Nachlese & Seitenblicke
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Nachlese: Wie viel ist genug? (Robert und Edward Skidelsky)

Dieses Buch ist von uns gedacht als Anregung und Aufforderung dazu, nochmals neu zu denken, was wir vom Leben wollen; wozu Geld da ist und was es heißt, ein >>gutes Leben<< zu führen.

Uns, das sind Robert und Edward Skidelsky, sind britischer Wirtschaftshistoriker und Sozialphilosoph, sind Vater und Sohn. Zusammen haben sie ein Buch geschrieben, das Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens führen möchte, so der Untertitel.
Ihre Leitfrage: Wie viel ist genug, genug für ein gutes Leben? Um diese Frage zu beantworten, bringen die Autoren die Sichtweisen von Philosophie und Wirtschaftswissenschaft zusammen und blicken zurück in die menschliche Geschichte; wo es angebracht ist, sogar bis zu Adam und Eva.

John Maynard Keynes hat sich geirrt
Einer der zentralen Personen ist der Wirtschaftstheoretiker John Maynard Keynes (1883-1946). In seinem 1930 erschienenen Aufsatz „Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder“ prophezeite er – vereinfacht gesagt – zwei Entwicklungen im Hinblick auf Wachstum und Arbeitszeit: Im Jahr der >>Glückseligkeit<<, im Jahr 2030, wächst das Einkommen nicht mehr (denn jeder hat genug), und die notwendige Arbeit geht gegen Null (denn fast alles, was Menschen benötigen, wird von Maschinen produziert). Tatsache ist allerdings: Die Arbeitszeit hat keineswegs entsprechend dem Wirtschaftswachstum abgenommen. Warum das so ist? Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen, darunter abweichende Berechnungsgrundlagen, kulturelle Unterschiede oder verschiedene Einstellungen zu Geld, Arbeit, Freizeit. Viel wichtiger ist allerdings, dass Keynes bei seinen Ausführungen nicht zwischen Bedürfnissen und Begierden unterschied: also dem, was objektiv für ein bequemes, gutes Leben notwendig ist, und dem, was lediglich im Kopf existiert und sich unendlich ausweiten lässt, wie schon Epikur wusste. Mit anderen Worten: Das Wirtschaftswachstum endet nicht automatisch, sondern erst dann, wenn wir uns entschieden haben, nicht mehr zu wollen, als wir brauchen.

Glück ist nicht käuflich
WievielistgenugMit derartigen Überlegungen nehmen Robert und Edward Skidelsky die Leser in sieben Kapiteln mit auf eine anspruchsvolle Reise, begleitet von führenden Denkern der Antike wie Aristoteles bis hin zu modernen Ökonomen des 21. Jahrhunderts. Dabei dürfen auch Themen wie Grundeinkommen, Konsumdruck durch Werbung, Nachhaltigkeit und Glück nicht zu kurz kommen. Denn schon Rousseau wusste: Ein alleiniger Fortschritt von Wissenschaft und Kunst macht uns noch lange nicht glücklich. Tatsächlich wurden Umfragen zu diesem Thema bereits vor über 70 Jahren in Amerika durchgeführt. Trauriges Ergebnis heutiger Auswertungen: Der Lebensstandard ist gewachsen, das Glück nicht. Denn materielle (Zu-)Gewinne und Geltungskonsum in Form von Smartphones, Fernreisen und Co. wirken oftmals nur flüchtig auf unsere (positive) Stimmung.

Zutaten für ein gutes Leben
Doch was gehört denn nun zu einem guten Leben? Und was heißt es, gut zu leben? Darauf scheinen die Skidelskys tatsächlich eine Antwort gefunden zu haben – dem historischen und philosophischen Wissen und den wiederkehrenden Fragen der Menschheit sei Dank.
Als sog. „Basisgüter“ für ein gutes menschliches Leben brauchen wir Gesundheit, Sicherheit, Respekt sowie liebe- und vertrauensvolle Beziehungen, so die Autoren. Zudem müssen Grundbedürfnisse wie Entfaltung der Persönlichkeit, Harmonie mit der Natur und Muße befriedigt sein, also eine Tätigkeit ohne äußeren Zweck. Nicht selten werden wir dabei vor Fragen gestellt wie: „Soll ich eine Karriere anstreben und dafür Muße opfern?“

Die Antwort kann nur in jedem von uns selbst liegen. Denn „Wie viel ist genug“ ist keine Gebrauchsanweisung für ein zufriedenes Leben, ist weder Ratgeberliteratur, Zwangsanweisung noch ein Plädoyer für Untätigkeit. Trotzdem beleuchten die mehr als 300 Seiten Auswege aus der Tretmühle (Kapitel 7). Sie können Hilfestellung für eine Lebensweise sein, in der das Geldverdienen nicht den Mittelpunkt bildet. Kein Buch zum Nebenbeilesen, ein Buch zum immer wieder (Neu-)Lesen, eine überfällige Lektüre, die uns an die Grenzen bis dato kommerzialisierter Normalität führt.

Seid ihr bereit?

Für das Rezensionsexemplar bedanken wir uns beim Verlag Antje Kunstmann:

Alle Zitate aus Robert und Edward Skidelsky: Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. Verlag Antje Kunstmann, München 2013 (19,95 €)

4 Kommentare

  1. Auf meine auch! Hatte schon mal von dem Buch gehört, es dann aber wieder völlig vergessen. Danke für den Lesetipp und viele Grüße!

  2. Hey,
    ich habe das Buch gelesen und finde es auch Klasse! Diese Gedanken sollte man wirklich persönlich beherzigen. Und vielleicht kann man so im kleinen Kreis Bekannte anstoßen kann.

    Hier ist noch ein weiteres klasse Buch zu dem Thema, allerdings schon ca. 40 Jahre alt ;)! ‚Small is beautiful – Economics as if people mattered‘

    http://www.amazon.de/dp/0060916303

    Viele Grüße, Dennis

    • Minimalismus21 sagt

      Hallo Dennis,

      ja, genau so sehen wir es auch: im Kleinen anfangen und bestenfalls (große) Kreise ziehen bzw. anstoßen ;-).

      Vielen Dank auch für den interessanten Buchtipp – es gibt doch im Grunde nichts, was so oder ein wenig anders nicht schon (vor-)gedacht wurde :-D.

      Viele Grüße
      M21.

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