Arbeit & Karriere
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Erlebniskonsum: Über Needs und Wants

Puh, zurzeit bleibt irgendwie nur wenig Luft für private Dinge. Herr M21er korrigiert sich gerade durch Erlebniserzählungen und sonstige, geistige Schulergüsse. Ich stecke meine Nase in jeder freien Minute in diverse Bücher rund um Markenbildung und Co. Der Grund: In wenigen Tagen findet in der Arbeit ein Workshop zu eben diesem Thema statt, der unter meiner Leitung steht. Dafür will ich so gut wie möglich vorbereitet sein.

Ein enormer Pluspunkt ist, dass mich die Materie unglaublich interessiert, ja sogar fesselt – zumal ich eine Menge über Verkaufsstrategien, Konsumentenverhalten sowie hirnbiologische Faktoren im Zusammenhang mit Markenwirkungen lerne. Kleine Kostprobe gefällig?

Leben heißt erleben
In seinem Lehrbuch Strategie und Technik der Markenführung widmet Franz-Rudolf Esch einen Abschnitt der sogenannten „Erlebnisorientierung der Konsumenten“. Darin greift er die These auf, wonach Leben heutzutage vor allem „erleben“ bedeutet. Hintergrund dieser Überlegung ist, dass sich die Lebensumstände der Konsumenten seit den 1950er Jahren permanent verbessert haben. Die Produkte selbst weisen zudem eine verlässliche Sachqualität auf. Was daraus folgt? Nun, wer heute shoppt, sucht in erster Linie nach einer erlebnisorientierten Stimulation. Und damit wären wir schon bei der Unterscheidung von sogenannten Needs, also Dingen, die man braucht, und Wants, also Dingen, die man sich wünscht.
Im Grunde kein neuer Gedanke, denn schon dem französischen Schriftsteller, Naturforscher und Philosoph Jean-Jacques Rousseau gingen derlei Überlegungen durch den Kopf. Was wir heute als Erlebniskonsum definieren, las sich bei ihm wie folgt: Nicht wer am ältesten wird, hat am längsten gelebt, sondern wer am stärksten erlebt hat. Mancher wird mit hundert Jahren begraben, der bei seiner Geburt gestorben war.

Gibt es ein Leben vor dem Tod?
Ansätze für ein hedonistisches Menschenbild – und damit für das Streben unserer Spezies nach Lust – gibt es auch bei anderen Wissenschaftlern, u.a. bei Tibor Scitovsky (Psychologie des Wohlstands: Die Bedürfnisse des Menschen und der Bedarf der Verbaucher). Angeblich befürchten fast ein Viertel der Deutschen, „am Leben vorbei zu leben“, wenn sie sich nicht in regelmäßigen Abständen in Bewegung setzen, so der Zukunftswissenschaftler Prof. Dr. Horst W. Opaschowski. Auf gut Deutsch: Die Attraktivität eines Angebotes wird immer mehr durch seinen Erlebnischarakter bestimmt. „Man kauft Marken, die Erlebnisse und Gefühle vermitteln und weniger Produkte mit bestimmten funktionalen Eigenschaften.“ Mit Minimalismus hat das nicht viel zu tun. Vielmehr spiegelt sich hier das unbewusste Gefühl wider, tote Dinge (Gegenstände) mit einem emotional wichtigen Bedürfnis aufladen zu können. Die vermeintliche Zugehörigkeit zu einer Schicht gibt’s gratis dazu. Logisch.

Werden Marken also die neuen Sinnstifter im Leben?

Alle Zitate aus
Franz Rudolf-Esch: Strategie und Technik der Markenführung. 8., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage München 2014, 35f.

Auf jeden Fall ergänzend eine (entlarvende) Lektüre wert
Hermann H. Wala: Meine Marke. Was Unternehmen authentisch, unverwechselbar und langfristig erfolgreich macht. 6., aktualisierte und erweiterte Neuauflage München 2014

Garten

Woche zwei nach Aussaat: So langsam blüht uns was!

P.S.: Unsere grüne Wohlfühloase wächst und gedeiht. Und das, obwohl ich meiner „Konsummetamorphose“ erfolgreich getrotzt und mich auf eine Tüte Samenkörner beschränkt habe. „Gekauftes“ Gefühl: ätsch ;-). Off-Topic-Ende.

2 Kommentare

  1. Für mich bedeutet „erleben“ eher bewusst zu leben. Das muss nicht zwingend an ein Produkt gekoppelt sein. Heute nutzen das aber tatsächlich viele Unternehmen aus – bis hin zu gekauften Erlebnissen aus dem Katalog.

    • M21 sagt

      Hallo Philipp,

      ja, mir geht es genauso.

      Bewusst, konzentriert, fokussiert, reduziert – das fühlt sich richtig und gut an. Ein Erlebnis, auf das ich allerdings nicht verzichten möchte, ist das Reisen. Und zwar nicht aus Gründen des sog. „Lifestyles“ (oder weil man das eben gemacht haben „muss“).

      Ich will etwas von der Welt sehen, verstehen, was sie/uns im Innersten zusammenhält, fremde Kulturen, Länder sowie die Menschen und ihre Geschichte(n) dahinter entdecken bzw. erleben – meinen Horizont erweitern.

      Und wenn ich einmal alt bin, sehe ich das alles hoffentlich noch vor meinem inneren Auge und erfreue mich daran.

      Herzliche Grüße
      M21

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