Alle Artikel mit dem Schlagwort: Bewusstmachen

Geschichten aus der großen Stadt 1: Begegnungen

Sie spricht mich am Eingang des Friedhofs an. Wo denn das Krematorium sei. Der Taxifahrer hat sie soeben abgesetzt. Jetzt geht sie etwas schwerfällig den kleinen Pfad Richtung Aussegnungshalle entlang. Ich bin mir nicht sicher und begleite sie ein Stück. Mein Ziel: Die Wegweiser, die ein paar hundert Meter weiter in der Sonne leuchten, schwarze, kleine Schrift auf weißem Grund. Zu klein für die Entfernung. Wir laufen nebeneinander in den Strahlen der ersten Frühlingssonne. Die kleine, alte Dame und ich, die ich gerade ein bisschen Ruhe in der Mittagspause suche. Plötzlich bricht es aus ihr heraus. Ihre beste Freundin wird heute bestattet, heute, am 6. Februar 2014, einem milden, warmen Tag. Ich spüre ihre Trauer und wie sie um Fassung ringt, während ihre rechte Hand den kleinen weißen Blumenstrauß fest umklammert hält. Barbaratag im Februar 40 Jahre haben sie gemeinsam bei der Post gearbeitet. Neun Kilometer ist sie damals immer mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Das Rad ist auch heute noch ihr liebstes Fortbewegungsmittel. Besser als laufen, denn da schmerzen Hüfte und Knie. Wir …

Ein Klavier, ein Klavier

Man müsste Klavier spielen können. Dieser Satz beschreibt eine unerfüllte Sehnsucht von mir, den nagenden Schmerz in meiner Teenagerbrust, die verpasste Chance, das musikalische Trauma, den – ok, das ist jetzt vielleicht ein wenig dick aufgetragen. Fakt ist jedoch: Das Klavier war meine erste große Liebe. Jedenfalls beinahe. Werte Eltern, ihr müsst jetzt ganz stark sein, aber die Wahrheit ist: Am ersten Liebeskummer meines Lebens wart ihr aktiv beteiligt. Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum Wie viele Jahre habe ich mir nichts mehr gewünscht, als in die Tasten zu hauen. Wie sehr habe ich damals meine Schulfreundin Monika beneidet, die mit ihren schlanken, grazilen Fingern nur so über den Schulflügel schwebte. Und wie oft habe ich gehofft, es ihr irgendwann gleichtun zu können. Doch dann zog statt des Objekts der Begierde eine Orgel in mein Kinderzimmer ein, groß und braun und schwerfällig. Die könne man – im Gegensatz zum Klavier – in der Lautstärke regulieren, hieß es, das störe die Nachbarn nicht. Was dann folgte, waren sowohl Jahre unterdrückter Leidenschaft als auch Jahre voller …

Beschränkung = Bewusstmachung?

Herr K. sagt immer: „Sie müssen sich beschränken. Ihre Interessen verteilen sich auf zu viele Gebiete.“ Warum eigentlich, frage ich (mich). Ist es so vermessen, mehr vom Leben zu wollen, das Beste aus jedem Tag herauszuholen? Nein, das sicherlich nicht. Doch wer sich auf wenige Bereiche konzentriert, hat eine größere Chance, bestimmte Dinge bewusst(er) wahrzunehmen und zu lernen. Dabei ist das Bewusstmachen wie eine Reise mit kleineren und größeren Zwischenstopps. Wo ich heute noch verweile, darauf vermag ich morgen schon zurückzublicken. Herr F. sagt immer: „Alle fünf Jahre muss ich etwas Neues machen. Neuer Job, neues Umfeld, neues Hobby.“ Die letzten Jahre ist F. passionierter Taucher gewesen – eine Leidenschaft, auf die er sich voll und ganz konzentriert hat. Sein persönliches Highlight: ein langer Tauchgang begleitet von einem Delphinschwarm. Das, sagt Herr F., lässt sich für mich nicht mehr toppen. In Zukunft will er sich ganz dem Fliegen widmen. Zumindest für das nächste halbe Jahrzehnt.