Verschenken, verkaufen, versteigern, verweigern, vertrödeln: Die Wege zu einem entrümpelten und minimalistischen Leben sind nicht nur vielfältig, sondern auch indivduell. Einen digitalen Ansatz in Zeiten von Social Media und Co. verfolgen drei junge Männer aus München, die wir zum ersten Mal auf dem Heldenmarkt 2015 getroffen haben. Matthias, Thomas und Christoph sind die Gründer von SWOP – einer kostenlosen Flohmarkt-App, mit der sich überflüssiger Besitz an den Mann (und die Frau) bringen lässt. Das Besondere: Der neue Eigentümer bezahlt den Gegenstand nicht beim Vorbesitzer, sondern spendet direkt über die Anwendung einen Betrag seiner Wahl an eine soziale Organisation. Um ihr „Gegenstände-in-Geldspenden-Prinzip“ technisch noch weiter optimieren zu können, haben die Unternehmer eine Crowdfunding-Aktion ins Leben gerufen. Das Ziel: 15.000 Euro bis zum 12. Juli.
Minimalismus21 wollte mehr über den ausgezeichneten Online-Charity-Flohmarkt wissen und hat mit CCO und Co-Founder Christoph Kastenbauer gesprochen. Ein Interview über kluge Ideen, sentimentales Entrümpeln, sinnerfülltes Arbeiten sowie die Höhen und Tiefen des Unternehmertums.
Wer sind die Köpfe hinter der SWOP-App?
Wir sind drei Gründer, Matthias, Thomas und ich. Wir sind schon seit Jahren befreundet, ich habe mit Matthias in einer WG gewohnt, Thomas lange mit ihm gearbeitet. Wir sind drei nette Jungs von nebenan, die gerne mitten im Leben stehen, aber dabei auch etwas Sinnvolles tun wollen. SWOP-Team beschreibt genau das: Spaß zu haben, aber dabei eben auch etwas Gutes tun zu können.
Was war euer eure Motivation für dieses Projekt?
Alles begann bei einer Feuerzangenbowle im Dezember 2013. Wir saßen zusammen und Matthias sprach uns auf seine Idee mit dem digitalen Flohmarkt an, auf dem man nicht bezahlt, sondern spendet. Wir waren damals alle auf der Suche nach etwas Neuem. Ich selbst hatte gerade meinen Job als Werbetexter gekündigt und sagte einfach: „Coole Idee. Bin dabei.“ Wir wollten damals einfach einen Schritt weiter. Wir sind alle Anfang, Mitte 30 und haben gesagt: Lass uns jetzt noch was reißen, was wirklich Sinnvolles machen, mit dem wir wirklich etwas bewegen können.
Welche Erfahrungen hattet ihr bis dato mit Ausmisten/ Entrümpeln gemacht?
Aus einer Ausmist-Erfahrung wurde letztendlich die ganze Idee geboren. Matthias wollte eine schöne Kommode – von seiner Oma vor Jahren geschenkt – nicht einfach wegschmeißen oder bei ebay für ein paar Euro einstellen. Er wollte den sentimentalen Wert, den der Gegenstand für ihn hatte, einfach weitergeben. Sein erster Plan war es, den Gegenstand direkt als Sachspende einer sozialen Organisation zu geben. Dann, nach mehreren Versuchen, die Erkenntnis: Soziale Organisationen können Sachspenden oft nicht sinnvoll verwerten und nehmen sie etwa aus Gründen der Kapazität erst gar nicht an. Hier kam dann die Idee: Wieso nicht über einen kleinen Umweg potentielle Sachspenden zu Geldspenden machen, die dann wirklich überall effektiv helfen können. Auch ich hatte viele gute Gegenstände, die ich nicht mehr benutzte, von denen ich mich aber aus sentimentalen Gründen nicht trennen wollte. Mit SWOP-Team ging das dann. Man trennt sich einfach leichter, wenn man weiß, dass man damit noch Menschen helfen kann.
Was sind die Besonderheiten der App?
An sich ganz ähnlich wie bekannte digitale Flohmarktformate. Ich habe Gegenstände, die immer noch von guter Qualität sind, die ich aber nicht mehr benütze. Ich inseriere sie mit wenigen Klicks auf unserer Fotowand, der User in der Region kann den Gegenstand sofort sehen, per Chat anfragen und bei Zusage abholen. Jetzt der besondere Unterschied: Der Abholende des Gegenstandes bezahlt nicht, sondern spendet – und zwar direkt über die App einen selbst gewählten Betrag an eine soziale Organisation in der Region. So werden überschüssige Gegenstände zu Geldspenden. Das ist somit endlich eine sinnvolle Alternative, mit seinen überschüssigen Gegenständen umzugehen. Ein anderer freut sich über den Gegenstand und zusätzlich eine soziale Organisation über die Spende. Insgesamt kann ich als User Spaß haben, fröhlich weiterkonsumieren und trotzdem dabei etwas Gutes tun.
Wo bekomme ich die App und wie viele Menschen nutzen sie bereits?
Die App gibt’s für iOS und Android: einfach in den entsprechenden Stores SWOP-Team eingeben und herunterladen. Insgesamt sind es mittlerweile ungefähr 1000 User, die Zahl wächst aber stetig. In den kommenden Monaten soll die Usability der App noch besser werden und soziale Organisationen sollen sich selbstständig ihren eigenen Flohmarkt-Account auf der SWOP-Team-App einrichten können. Auch eine webbasierte Version ist in Planung.
Was waren die größten Herausforderungen in den vergangenen zwei Jahren?
Grundsätzlich haben wir uns insgesamt alles leichter vorgestellt. Ich erinnere ich an den ersten Businessplan, nachdem wir schon Mitte 2014 schwarze Zahlen geschrieben und uns ordentlich Gehälter hätten auszahlen können. Das war dann doch nicht mal ansatzweise so. Du erkennst schnell: Für eine gute Idee bekommst du viel Schulterklopfen, aber eben auch nicht mehr. Um wirklich – und das gerade als soziales Produkt – in den Markt reinzukommen und dort zu überleben, musst du alles in die Waagschale werfen: Netzwerke pflegen, Flyer verteilen, kein Event auslassen, wo irgendwo mögliche Unterstützer herumlaufen könnten: Insgesamt ein stimmiges, skalierbares Produkt mit ansprechender Außenwirkung in allen Formen und bei jeder Gelegenheit in die Welt hinaustragen.
Was die größten „Niederlagen“?
Niederlagen gibt es viele im Alltag eines Startups. Die Förderung bekommt jemand anders, der potentielle Investor meldet sich nicht, das Produkt läuft nicht so schnell an, wie man sich das erhofft hat usw. Es ist ein ständiges High und Low. In einem Moment bekommst du einen tollen Preis, eine große Zeitung ruft für ein Interview an, eine soziale Organisation bekommt ihren ersten, dicken Spendenscheck. Im nächsten Moment stürzt die App ab, eine Mitarbeiterin versetzt dich kommentarlos bei einem wichtigen Termin, das Geld wird knapp, im Team wird sich ordentlich gefetzt usw. Das ist Arbeit mit einem hohen Intensivitätslevel. Wie Schussfahren im Nebel. Macht Spaß, aber auch ordentlich Angst.
An welche Organisationen fließen die Gelder? Nach welchen Kriterien wählt ihr diese aus?
Mittlerweile generieren fast 40 Organisationen deutschlandweit Spenden über unsere App. Wichtig ist uns hier bei der Auswahl, dass die Organisationen transparente und wichtige Hilfe leisten. Die User der App sollen sehen, dass sie mit Ihren Spenden wirklich etwas bewegen. Die Bereitschaft zu spenden ist dabei sehr hoch. In vielen Fällen wird sogar mehr gespendet, als der Gegenstand in Wahrheit noch wert wäre. Toll zu sehen, besonders da die Spende an sich freiwillig und der Spendenbetrag frei gewählt werden kann.
Als einer von 100 Preisträgern der „Ausgezeichneten Orte im Land der Ideen“ wurdet ihr 2015 prämiert für…?
… neue Innovation im Bereich digitales Netz. Die Bundesregierung und der Verband deutscher Industrie sind sehr interessiert daran, besonders in dem Bereich neue und einzigartige Projekte zu unterstützen. SWOP-Team ist nicht nur eine Flohmarkt-App. Wir sind gerade dabei in verschiedenen Wirtschaftsbereichen unser soziales Produkt zu platzieren.
Wer die drei Jungs einmal zum Netzwerken treffen möchte: Am 7. Juli stellt sich das SWOP-Team in der Münchner Social Entrepreneurship Akademie im Rahmen des Innovationscafés vor – übrigens die letzte Woche ihrer Crowdfunding-Kampagne.
Herr M21er und ich bedanken uns ganz herzlich für das Interview und wünschen „Toi, toi, toi!“