„Does it spark joy?“ „Habe ich es im letzten (halben) Jahr benutzt?“ „Nur, was ich mag!“ „Project 333“: Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich selbst auf seinem minimalistischen Weg zu (hinter-)fragen und zu motivieren. Minimalismus ist keine „One-Way-Challenge“, in der es nur einen, nämlich den einen, legitimen Weg gibt, an dessen Ende – äh – Milch und Honig warten. Womit wir in Sachen Wortspiel qua Thema schon in einer verbalen Sackgasse wären. Nun denn.
Jedenfalls: Ob ich jemals ausschließlich das besitzen werde, was ich regelmäßig benutze, was ich wertschätze und mag, steht in den Sternen. Das Leben ist ein steter Veränderungsprozess voller Meilensteine, in dem sich Interessen und Vorlieben wandeln können. Was wiederum Auswirkungen auf unsere Besitztümer und unseren Umgang mit ihnen hat. Herr M21er hat sich diesem Thema bereits in unserem ersten Bloggerjahr einmal genähert und 2013 die provokante Frage aufgeworfen, ob man Sammler und Minimalist zugleich sein kann. Aber lest selbst.
Heute drehe ich den Spieß ein weiteres Mal um. Denn in diesem Post geht es genau um einen jener Gegenstände, die „joy“ machen, die mir Freude bereiten, die nicht auf dem „Zu-verschenken-“, „Zu-verkaufen-“ oder dem „Weiß-nicht-Stapel“ vegetieren. Etwas, das übrigbleiben soll, obwohl ich längst noch nicht am Ende mit Ausmisten, Reduzieren, Spenden, Verschenken und Co. bin. Etwas, das ein Lieblingsstück ist. Und etwas, das ich mir tatsächlich erst vor ein paar Monaten gekauft habe.
Das Objekt der Begierde
Machen wir es kurz: Ein Kopfhörer. Besondere Kennzeichen: Over-Ear-Modell und Noise-Cancelling-Technologie etc. Mikrofone im Kopfhörer nehmen die Außengeräusche auf. Sie werden von der Elektronik im Modell invertiert und über die Lautsprecher so wiedergegeben, dass sich Stör- und invertierte Schallwelle aufheben. Im Ideallfall versteht sich. Mehr Informationen sind für diesen Beitrag nicht notwendig. Wer Sponsoring und Werbung wittert, den muss ich enttäuschen. Selbst das Beitragsbild ist symbolisch gewählt und lässt keine Schlüsse auf Marke, Moneten und Mehr zu.
Der Auslöser
Die Welt ist laut geworden. Verdammt laut. Und damit meine ich primär die Einflüsse, die von außen auf uns einprasseln. Selbst eine banale U-Bahn-Fahrt vergeht in der Regel nicht, ohne dass mir Werbung von Displays an Bahnsteigen und in den Zügen selbst entgegendröhnt. An zentralen Knotenpunkten schallt Musik aus den Lautsprechern, klassisch, um bestimmte Ziel-, nein, Randgruppen der Gesellschaft fernzuhalten, heißt es. Wo immer es möglich ist, menschliche Sinne in irgendeiner Weise anzusprechen, findet sich mittlerweile ein visuell-akustischer Weg.
Überhaupt die Akustik. Seit einigen Jahren begleitet der Großraum mein Arbeitsleben. Denn: „Als modern und zukunftsgewandt gilt, wer es so macht wie Google und Facebook, die offene Büros zum Standard erkoren haben. […] Doch inzwischen haben einige Firmen erkannt, wie schädlich ständige Erreichbarkeit sein kann – und schaffen wieder Rückzugsmöglichkeiten“, schreibt die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel über Konzentration im Büro. In einigen Fällen schaffen sich Minimalisten jedoch kurzerhand ihren eigenen Silentiumraum, gegen Geld, gegen Konsum, gegen Bares oder EC-Karte. Gegen das Paradoxon, ein lärmendes Kennzeichen der Moderne durch einen Gang ins Kaufhaus auszuschalten zu müssen. Hier: zu wollen. Denn Augen kann man schließen. Ohren nicht. Fußnote: Im Office wird’s als Schreibttischtäter mit geschlossenen Lidern irgendwann auch erklärungsbedürftig.
Die Alternativen
Als meine Ohren in der embryonalen Entwicklungsphase an der Reihe waren, hat es Mutter Natur nicht allzu schlecht mit mir gemeint. Denn: Ich höre überdurchschnittlich gut. Jawohl. Ärztlich bestätigt und so. Aber: Keine Sonnenseite bekanntlich ohne Schatten. Denn in puncto Raumkonzept besitze ich quasi das Tiny House unter den Ohrlöchern. Viel Platz ist da einfach nicht. Und wer will ernsthaft einen Sechs-Personen-Haushalt in 20 m² pressen. Bildhaft gesprochen natürlich. Deswegen vielen Dank im Voraus für sämtliche Alternativ-Vorschläge: Ich habe schon Kinderohrstöpsel ums Südläppchen fliegen gesehen. InEar is nich!
Die Leidenschaft
Ja, ja, gerade noch in Sachen Lärm rumheulen und dann das. Fest steht: Ich liebe Hörspiele. Und Hörbücher. Seit ich denken kann. Zum Thema hatten der Herr M21er und ich sogar jahrelang eine Webseite. Bibi, Justus, Klößchen – in fremde Welten einzutauchen und spannenden Geschichten zu lauschen, liebe ich seit meiner Kindheit. Bürotratsch nicht.
Die Achtsamkeitsnummer
Wie ich zu Beginn geschrieben habe, gibt es viele Möglichkeiten, sein Konsumverhalten und seine Besitztümer kritisch zu beleuchten. Was mir hilft, ist die Frage, ob ich einen neuen Gegenstand geschenkt oder für einen geringen Betrag in mein Heim lassen würde. Ein weiterer wichtiger Faktor ist Zeit. Das weiß auch Diplompsychologe Dr. Hans-Georg Häusel. In einem Interview mit der Zeitschrift freundin (17/2017) empfielt er einen simplen Trick gegen überstürzte (Belohnungs-)Käufe: „Schlafen Sie eine Nacht darüber, Sie können es ja morgen noch kaufen. Ist das Verlangen nach zwei Tagen noch da, wissen Sie: Das Produkt ist es wert, dass ich es kaufe.“ Und was soll ich sagen? Ich habe geschlafen, viel geschlafen. Und ich habe den Vorteil genutzt, in einem Technikunternehmen zu arbeiten. Danke Jungs, dass ich einen Noice-Cancelling-Kopfhörer lange vor der Kaufentscheidung auf Herz und Nieren testen konnte. Die dann übrigens im Black Friday gefallen ist, sozusagen der importierten Rabattschlacht aus Übersee.
Und jetzt?
Jetzt ist die Geschichte fast zu Ende, an deren Ende ich mir in spießiger Manier sogar eine fünfjährige Geräteversicherung gegönnt habe. Weil ich mir selten etwas neu, noch seltener etwas neues Hochwertiges in dieser Art leiste. Weil ich mich lange an meinen Kopfhörern erfreuen und gegen etwaige geplante Obsoleszenz gewappnet sein möchte. Die digitale Stille und mit ihr das Noice Cancelling funktioniert übrigens nicht bei allen Frequenzen. Bei höheren Stimmlagen kann man nur auf die Rücksicht der anderen setzen. Oder auf Rückzug. Alternativ die Titelmelodie der Drei Fragezeichen einfach mal ganz laut aufdrehen.
Warum, wann und wie wir konsumieren. Darüber schreiben wir auf Minimalismus21 ebenfalls.
Jetzt bist Du an der Reihe: Was hast Du Dir zuletzt gekauft? Was mistest Du auf gar keinen Fall aus? Erzähl es uns im Kommentarfeld. Wir sind gespannt!
Die Geräusche mal ausschalten – das ist eine klasse Idee. Die Welt ist laut geworden. Ich habe es in dem Fall etwas leichter. Hörgeräte raus, schon sind insbesondere (aber nicht nur) die vielen hohen Töne viel leiser, die ganz hohen Frequenzen lassen mich ganz in Ruhe. Nicht nur in S-Bahnen eine Wohltat. Ansonsten habe ich sog. Musikerohrstöpsel – Mitte der 90er Jahre gekauft – eigentlich sollen die alle Töne gleichzeitig reduzieren, aber wenn man wie ich die hohen Töne eh nicht gut hört, na prima, schon ist es ruhig.
Für komplizierte Ohren kann der Akustiker übrigens auch maßangefertigten Gehörschutz anfertigen. Dann passts auch für die schmalen Gehörgänge.
Liebe Gabi,
vielen Dank für den Hinweis mit dem Akustiker – daran habe ich überhaupt nicht gedacht!
Ich wünschte, es ginge mit den Ohren per se wie mit den Augen: Klappe zu und Ruhe ;-).
Viele Grüße
M21
Mir würden sogar Ohrstöpsel genügen, die wirklich für Stille sorgen – ohne Neubeschallung. Aber an besten OverEar. Gibt es da was?
Meine letzter Kauf war eine leichte, robuste und schön anzufassen- und -sehende Waschtasche aus einer kleinen israelischen Manufaktur. Da habe ich ein pasr Dinge deutlich gemerkt:
1. Die Überlegung, ob ich etwas kaufe oder nicht stresst mich unglaublich. Darauf habe ich meist keine Lust und lasse es einfach bleiben, um mich diesem Stress nicht auszusetzen.
2. Qualität hat ihren Preis.
3. In dem Moment, in dem das Geld über den Tresen geht, wird einem bewusst, ob es das Prosukt wert ist. In diesem Fall: ja.
Liebe Grüße,
Philipp
Hallo Philipp,
gibt es bestimmt. Ansonsten einfach nicht auf „Play“ drücken ;-).
Ich kenne das Gefühl mit dem Stress. Wenn ich unbedingt etwas Neues brauche, das ich nicht in einem adäquaten Zeitraum gebraucht finde, beiße ich in den sauren Apfel und quäle mich durch die (Online-)Kaufhäuser. Generell lebe ich nach dem Motto: Weniger, aber wertiger. Was Deinem Punkt zwei entspricht.
Die Kopfhörer waren mir jeden Euro wert und ich erfreue mich an ihrer Nutzung. Deine Waschtasche klingt nach einem schönen Unikat – zugleich eine praktische Erinnerung an eine tolle Zeit, oder?
Liebe Grüße
M21
Guten Abend.
Ich musste etwas überlegen… ein Moskitonetz, dass im Urlaub für wunderbare Nächte gesorgt hat. Wenn ich nämlich ein Geräusch nicht hören kann, dann ist es das Fiepen der Mücken um mich rum. 🙂
Viele Grüße
Liebe Nadine,
vielen Dank für Deinen Kommentar – ich musste herzhaft lachen :-D.
Mücken und Co. finde ich auch schrecklich. Am besten noch in der Kombi: Wann stechen sie endlich zu? Das Netz hat also einen „doppelten Boden“ ;-).
LG
M21
Moin!
Was ich auf keinen Fall ausmiste, ist mein MP3-Player (Marke sag ich mal nicht…), den es in seiner Ausstattung so nicht mehr zu kaufen gibt. Der kann eigentlich gar nichts… nämlich weder fotografieren, noch ins Internet oder sonstigen Schnickschnack, der kann einfach nur Musik speichern und zwar anständig (160 GB). Und gerade das liebe ich daran. Mit 3000 Songs befindet sich sozusagen der Soundtrack meines Lebens darauf und sollte ich (hoffentlich niemals) in die Situation kommen, mein Hab und Gut zu verlieren, wäre das Teil das erste und notfalls auch das einzige, was ich retten würde. Nach Kindern und Mann versteht sich… 🙂
Liebe Sonja,
wow, der Soundtrack Deines Lebens: Das ist beneidenswert. Alle Lieblingstitel mit einem Griff zur Hand – wer kann das schon von sich behaupten!
Und ich finde, Dein MP3-Player kann genau das, was er können muss:
Zu jeder Zeit einen guten Sound mit Deinen Ohrwürmern abliefern. Auf mehr als Lauschen muss man sich in dem Moment auch wirklich nicht konzentrieren :-).
Herzlichen Dank für diesen Einblick.
LG
M21