Fabian Kreipl und sein Team haben nachgerechnet. Etwa 27 Tausend Tonnen Verpackungsmüll verursachen Verbraucher jedes Jahr allein durch Essensbestellungen im Internet. Tendenz? Steigend! Denn andere Verbrauchs- und Bedarfsgüter, die mit einem Klick samt Kartonagen und Co. (weltweit) in unseren Haushalten landen, kommen in dieser Bilanz ebenso wenig vor wie Retouren und vernichtete Ware. Kreipl will das ändern. Der CEO der Regensburger Grünzeug GmbH hat in den vergangenen Jahren bereits als ein Kopf hinter der Food-App „vanilla bean“ von sich reden gemacht. Die kostenlose Anwendung listet über 33.000 Restaurants mit veganem Angebot auf und versorgt Nutzer darüber hinaus mit wertvollen Informationen rund um Zutaten bzw. Inhaltsstoffe. Veganer und Liebhaber von Rohkost, regionalem sowie laktose- oder glutenfreiem Essen kommen hier also im wahrsten Sinne des Wortes auf ihre Kosten.
Doch die Crew hinter vanilla bean hat noch größere Pläne. Ihr Ziel: den weltweit ersten veganen und verpackungsfreien Lieferdienst zu entwickeln. Die pflanzliche Küche soll zukünftig in Mehrwegboxen müll- und CO2-frei auf Lastenrädern ausgeliefert werden. Wir haben Fabian für Minimalismus21 um ein Gespräch in der Kategorie „Essen & Trinken“ gebeten.
Stellt Euch doch bitte kurz vor: Wer sind die Köpfe hinter vanilla bean – und wie kam es zu dem Namen?
Hinter vanilla bean stecken die vier Gründer Bastian Schumacher (COO), Chris Hengl (CTO), Tobi Kress (CDO) und meine Wenigkeit, Fabian Kreipl. Wir kennen uns alle aus der Zeit bei Kupferwerk (heute intive), einer großen App-Agentur, ursprünglich aus Regensburg. Vanilla bean heißt Vanilleschote. Damit wollen wir ins Bewusstsein rufen, dass pflanzliche Küche richtig lecker schmeckt. Die Pflanzenwelt bietet nämlich die feinsten Aromen und Gerüche. Und Vanille ist wahrscheinlich das beliebteste Gewürz der Welt; außerdem ein sehr edles sowie hinter Safran das Zweitteuerste. Das hat uns gefallen. Und ein beschreibender Name wie „Vegan-Radar“ klang auch doof.
Das Team von vanilla bean. Links im Bild: Fabian Kreipl, CEO und Co-Founder
Was hat Euch motiviert, die App vanilla bean zu entwickeln?
Als App-Entwickler hat man die Möglichkeit, viele Menschen zu erreichen und das tägliche Leben zu beeinflussen. Es ist ein bisschen so wie bei Spider-Man: „With great Power comes great Responsibility“. Wir fanden es einfach inspirierend und erfüllend, an einem Thema zu arbeiten, dass echte Probleme in der Gesellschaft lösen kann, anstatt die 33. Fußball-Anwendung im App-Store zu veröffentlichen. Wir leben in einer konsumorientierten Welt. Mit allen ihren Vorteilen und Schattenseiten. Was wir einkaufen, bewegt die Welt. Und zwar eine ganz bestimmte Version dieser Welt. Jeder Euro ist eine Stimme für faire Produktionsbedingungen oder für Ausbeutung, für umweltfreundliche Stoffe oder für Gift, für Gemeinwohl oder Umweltzerstörung etc.
Jederzeit zur Hand: der vegane Restaurantfinder von vanilla bean
Immer mehr Menschen machen sich Gedanken, welche Auswirkungen ihre Konsumentscheidungen haben. Aber besonders in der Gastro sind die ökologischen Angebote nicht transparent, nicht bekannt oder schlecht aufzufinden. Vanilla bean ist deshalb ein App-Projekt, um das umweltfreundliche Essensangebot bekannter und einfacher zugänglich zu machen. Ein Restaurant-Guide ähnlich wie Yelp oder Tripadvisor. Nur Grün. Mittlerweile ist vanilla bean in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Österreich, der Schweiz und den USA verfügbar. Über 300.000 Nutzer konnten wir schon gewinnen, darunter die eine oder andere Prominenz wie Paul McCartney, Emily Deschanel oder Oguz Yilmaz von Y-Titty.
Was war der Anstoß für den verpackungsfreien, veganen Lieferdienst?
Für uns waren Bestellfunktionen von Beginn an ein heißes Thema. Wir haben zwei Beobachtungen gemacht: 1. Es wird immer mehr Essen nach Hause bestellt. 2. Beim Bestellen werden Fahrer zu zweifelhaften Bedingungen beschäftigt und nach dem Essen hat man eine kleine Müllhalde zu Hause oder im Büro. Das muss auch anders gehen. Ende letzten Jahres war ich dann in Berlin unterwegs, als uns die TU Berlin zu einem Innovationskongress eingeladen hatte. In der Woche entstand die Idee. Mittlerweile haben wir eine Crowdinvesting-Kampagne gestartet und in Regensburg die erste Lieferung getätigt. Wenn unsere Kampagne weiter gut läuft, sind wir dieses Jahr noch in Berlin am Start.
Vegan essen im App-Store. iPhone-Screenshots
Ab wann amortisiert sich eine Bestellung über vanilla bean, sprich: Wie viele Essen muss ich bestellt haben, damit sich die Herstellung der Boxen gegenüber herkömmlicher Wegwerf-Verpackung als nachhaltiger beweist?
Das ist natürlich abhängig vom eingesetzten Material und seiner Ökobilanz. Das Material mit der besten Ökobilanz in dem Bereich ist überraschenderweise Polypropylen oder Bio-Polyethylen. Das wird bei einer circa 20-fachen Nutzung nachhaltiger. Edelstahl z.B. ist aufgrund des Energieaufwands in der Produktion um ein Vielfaches schlechter und leider auch zu teuer.
Wo und wie werden die Boxen aus welchem Material hergestellt?
Diesen Punkt haben wir noch nicht final gelöst. Ich möchte hier etwas ausholen, weil das Thema super interessant ist und wir hier viele Überraschungen erlebt haben. Wir haben uns zum Thema Material mit führenden Material-Forschern und Ökobilanz-Spezialisten in Deutschland unterhalten. Ganz am Anfang war unser erster Ansatz Edelstahl. Das nutze ich nämlich auch selbst. Allerdings ist Edelstahl viel zu teuer und hat leider auch keine besonders gute Ökobilanz, da es sehr energieintensiv in der Herstellung ist. Wir haben uns dann Materialien angeschaut aus natürlichen Materialien, wie z. B. Reisfasern oder Flohsamenschalen. Klingt ja erstmal toll. Das Problem hier aber ist, dass es sich um Verbundstoffe handelt. Das heißt, da sind dann auch gern mal Kunstharze mit Formaldehyd enthalten, damit das Ganze stabil ist. Und die Ökobilanz ist richtig schlecht, weil es sich nicht recyceln und nur unter Laborbedingungen kompostieren lässt. Klingt gut, ist es aber nicht, sondern Greenwashing vom Feinsten.
Ausgezeichnet: die App von vanilla bean. Screenshot Instagram-Account
Am besten ist tatsächlich aktuell immer noch Polypropylen, kurz PP bzw. PP aus nachwachsenden Rohstoffen. PP hat tatsächlich mit Abstand die beste Ökobilanz und wird von allen Experten empfohlen für größer angelegte Mehrwegsysteme. Das ist auch der Grund, warum z. B. RECUP (Anmerkung Minimalismus21: deutschlandweites Pfandsystem für Coffee-to-go-Mehrwegbecher) für ihre Becher auf PP setzt. Im Gegensatz zu Edelstahlboxen, wo z.B. Kleinteile, Scharniere etc. brechen können, ist eine Box aus PP oder Bio-PP praktisch unverwüstlich. Für unser Pilot-Projekt in Regensburg – und bald auch München – nutzen wir eine Box vom niederländischen Hersteller MEPAL aus Polypropylen. Ohne Weichmacher und hergestellt in Holland. Eine ähnliche Box wird unter anderem auch aus nachwachsenden Rohstoffen angeboten.
Wie kann man Euch und Euer Projekt (bis wann) unterstützen?
Man kann unsere Crowd-Investing-Kampagne auf Companisto unterstützen. Und zwar hier vanilla-bean.de/companisto. Unser Ziel ist es, 500.000 Euro einzusammeln. 200.000 haben wir schon mal geknackt.
Minimalismus bedeutet für Euch…?
Minimalismus bedeutet für uns, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wir leben in einer Welt, die vor allem durch Konsum geprägt ist. Eine Welt, in der uns eine ausgefeilte Werbeindustrie täglich weismachen will, was wir alles brauchen, um glücklich zu sein. Minimalismus bedeutet für uns auch, wieder zu sich zu finden und zu erkennen, was man wirklich braucht und was alles nicht.
Vielen Dank für das Interview, lieber Fabian.
Alle Abbildungen – soweit nicht anders angegeben – © vanilla bean.
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen …