Gerümpel kann das Körpergewicht beeinflussen. Und: Menschen, die sehr viel alte, unbrauchbare und wertlos gewordene Gegenstände in ihren Häusern horten, sind oftmals übergewichtig. Diese Aussagen stammen nicht von mir, sondern sind Erfahrungen, die Karen Kingston in ihrer jahrzehntelangen Arbeit mit Space Clearing gemacht hat (und die sicherlich diskussionsbedürftg sind). Ihre Beschäftigung mit diesem speziellen Zweig von Feng Shui umfasst das Reinigen und Klären von Energieflüssen in Gebäuden. Über ihre Arbeit hat die gebürtige Engländerin ein Buch geschrieben: Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags. Richtig ausmisten. Gerümpelfrei bleiben. Der Klassiker erschien bereits erstmals Ende der 1990er Jahre – also noch (weit) vor der Konkurrenzliteratur von Küstenmacher, Kondo und Co. Kingstons These: „Gerümpel verstopft nicht bloß Ihre Räume, sondern auch Ihren Körper“.
Ausmisten <–> Minimalismus <–> Abnehmen
Für ihre Behauptung führt die Autorin eine Reihe von Gründen an, darunter, dass sowohl Gerümpel als auch Körperfett Formen von Selbstschutz seien, mit denen sich Menschen v.a. gegen negative Emotionen abschotten würden. Auch fehlende Achtsamkeit gegenüber der eigenen Umgebung und sich selbst werden als weitere Punkte angeführt. Mein persönlicher, rein sujektiv gefärbter und nicht ernährungswissenschaftlich überprüfter Eindruck: Zwischen übermäßigem Konsum und Völlerei besteht definitiv ein Zusammenhang. Motivation, Auslöser und Handlungsmuster gleichen sich. Drei Parallelen möchte ich ins Rennen schicken.
Du bist nicht, was Du hast
1. Manchmal habe ich das Gefühl, von meinem Besitz erschlagen zu werden. Das Ausmisten geht nicht schnell genug voran, zwei, drei Teile weniger machen sich in Summe im gewünschten Ausmaß kaum bemerkbar. In solchen Situationen fühle ich mich overwhelmed – im Sinne von erschlagen, erdrückt oder energielos. Das Fatalste, was jetzt passieren könnte: Die Flinte ins Korn zu werfen, zu resignieren, träge zu werden und passiv in alte Verhaltensweisen zurückzufallen. Sprich: Den eingeschlagenen Weg zum Weniger aus den Augen zu verlieren. Die verlorenen Kilos/Lücken voller Frust wieder zu stopfen und den Blick fürs große Ganze zu verlieren. Aller Anfang ist bekanntlich schwer, Rückschläge und Niederlagen gehören im Leben einfach dazu. Jetzt heißt es, nicht in den Rückspiegel zu blicken, sondern Krone richten und mit Vollgas weitermachen. Und das befreiende Gefühl konservieren, das sich mit jedem abgeworfenen Ballast einstellt. Mehr und mehr.
2. Warum konsumierst/isst Du? Aus Lust, Frust, Langeweile, Stress, Kummer? Als Belohnung, Ausgleich, Nervennahrung? Wer ehrlich zu sich selbst ist, wird mitunter auf wenig erfreuliche Antworten stoßen. Ebenso derjenige, der unbewusst neue Dinge anhäuft oder achtlos (qualitativ minderwertige) Nahrung im Übermaß zu sich nimmt. Das Gefühl für die richtige Menge bzw. der Grad an Sättigung (kulinarische Achtsamkeit) gehen auf diese Weise kontinuierlich verloren. Um eigene Handlungsmuster zu durchbrechen, muss man ehrlich zu sich selbst sein. Das ist vor allem eines: nicht immer angenehm. Erstens, weil ich Dinge über mich erfahre, die ich nicht unbedingt wahrhaben wollte. Zweitens, weil mich diese Erkenntnis vor die Entscheidung stellt: Love it, leave it, change it. Also akzeptiere die Situation, verlasse sie oder ändere etwas. Sich seiner eigenen Haut zu entledigen, dürfte wahrlich schwer werden. Den – übertrieben gesagt – Messie-Haushalt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion sang- und klanglos zurückzulassen ebenso. Wenn Unzufriedenheit und Leidensdruck die individuelle Toleranzgrenze überschritten haben, hilft es trotzdem nur noch, die Reißleine zu ziehen: Change it! Werde aktiv und nehme die Herausforderung zur Veränderung an.
3. Ach ja, wie gemütlich waren sie immer, die Nachmittage bei Tante Erna. Das Gefühl von Heimeligkeit und Geborgenheit, der Duft von Kaffee und die Sahnetorte nach altem Familienrezept, serviert auf dem guten Sonntagsgeschirr. Menschen sind Dopamin-Junkies. Der Botenstoff macht sich im Gehirn breit, sobald unser Belohnungssystem aktiviert wird. Das fühlt sich gut an und schreit nach einer Wiederholung. Die Folge: Wir hängen an Dingen und konservieren bzw. wiederholen bereitwillig, was auf das System Happiness einzahlt – egal, ob Sinnlos-Shopping oder Tortenstück. Letzteres servieren wir im Zweifelsfall sogar dann noch auf der geerbten Porzellanserie, wenn uns Goldrand und florales Muster schon zum Halse raushängen. Auch Schuldgefühle und falsch verstandene Traditionen sind geistige Fesseln. Kurz gesagt: Der „Feind“ ist in unseren Köpfen. Dazu kommt: Dinge nutzen sich ab. Der Reiz des Neuen verschwindet nach und nach und löst keine angenehmen Gefühle mehr aus. Dann hilft es nur, die Menge zu erhöhen oder eine neue Glücksquelle ausfindig zu machen. Ein Naturgesetz, das viele Menschen ins Dilemma stürzt. Exzesse jeglicher Art mitgedacht.
Und nun? Nun, liebe Minimalistinnen und Minimalisten, seid Ihr gefragt! Kommen Euch diese Punkte bekannt vor? Falls ja: Welche Strategie habt ihr entwickelt, um Konsumrausch und Co. ein Schnippchen zu schlagen? Wir freuen uns sehr über Tipps und Anregungen und sind gespannt auf Eure Erfahrungen.
P.S.: Ein Rezept mit minimalem Aufwand, aber maximalem leichtem Genuss: Gekochter Spargel mit Quinoa und Zitronen-Limetten-Yoghurt-Soße – zu sehen auf dem Beitragsbild.
Schöner Beitrag! Das mit dem Dopamin ausschütten hat mich besonders angesprochen. Ich glaube, bei mir wird inzwischen Dopamin ausgeschüttet weil ich mir bewusst gemacht habe, dass Dinge für mich gesünder sind oder gesünder für die Umwelt. So stellt sich jetzt eher das Gefühl ein: Sahnetorte nicht gut für mich oder Fleisch nicht gut für mich. Dafür macht es nicht wirklich glücklich selbst geerntetes aus dem Garten essen oder Reste verkocht zu haben. Ich glaube fest, dass wir uns da selbst beeinflussen können!
Herzliche Grüße,
Anne
Liebe Anne,
ja, ich denke auch, dass wir uns selbst beeinflussen und Verhaltensweisen „umprogrammieren“ können. Dazu bedarf es jedoch Zeit, Geduld und Ausdauer.
Es ist bspw. vergleichbar mit Fahrradfahren. Wenn wir es lernen, werden wir anfänglich oft herunterfallen, gefrustet sein und keine Lust haben, weiter zu üben. Nach und nach stellt sich jedoch der Erfolg ein, d.h. wir fahren sicherer und plumpsen weniger zu Boden.
Irgendwann steigen wir einfach auf und denken gar nicht mehr über den Prozess dahinter nach, sondern nur noch an den Fahrtwind, der uns um die Nase weht :-).
Herzliche Grüße
M21
Ich habe über diesen Zusammenhang zwischen überfülltem Wohnraum und Körperfülle so noch nie bewusst nachgedacht. Finde aber gerade Punkt 2 „Warum konsumierst/isst Du?“ sehr spannend, obwohl ich da eher Konfliktunfähigkeit dahinter sehe, aber das ist vielleicht auch wieder weiter auf Wohnraum zu übetragen.
Interessanter Impuls, Danke
VG Jana
Liebe Jana,
ich freue mich, wenn wir hier einen neuen Impuls geben konnten.
Je länger ich mich mit dem Thema Minimalismus beschäftige, desto mehr werden die Zusammenhänge und Verbindungen auch zu anderen menschlichen Verhaltensweisen deutlich – ein spannendes Feld, das längst noch nicht ausgeschöpft ist!
Was genau meinst Du mit „Konfliktunfähigkeit“? Sich den eigenen „Problemen“ nicht stellen zu wollen? Auf jeden Fall ebenso ein interessanter Gedanke.
Einen guten Start in die Woche und bis bald
M21
Hallo Jana,
Das interessiert mich jetzt. Wieso Konfliktunfähigkeit?
Ich kann für mich sagen, dass ich aus ähnlichen Gründen Sachen und Süßigkeiten übermäßig konsumiert habe. Und beides auf ähnlichen Wegen beende bzw. beenden konnte.
Auf Konfliktunfähigkeit wäre ich jetzt nicht gekommen, magst du das erläutern?
LG Nanne
Interessanter Gedanke! Ich bin ein Stress-Esser. Und da mich ein geordnetes Leben entspannt habe ich dann wohl weniger Anlass mich mit Fastfood zu beruhigen und zudem mehr Energie, etwas gesundes selbst zu kochen. Der Zusammenhang zwischen Gerümpel und Übergewicht erscheint mir absolut plausibel.
Ich denke es ist auch eine Frage von für sich selbst sorgen und bewusste Lebensentscheidungen treffen.
Liebe Grüße,
Elisabeth
Liebe Elisabeth,
da ergänzt Du einen wichtigen Punkt: Wenn wir gestresst sind, verlieren wir die Achtsamkeit für uns und unsere Bedürfnisse. Wir spüren nicht mehr, wann etwas genug ist (oder auch zu wenig), schütten entsprechende Hormone aus und können zwischen Appetitlosigkeit und Heißhunger schwanken. Ein Teufelskreis, der irgendwie und irgendwann durchbrochen werden sollte.
Komischerweise kümmern sich viele Menschen besser um andere (Dinge), als um sich selbst.
Liebe Grüße
M21
Also bei mir hat es gleich mehrer Klicks Effekte gegeben.
Vorallem das essen wenn man unausgeglichen ist.
Nur das mit dem entrüpeln und den kilos habe ich nicht ganz verstanden.
Liebe Edith,
das freut mich zu hören!
Beim Thema „Entrümpeln und Kilos“ gibt es – meiner Ansicht nach – mehrere Parallelen. Hier wollte ich v.a. Mut machen und einen Annsporn geben, um nicht gleich die Flinte ins Korn zu werfen. Auch wenn es beim Ausmisten und Abnehmen mal nicht (so schnell) läuft wie man möchte. Phasen, in denen es schneller geht bzw. in denen es leichter fällt können sich mit Phasen abwechseln, in welchen der ganze „Prozess“ rückläufig ist oder nur mühsam vorangeht. Dann heißt es nicht zu verzweifeln, sondern schrittweise weitermachen. Jedes abgeworfene Kilo – körperlich oder besitzmäßig – zählt.
Natürlich gibt es noch viel mehr Gemeinsamkeiten, etwa, was die eigene Achtsamkeit betrifft. Wer bestimmte Muster erkannt und durchbrochen hat, wird auch mit sich selbst liebevoller umgehen und nicht mehr so viel Kram anhäufen, der das Leben unnötig beschwert. Oder mehr auf hochwertiges und bewusstes Essen achten.
Das Thema ist bestimmt nicht ausgeschöpft ;-). Ich hoffe, ich konnte etwas Licht ins Dunkel bringen.
LG
M21
Hallo
Ich denke das es auch eventuell so zusammen hängen könnte das beim ausmisten oder halt ist weil man sich erdrückt fühlt gefrustet ist und aus diesem Grund z.b Süßigkeiten isst das es einem besser geht doch das ist ein falsches Glück und hilft nicht weiter
jedoch einen Weg aus diesem Kreislauf zu finden entpuppt sich als gar nicht so einfach bis man einen Lösung dafür gefunden hat welche ich für mich noch nicht gefunden habe also wer einen Lösungsweg hat in dem Punkt bitte nicht minimalistisch sein 🙂
Liebe Edith,
ja, das hast Du gut zusammengefasst:
Den Ausbruch und damit die Tür aus dem Teufelskreis zu finden, ist die große Herausforderung. Wahrscheinlich lässt sich das mit dem Sprung vom 10-Meter-Brett vergleichen: Man läuft immer wieder und wieder an. Und traut sich nicht zu springen.
Aber irgendwann nimmt man allen Mut zusammen. Und merkt, dass Sprung und Aufprall gar nicht so schlimm sind.
Also: Aufstehen, Krone richten, weitermachen :-D.
Liebe Grüße
M21