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The bower: Ein Tiny House auf Rädern

Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt Leben Reisen ist. Das wusste schon der deutsche Schriftsteller Jean Paul. Auf unserer Reise an die Westküste der USA haben wir sie gefunden: die Geschichten aus dem Leben. Ohne danach zu suchen. Einige davon konntet ihr bereits auf dem Blog nachlesen. Andere sind noch offen. Wie die von Luna Hoopes und Jesse Wilcoxen. Wir haben das junge Pärchen während unseres Aufenthaltes in dem wundervollen Meadow Creek Ranch Inn am Rande des Yosemite-Nationalparks kennengelernt. Die 25-jährige Absolventin (BA Communication and Writing) und der 30-jährige Absolvent (BA Sociology) des Evergreen State Colleges bauen sich ein Tiny House. Ihr derzeitiges Budget: 25.000 Dollar. Wie es dazu kam und was sie an der Lebensform Mini-Haus fasziniert, erzählen die beiden Amerikaner Minimalismus21 in einem Interview.

Zum englischen Original.

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The bower – ein Mini-Haus in spe auf Rädern

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, ein Tiny House zu bauen?
Das ist eine lustige Geschichte! Als wir ein Paar wurden, fragte uns eine Freundin: „Hey, warum baut Ihr Euch nicht einfach ein Tiny House im Hinterhof?“ So here we are! Natürlich hatten wir uns schon früher Gedanken über alternative Lebensformen gemacht – die Überlegungen umfassten zahlreiche Ideen wie das Leben in einem Van, in einer Wohngemeinschaft, in Studioappartements etc. Alles, was wir brauchten, war ein Partner für die Umsetzung und eine endgültige, klare Vorstellung. Doch nachdem unsere Freundin das erst einmal angeregt hatte, fügte sich einfach eines zum anderen.

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Das „Skelett“ des Tiny Houses

Wie lebt Ihr aktuell?
Wir verbrachten das letzte Jahr mit dem Bau unseres Tiny Houses. Während des ersten Jahres unserer Beziehung lebten wir in einem kleinen Appartement in Santander (Spanien): Im Ausland und arm zu sein, hinderte uns an der Anschaffung von Dingen und machte es unmöglich, überhaupt erst zu viel von allem zu besitzen. Das Ganze bot uns die Gelegenheit, unsere Partnerschaft in einem Umfeld zu beginnen, welches eine minimalistische Haltung bzw. Denkweise erforderte. Es ebnete uns den Weg hin zum „teeny living“.

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Prost auf der Baustelle von Luna und Jesse

Wie sieht das ideale Tiny House für Euch aus? Habt Ihr Vorbilder?
Wir gübelten sehr lange über das ideale Tiny House und verbrachten unzählige Stunden damit, Fotos von solchen Häusern auf Pinterest oder auf anderen Blogs anzusehen. Zum Glück besuchten wir aber niemals irgendwelche Tiny-House-Ausstellungen. Am Ende ließen wir uns – denke ich – jedoch schlicht und ergreifend mehr von unserem Leben in Europa und vom europäischen Lebensstil inspirieren. Unserer Erfahrung nach haben Tiny Houses nämlich die Tendenz, Wohnlösungen zu stark zu vereinfachen.
Ein Beispiel dafür ist der Gasherd mit zwei Flammen, der in einer Tiny-Küche installiert wird. Eigentlich wurde er für ein Wohnmobil gebaut und ist damit nicht praktikabel für den dauerhaften Gebrauch. Zudem scheint ein großer Wohnzimmerbereich als wichtigster Raum im Haus überbetont zu werden – ein Relikt der amerikanischen Idealvorstellung, um die Nachbarn zu beeindrucken. Derartige Mini-Häuser wirken eher wie eine Karikatur amerikanischer Häuser, anstatt entgegengesetzte, echte innovative Wohnmodelle darzustellen.

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Detailansicht: Für die perfekte „Laube“ (bower) sind viele Einzelschritte notwendig

In unserem eigenen Haus spielt die Küche die Hauptrolle. Während unserer Zeit in Europa haben wir viele Lebensbereiche nach unserem Geschmack kennengelernt, insbesondere, was die Raumökonomie betrifft. Denn größer heißt nicht unbedingt besser. Das zeigt sich v.a. in der Fülle von kleinen, aber effektiven Geräten wie unserem Kühlschrank von LG – auf dem amerikanischen Markt total unbekannt. Insgesamt würden wir sagen: Die Vorbilder für unser Tiny House sind die zahlreichen unterschiedlichen Wohnungen und Häuser der typischen europäischen und asiatischen Städter. Sie haben uns stärker inspiriert als die typischen winzigen Häuser, die in diesem Jahr so im Trend liegen.

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Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Katerstimmung auf der Meadow Creek Ranch

Warum baut Ihr Euer Tiny House auf Rädern?
Wir sind aktuell weder in der Lage, uns dauerhaft irgendwo niederzulassen, noch können wir uns vorstellen, für immer in einem Tiny House zu leben. Wir wollten die Möglichkeit haben, das Haus überall da abzustellen, wo wir es brauchen – inklusive der Flexibilität, die die Räder mit sich bringen. Abgesehen davon gehen wir nicht davon aus, dass unser Tiny House eine Lebensdauer von drei oder vier Jahren überschreiten wird. Zuerst soll es uns als Hauptwohnsitz im Hinterhof unserer Freundin dienen, in der Zukunft vielleicht als Gästezimmer oder als Zweitwohnsitz auf einem Fleckchen Erde abseits ausgetretener Pfade.

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Die ersten „Stufen“ ins neue Zuhause

Welchen Lebensstil verbindet Ihr mit der Idee von einem Tiny House? Warum sollte jeder von uns ein Tiny House haben? Oder: Sollte jeder von uns ein Tiny House haben?
Wir denken nicht, dass jeder ein Tiny House haben sollte. Wir denken vielmehr, dass jeder an dem Platz leben sollte, der für ihn richtig ist. Leider können in Amerika die Möglichkeiten dafür ganz schön begrenzt sein. Die Menschen ziehen oft in Räumlichkeiten, die viel zu groß und zu teuer für ihre Bedürfnisse sind. Das hat etwas mit der Verfügbarkeit oder dem kulturellen Druck zu tun. Wir glauben, man muss sich ziemlich anstrengen, um diesen Zustand zu überwinden. Jeder Mensch muss für sich selbst überlegen und entscheiden, was er zum Leben benötigt.

Wie weit seid Ihr aktuell mit dem Bau? Was sind die nächsten Schritte?
Im Moment stellen wir das Dach und die Gebäudehülle fertig! Nächster Schritt: die Installation der Elektro- und Sanitärsysteme.

Wer mehr über Luna und Jesse erfahren oder den Bau ihres Mini-Hauses mitverfolgen möchte, kann den beiden auf Instagram folgen sowie ihren Blog besuchen.

Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von the.bower

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