbst 2010. Da gewann sie bei Günther Jauchs Quizshow „Wer wird Millionär“ 500.000 Euro. Das große Los. Was folgte, waren Weltreise, Blog, Nominierung für den Grimme Online Award etc. Den Aussortierern, Minimalisten, Entrümplern und Downshiftern dürfte die Hamburgerin noch samt blauem Kleid in Erinnerung sein. Das trug sie jeden Tag. Ein ganzes Jahr. Nachzulesen auf ihrem Online-Tagebuch. Ein Versuch zwischen „Verzicht und Bereicherung, Reduktion und Kreativität“. Parallel dazu verließ jeden Tag ein Gegenstand ihr Leben, wurde verkauft, verschenkt, weggeworfen: „Und tschüss“ eben. Den Minimalismus21-Lesern sei flankierend dieses Interview empfohlen. Einführungstext und Eigen-PR off.

Hotelbett

Ganz in weiß… Ein typisches Hotelbett

Weniger Farbe in meinem Leben
Jedenfalls hat sich Winnemuth in ihrer wöchentlichen stern-Kolumne einmal die Frage gestellt, warum unsere Wohnungen immer mehr Hotels ähneln. Die Selbstbeschreibung der eigenen Behausung gab’s gleich dazu. Und so ist zu lesen, dass frau beim Einrichten und Ausbauen all das übernommen habe, was sie schon immer an Hotels liebte: „(S)chwere lichtdichte und schallschluckende Vorhänge, exakt eine Farbe (grau), exakt eine Holzart (Fifties-Palisander), ein wirklich fantastisches Bett mit weißer Bettwäsche und die dicksten weißen Handtücher, die sich finden ließen. Angeblich schläft man in weißer Bettwäsche besser als in bunter, las ich neulich, und zwar genau aufgrund der Hotelzimmer-Assoziation: Hier ist der Ort, wo du dich entspannen kannst, wo für dich gesorgt wird“.
Und genau hier kommt auch M21 ins Spiel. Denn: Ich brauche definitiv weniger Farbe in meinem Leben! Jawohl. Dumm nur, wenn die Geschichte der persönlichen Heimtextilien eine Geschichte voller Buntheit gewesen ist. Handtücher in gelb und orange, Bettwäsche in verschiedenen Rot- und Blautönen und schwere Perser bestimmten lange Zeit die preminimalistische Phase. Und tun es zum Teil heute noch. Wobei ich anmerken möchte, dass die Teppiche erst durch den Mitbewohner in mein Leben getreten sind. Sorry, Herr M21er.

Schwarz-Weiß-Denke
Sorry Nummer 2: Beim Thema „Minimalismus“ müssen wir auch über Konsum sprechen dürfen. In meinem konkreten Fall heißt das: Ich wünsche mir eine reduzierte, nüchterne Baumwoll-, Frottee-, Was-weiß-Ich-Ausstattung. Ein cleanes Farbkonzept (für die gesamte Wohnung), welches sich nur durch einen entsprechenden Austausch bestehender Textilien erreichen lässt. Eine nüchterne Atmosphäre, ein schlichter Look als ruhige Kulisse und Hintergrund für ein entrümpeltes Zuhause. Die ersten Kissen- und Bettbezüge haben daher bereits neue Besitzer gefunden. Zwei Garnituren sind im Umkehrschluss dazugekommen.

Aber soweit wie Meike Winnemuth bin ich nicht. Meine/Unsere Wohnung ist noch nicht zu hundert Prozent „genau das geworden, was ich wollte: ein Ort zum Heimkommen, aber auch zum schnellen und schmerzlosen Verlassen. Startrampe und Landeplatz in einem.“ Der Weg dahin ist mein Ziel. Jede bewusst getroffene Anschaffung eine unmittelbare Investition in mich und mein Wohlbefinden. Außerdem: Wie man sich bettet, so lebt man. Und jetzt: Ab in die Federn!

By the way:
Kennt jemand einen guten Anbieter von nachhaltigen, kuschelweichen Handtüchern?
Wo ersetzt ihr bewusst Dinge in Eurem Haushalt und/oder macht Neuanschaffungen?