Nachlese & Seitenblicke, Geschichten aus der großen Stadt
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München Secondhand: Pick & Weight

Secondhand spielt in meinem Verständnis von Minimalismus eine große Rolle. Meine persönliche Meinung ist: Im Grunde wurde (fast) alles schon produziert, was wir brauchen oder wollen. Allein im Textilbereich werden in Deutschland pro Jahr schätzungsweise über eine Million Tonnen aussortiert, die aber keineswegs für die Tonne sind. Eine unvorstellbare Menge, die zudem durch einen immensen Energie- und Ressourcenverbrauch bei der Herstellung ins Gewicht fällt. In Zahlen liest sich das nach Angaben des bvse-Fachverbands Sonderabfallwirtschaft dann beispielsweise so:

Die Wiederverwendung von Altkleidern spart im Vergleich zur Produktion von neuer Kleidung Ressourcen ein. Der Anbau von Baumwolle als Rohstoff für die Textilindustrie ist sehr wasserintensiv. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts beläuft sich der Wasserbedarf von einer Tonne Rohbaumwolle auf durchschnittlich rund 3.600 Kubikmeter. […] Eine Studie aus Großbritannien hat außerdem gezeigt, dass durch den Wiedereinsatz eines T-Shirts drei Kilogramm CO2 eingespart werden können.

Weniger Neu, mehr Gebraucht
Und dieser Wiedereinsatz spiegelt sich bereits seit längerer Zeit in meiner Garderobe wider. Egal, welche Outfit-Kombination ich wähle: Fast immer ist mindestens ein Teil aus zweiter Hand dabei. Tendenz steigend. Denn rund 80 bis 90 Prozent meiner „Neuanschaffungen“ haben mittlerweile ein Vorleben im Gepäck; nicht nur bei Kleidung. Am liebsten stöbere ich dabei auf den zahlreichen Flohmärkten rund um München, die einer riesigen Open-Air-Shopping-Mall gleichen. Was mich dort allerdings immer wieder von Neuem erschreckt: Der kurze Lebenszyklus der angebotenen Waren. Omas Lieblinge und Designklassiker stehen in Reih und Glied mit kaum bis überhaupt nicht getragenen bzw. benutzten Produkten, an denen Preisschilder und Etiketten hängen. Ein Einzelfall ist das nicht. Wer Neuware sucht, muss angesichts unserer Wegwerf- und Überflussgesellschaft nicht mehr zwangsweise ein klassisches Kaufhaus aufsuchen. Dennoch scheuen viele Menschen (noch) vor Flohmärkten zurück.

Unter dem Hash #WenigerNeumehrGebraucht versuchen wir daher bei Instagram eine Lanze für Vintage und Retro in seinen vielfältigen Facetten zu brechen – und zeigen in unregelmäßigen Abständen Alltagsgüter, die wir aus zweiter Hand erworben haben. Und die sind alles anders als verstaubt und altbacken. Inspiriert durch Sabine und ihren Blog A Hungry Mind möchten wir dieses Thema auf Minimalismus21 ausbauen. Die Hamburgerin stellt ihre Local Heros aus den Bereichen Food und Fair Fashion in wunderbaren Texten und Bildern vor. Allesamt Lieblingsadressen, die den eigenen Alltag besser machen, wie sie selbst sagt. Wir importieren diese Idee von der Alster an die Isar und präsentieren Euch ab sofort Flohmärkte und Shops, die Kleidung und Co. zu einem zweiten Leben verhelfen. Los geht’s mit dem Vintage Kilo Store Pick & Weight, den Ihr in Deutschland nicht nur in München, sondern auch in Berlin, Hamburg und Köln findet.

PicknWeight – München Maxvorstadt
„Individual style – no mass production – good quality – fair prices.“ Das alles verspricht die Eigenbeschreibung auf der Webseite. In der Filiale im Univiertel (Schellingstraße 24) türmen sich Klamotten in sämtlichen Formen und Mustern sowie unterschiedlicher Coleur inklusive Schuhen, Handtaschen und Accessoires wie Schmuck, Brillen, Uhren etc. Bezahlt wird nach Kilopreisen. Jedem Fundstück ist eine Farbe zugeordnet, dem wiederum ein Preis entspricht. Kunden können diesen vor dem Kauf mit einer Waage selbst ermitteln.

Wie viel Kilo Klamotten hätten Sie denn gerne?

Mehr PicknWeight

  • Breite Auswahl an Damen- und Herrenbekleidung mit etwa 10.000 Schätzen.
  • Individuelle Einzelstücke mit Flair und Geschichte jenseits aktueller Massenproduktion.
  • Transparente Preisgestaltung und etliche Schnäppchenangebote im Sale.
  • Sortierung/ Anordnung nach Farben und saisonale Stücke wie Trachtenmode zur Wiesn-Zeit.
  • Buntes Publikum aus aller Herren Länder, darunter Schüler und Studenten sowie mittelalte Minimalismus-Blogger.
  • Lockere Atmosphäre fernab von Bussi-Bussi und Schicki-Micki bei cooler, gediegener Innenraumgestaltung im hippem Shabby Chic.

Weniger PicknWeight

  • Eine – nämlich die einzige – Kabine. Mangels Umkleidemöglichkeiten in der Boxershort durch den Laden zu hüpfen, ist eine Frage des Alters. Und nicht jedermanns Geschmack.
  • Daraus folgt unmittelbar ein Minuspunkt für lange Wartezeiten und für Konsumenten, die mehr als die zulässigen acht Teile mit in die Garderobe schleppen.
  • Abgetragene Klamotten zu überzogenen Kilopreisen. Hier: Der Versuch, eine „neue“ Jeans für Herrn M21er zu finden. Fast 35 Euro für rund 800 Gramm durchgescheuerten Stoff samt ausgefransten Saum verleiten schnell zu einem Neukauf beim Billigheimer von nebenan. Dafür zieht’s dann nicht im Schritt.
  • Olfaktorischer Overkill zwischen Schluppenbluse und Cowboystiefel, mit dem sich einige Kunden hörbar schwer getan haben. Als langjährige Flohmarktgänger können wir darüber allerdings nur die Nase rümpfen.
  • Fehlende und/oder kryptische Größenangaben – die wiederum den Run auf die einzige Kabine vergrößern.
  • Unklares Corporate Design: Wollt Ihr jetzt Pick & Weight oder PicknWeight oder PICKNWEIGHT geschrieben werden ;-)?
  • Kommunikationspolitik: Auf wiederholte Nachfrage (E-Mail an Geschäftsführung) zu den Bezugsquellen der Kleidung hüllte sich das Unternehmen in konsequentes Schweigen.
  • Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 5. Oktober 2017 „liefert die Mutterfirma Soex 10.000 Kilo Vintage aus Deutschland, den USA und Japan.“ Soex wiederum gibt auf der Firmenwebseite lediglich an, die Ware von verschiedenen Partnern zu erhalten. Fest steht: Die Internationalität der Zulieferer beschreibt eine Entwicklung, die Kirsten Brodde von Greenpeace in einem Interview mit dem Tagesspiegel zu Recht kritisiert: „Ich denke, dass es weitaus besser ist, den Markt lokal zu bedienen. Es ist nicht so, als hätten wir hier zu wenige Angebote. Da muss der Second-Hand-Markt nicht globalisiert werden.“

Aussuchen, wiegen, mitnehmen: Der Vintagekilosale als Take Away

Öffnungszeiten:

MO-SA 10.30-20 Uhr bzw. 10.00-20.00 Uhr in der zweiten Filiale im Tal 15, 80331 München.

Wie gefällt Euch dieser Vintage Kilo Store?

Kennt Ihr Alternativen in Eurer Stadt, über die Ihr gerne berichten wollt? Dann meldet Euch doch direkt bei uns.

Filmtipp zum Thema: The True Cost – Der Preis der Mode.

Lesetipp zum Thema: Verpackungsfrei einkaufen: Zero Waste Muc.

12 Kommentare

  1. Wow, und was für ein wunderschöner, ausführlicher Import meiner Idee! Ich freue mich!
    Die Secondhand Läden sollen bei mir als nächstes drankommen – noch traue ich es mir aber nicht zu, weil mir die Erfahrung fehlt. Pick n Weight haben wir auch, aber ehrlicherweise finde ich persönlich dort selten etwas . Vielleicht sind Flohmärkte also eher mein Ding. Hast vielleicht auch Tipps für den Besuch oder die Auswahl des richtigen Marktes?

    • Liebe Sabine,

      vielen Dank für Dein Feedback – daran liegt mir sehr viel!

      Bei Flohmärkten liebe ich v.a. zwei Varianten:

      1. Die kleinen Stadtteil-Flohmärkte im Sommer, bei denen Privatverkäufer Hinterhöfe und Schatztruhen öffnen.
      2. Große, klassische „Parkplatz-Märkte“, weil da das Angebot groß und die Preise – hüstel – klein sind.

      Es lohnt sich, früh auf den Beinen zu sein und ruhig nach einem Preisnachlass bei Mehrfachkäufen zu fragen. Handeln gehört auf Flohmärkten einfach dazu: Mit der notwendigen Portion Charme und Freundlichkeit :-).

      Ich habe wirklich mit meine schönsten Sachen zwischen Tapeziertischen und Heckklappen gekauft.

      Herzliche Grüße und bis bald
      M21

  2. Den Pick’n’Weight habe ich in Hamburg auch besucht – den Tipp hatte ich via Instagram bekommen 🙂
    Eigentlich hätte das für mich als passionierte Flohmarktgängerin, Secondhandträgerin und „neue Lederstiefel und -taschen“-Ablehnerin ein Paradies sein müssen, aber irgendwie hats mich nicht so richtig erwischt – ich schließe mich deinen Negativ-Punkten da ganz an. Cooles Konzept, keine Frage, und megagute Einzelteile, aber mir deutlich zu teuer. Und irgendwie zu unpersönlich.

    • Liebe Kati,

      uns ging es exakt wie Dir!

      Die erste Euphorie nach dem Betreten der Filiale ist leider ziemlich schnell verschwunden :-(. Es standen wirklich ein paar tolle Lederwaren zum Verkauf; keine Frage. Aber im Gesamten waren wir einfach nur enttäuscht.

      Wir „jagen“ also wie gehabt in unseren Flohmarkt-Revieren. Und schauen uns demnächst noch eine weitere (relativ neue) Secondhand-Shop-Variante an. Bericht folgt.

      Herzliche Grüße
      M21

  3. Thalke sagt

    Ich war letztens in Berlin drin und war leider etwas enttäuscht. Zwei Häkelstrickjacken für insgesamt über 35€ war mir dann doch zu viel für Secondhand. Alle anderen Teile waren mir zu ausgefallen. Mich hat da auch gestört, dass die Größen nicht klar waren und diese Infos auf der Homepage, wo die Teile herkommen, fand ich auch etwas zu schwammig. Da geh ich doch lieber in einen normalen Secondhandladen, der die Kleidung direkt vom Kunden ankauft.

    • München, Hamburg, Berlin – das Konzept ist offenbar absolut identisch. Das zeigen die Kommentare sehr deutlich. Inklusive der gleichen Schwächen.

      Schade eigentlich, denn man hätte mehr daraus machen können. Preis-Leistung stimmen einfach nicht überein: Für unseren Geschmack zu kommerzialisiert und – wie Du schreibst – zu undurchsichtig.

      Liebe Grüße
      M21

  4. Hallo,

    in unserem Kaff gibt es leider nix sowas 2. Hand ab und mal Flohmarkt aber da ist meist nix zu finden. Wenn dann ab und an mal über Onlineaktionen find ich was oder ich kaufe mir ein absolut tolles Teil und das trage ich auch dann wirlich ganz lange – ich hab eine leichte dünne Bluse weiß die ist inzwischen 18 Jahre alt – sieht man der gar nicht an die trag ich im Sommer über Tops.

    Ansonsten denk ich immer meine Güte das viele Zeugs im Laden mit A, K, T und co. wer braucht das alles und teilweise ja wirklich ein kurzweiliger Ramsch. Egal ob jetzt Kleidung, Taschen Krims Krams etc. Wenn ich sehe was jetzt zur Weihnachtszeit für Stapel in den Geschäften liegen….

    LG
    Ursula
    PS: Werd aber bei meinem nächsten Münchenbesuch sicher dort vorbeischauen.

    • Liebe Ursula,

      dann bin ich schon heute auf Deinen Eindruck gespannt: Sag unbedingt Bescheid, wenn Du den Laden in München besucht hast!

      Ich bin froh, dass wir innerhalb der Familie Geschenke zu Weihnachten schon lange abgeschafft haben. Zeit statt Zeug lautet hier unsere Devise. Und das funktioniert erstaunlich gut und ist etwas wirklich Wertvolles – im Gegensatz zu dem ganzen Krams, den Du so passend beschreibst.

      Einen guten Start in die neue Woche und herzliche Grüße
      M21

  5. Verena sagt

    Hallo!
    Mit Pick&Weight werde ich auch nicht so recht warm. Mein Freund kauft dort allerdings gerne ein – vor allem Hemden, die sind schön leicht! 😉
    Meine liebste Alternative in München ist ‚Lisalu‘ in der Rosenheimer Str. 125. Es ist nicht flohmarktmäßig billig, aber es gibt immer wieder Schnäppchen. Die Sachen haben eine gute Qualität und es müffelt nicht, weil die Inhaberin sorgfältig auswählt. Soweit ich weiß, nimmt sie die Klamotten in Kommission. Also auch eine Gelegenheit, Schönes aber Ungenutztes loszuwerden…
    Viele Grüße,
    Verena

    • M21 sagt

      Liebe Verena,

      ja, stimmt, bei Hemden fällt nicht viel ins Gewicht ;-)!

      Und herzlichen Dank für den Tipp in der Rosenheimerstraße. Den Laden kannten wir noch gar nicht und werden ihn mal auf die „To-visit-Liste“ setzen :-D.

      Liebe Grüße und ein wunderbares Wochenende
      M21

  6. Purple sagt

    Hallo zusammen,
    ich war heute im Picknweight im Tal in München und war wirklich sehr enttäuscht:
    Es gibt Kleidung in Hülle und Fülle, aber nirgends in einem Stück die größen Angaben.
    Auch sonst keine eingenähten Etiketten. Wenn mal ein Etikett eingenäht ist, dann ist es eher Glücksache. Von dem angebrachten Picknweight-Anhänger kann man weder die Größe noch den Stoff oder sonst irgendwas ablesen. Bei mancher Kleidung die dies 15 mal vorhanden und man hat eher den Eindruck, das dies eine Massenfertigung ist, ganz ohne Hersteller/Herstellerland, Größen oder sonst welchen Angaben wie zum Beispiel zum Stoff. Keine Ahnung wer da im Hinterhof die Kleidung näht. Aber Secondhand ist das nicht!
    Für meine Größe (46) habe ich nichts gefunden, die Kleidung hält sich eher in den Größen 36 bis 40 oder vielleicht noch 42. Wie gesagt genau sagen kann man dies nicht, da es keine Größenangaben gibt und auch sonst die Kleidung in keinsterweise geordnet ist, bis auf vielleicht etwas die Farben!
    Ach ja, Accessoires: kleine Umhängetaschen die 40 Euro Kosten …..
    In dieses Durcheinander werde ich nie wieder hinschauen, da ist mir echt meine Zeit zu schade.
    Es gibt genügend Second-Hand und Basare in München bei denen man wirklich ausranchierte Kleidung erhält und nicht so einen billig Trash.
    Viele Grüße und um eine Erfahrung reicher,
    Eure Purple

  7. Estefania Garosz sagt

    Ich pflege den Lebensstil des Minimalismus. Wie Sie bereits erwähnen, wurde mit großer Sicherheit schon mehr produziert als wir eigentlich brauchen. Daher shoppe ich meine Kleidung auch vorzugsweise, nahezu ausschließlich, in Second Hand Geschäften. Hier spart man nicht nur Geld, sondern greift aufgrund der viel größeren Auswahl auch mal zu Teilen, die man in keinem Kaufhaus mehr finden könnte. Ich konnte schon den ein oder anderen Second Hand Schatz entdecken. Vielen Dank für das aufmerksam machen auf diese Thematik.

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