Nachlese & Seitenblicke
Kommentare 13

Stopping. Wie man die Welt anhält

Im Leben ist alles nur geliehen. Was wir besitzen, womit wir uns umgeben, welche Fragen uns beschäftigen – irgendwann beginnt das Loslassen ohnehin ganz von alleine. Ob wir wollen oder nicht. Persönliche Fähigkeiten lassen nach, geliebte Menschen verlassen uns. Bestimmte Themen verlieren an Aktualität und Relevanz, Konsumgüter verschleißen, nutzen sich ab, gehen kaputt. Selbst der eigene Körper – gehegt, gepflegt und manchmal sogar unendlich gedrillt – stellt sich am Ende als vergängliche Hülle heraus, die unser Sein lediglich begrenzt umfasst hat.

Wer kann es uns vor diesem Hintergrund also verdenken, dass wir stets Erfüllung suchen, nach Glück und Zufriedenheit streben, uns messen, vergleichen und darüber bisweilen an unseren eigenen Ansprüchen scheitern. Zumindest, solange noch Zeit dafür ist. Im verzweifelten Bemühen, der Endlichkeit zu entkommen, werden wir zu Klammeraffen: Unfähig, das Gestrige als unabänderlich zu akzeptieren, das Zukünftige mit offenen Armen und offenem Geist zu empfangen und wenigstens für einen Moment im Hier und Jetzt anzukommen. Zulassen bzw. Loslassen fällt schwer. Innerlich und äußerlich.

Das Leben ist jetzt
Dabei gibt es im Grunde keinen anderen Moment als den gegenwärtigen. Wer ihn wenigstens für ein paar Sekunden bewusst erleben will, tut gut daran, sich einmal nur auf den eigenen Atem zu konzentrieren. Doch bringt uns das wirklich in die Gegenwart? Und falls ja: Haben wir dann nicht oftmals an ihr etwas auszusetzen? Die Dokumentation Stopping. Wie man die Welt anhält geht dieser und vielen anderen Fragen nach. Sie begleitet vier Menschen bei ihrem Versuch, sich (wieder) mehr auf das Elementare und den Rückzug auf sich selbst zu konzentrieren. Doch was ist das eigentlich, das Elementare? Welche Dinge uns glücklich machen sollen, sagt die Gesellschaft. Und das sind meistens die falschen, heißt es sinngemäß in einer Sequenz der Doku, die Ruhm, Erfolg und Geld als alleinigen Maßstab für ein erfülltes Leben nicht gelten lassen mag.

Uta möchte in ihrer persönlichen Entwicklung ausgeglichener werden

Was ich habe, was ich bin, ja selbst, welche sozialen Kleider ich trage – all das streift der Kinofilm aus dem Jahr 2015 im Laufe von 90 Minuten ab und mit ihm auch seine Protagonisten: Friedrich, der Anästhesist aus Berlin, Dorothea, die Lektorin aus London, Uta, die Mutter dreier Kinder, und Nico, der Theologe. Vier unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichem Alltag, doch mit einer Gemeinsamkeit: Dem Abschied von Illusionen, die sie sich bislang von ihrem Leben gemacht haben, dem Abschied von permanenter Hektik, von Stress, Leistungsdruck, Perfektion und andauernder Verfügbarkeit. Sie alle suchen die Stille und Ruhe der Meditation, um in ihrem Leben besser gewappnet zu sein.

Auch Theologe Nico ist einer der vier Protagonisten der Doku. Er möchte sein Leben sinnbringend gestalten

Stopping begleitet diese Menschen und lässt den Zuschauer sehr nahe an sie herankommen bei ihrem ehrlichen Wunsch, den unruhigen Geist in den Griff zu bekommen und den Kritiker im Ich abzuschwächen. Ohne Wertung stellen Regisseur Bernhard Koch sowie Co-Autor und Cutter Nils Landmark verschiedene Arten der Meditation sowie deren berühmte Lehrerinnen und Lehrer vor. Vipassana, anthroposophische Meditation, Diamantweg, MBSR und Zen stehen in STOPPING gleichberechtigt nebeneinander, im Vertrauen darauf, daß die Zuschauer selbst für sich entscheiden können, was zu ihnen passt, so Koch. Hektische Szenen wechseln sich mit ruhigen Kameraeinstellungen und – im positiven Sinne – manchmal semiprofessionell wirkenden Aufnahmen ab, was eine authentische Nähe zu den Portraitierten schafft. Hier geht es nicht um menschliche Extremsituationen, wohl aber um den alltäglichen Wahnsinn, der dem Großteil der Zuschauer vertraut sein dürfte. Das schafft zahlreiche Identifikationsflächen, fernab vom Yoga-Zeitschriften-Werbungsklischee.

Pater Anselm Grün ist spiritueller Berater und geistlicher Begleiter

Eine besondere Stärke der DVD-Ausgabe aus dem Jahr 2016 liegt in dem mehr als 90-minütigem Bonusmaterial. Ungekürzte Interviews mit sämtlichen „meditativen Lehrmeistern“ des Hauptfilms eröffnen zahlreiche wertvolle Denkweisen zum einfachen Leben, die einen auf dem Weg zu einem minimalistischen Alltag aktiv unterstützen können. Besonders berührt bzw. angesprochen haben mich dabei die Gedankengänge von Pater Anselm Grün (Benediktinerpater), Fred von Allmen (Erkenntnis-Mediation) und von Dr. Vladimir Bostanov (achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie der Depression).

Stopping beleuchtet u.a. die Anthroposophische Meditation

Für Anselm Grün stehen etliche Menschen zu sehr unter dem Druck, wie sie sein müssten, sowie unter der Erwartungshaltung der anderen, aber nicht in Beziehung zu sich selbst und den Dingen. Grün plädiert dafür, sich durch Meditation wieder mehr zu spüren und einfach nur zu sein – fernab von Konsum und Lärm. Denn die Befriedigung durch materielle Güter ist meistens nur von kurzer Dauer, weshalb wir im Umkehrschluss immer mehr brauchen. Die Erfüllung liege vielmehr, dafür macht sich ebenfalls von Allmen stark, im „Nicht-Haben-Wollen“, weil Anhaftungen jeglicher Art zu einem Gefühl der Unzufriedenheit führen. Die Krux unseres Lebens liegt am Ende in seiner Vergänglichkeit. Alles ist im Fluss, Wandel und Unstetigkeit sind dem Dasein quasi systemimmanent.

Das Leben schreitet unaufhaltsam voran. Je mehr wir anhaften, desto mehr leiden wir

Die Einsicht über die Vergänglichkeit der Dinge macht einen frei und hilft Anhaftungen zu vermeiden, ergänzt Bostanov. Was Leiden schafft, ist der verzweifelte Versuch, jemanden und etwas festzuhalten zu wollen. Meditation kann ein Weg sein, um mit dieser tiefen inneren Weisheit und mit Minimalismus in Berührung zu kommen. Und aus dem Hamsterrad des Lebens wenigstens zeitweise auszusteigen.

Meditiert Ihr? Oder wollt Ihr damit anfangen? Und falls ja: Wie hat sich Euer Leben dadurch verändert bzw. was ist Eure Motivation? Verratet es uns und gewinnt eine von zwei DVDs des Dokumentarfilms Stopping. Jeder Beitrag samt E-Mail-Adresse (auf dem Blog nicht öffentlich sichtbar!) oder unter dem entsprechenden Facebook-Beitrag wandert in den Lostopf. Teilnahmeschluss ist der 22. Dezember 2017. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Umtausch oder Barauszahlung des Gewinns sind nicht möglich. Teilnahmeberechtigt sind Personen ab 18 Jahren. Viel Glück!

Alle Zitatesoweit nicht anders angegeben – stammen aus dem Booklet der DVD-Ausgabe. Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von spurenpfadefilme.de.

Stopping. Wie man die Welt anhält
Wege zur Meditation

Regie: Bernhard Koch
Sprache: Deutsch
Verleih: Spuren_Pfade_Filme
Kinostart: 2015
Länge: 90 Minuten plus 90 Minuten Bonusmaterial

Mehr Infos unter  stoppingthefilm.com

 

Für das PR-Sample sowie für die beiden Verlosungsexemplare bedanken wir uns bei Spuren_Pfade_Filme.

13 Kommentare

  1. Annika sagt

    Durch yoga kam ich zur meditation und seit ca einem Jahr meditiere ich mal regelmäßiger mal unregelmäßiger. Meditieren hilft mir den Stress von außen als auch von innen besser loszulassen und bei mir anzukommen. Nach der meditation bin ich klarer und verfüge über mehr innerliche ruhe. Gedanken, Geist und Körper sind im Einklang, ich bin bei mir und kann mich auf das Abenteuer Leben einlassen und es annehmen.

  2. Frank sagt

    Wie immer ein wunderbarer Text, ihr schreibt wirklich toll! Ich fand durch den Tinnitus zur Meditation und von dort zum Buddhismus. All die Lehren aus dem Text finden sich dort wieder, denn alles Unheil entsteht aus Gier, Hass und dem Nichtwissen (dass alles Leben in Wahrheit eins ist).
    Wer die wahre Natur der Realität nicht durchschaut, haftet an Dingen und Menschen an, will sie erobern und besitzen, beschützen und erhalten, unwissend, dass absolut alles der Vergänglichkeit unterworfen ist.
    Dieses Wissen hat mich sehr viel entspannter werden lassen. Statussymbole sind mir unwichtig geworden, ebenso Dinge wie Karriere oder ein möglichst hohes Gehalt. Ich strebe nicht nach Besitz, weil ich mir bewusst bin, dass jeder Besitz seinen Tribut fordert (Eigentum verpflichtet!) und letzten Endes kein wahres Glück verspricht, sondern immer nur ein Glücks-Strohfeuer ist. Und so hetzten die meisten von Strohfeuer zu Strohfeuer – genau das mache ich nicht mehr.

  3. Annett Messer sagt

    Ich habe es immer wieder versucht, bin aber nie dran geblieben. Und letzte Woche bringt mein 5jähriger Sohn aus dem Kindergarten eine Murmel-Meditation mit… Immer, wenn ihn eine Situation daheim stresst, bittet er mich, sie vorzulesen und verkriecht sich mit seiner Murmel unter die Kuscheldecke. Faszinierend… Wenn er das schafft, sollte ich das auch wieder probieren. Schönen 3. Advent Euch allen.

  4. Ich finde Meditation ein sehr interessantes und wichtiges Thema. Leider bin ich noch nicht so routiniert in meinem Ablauf.
    Für mich ist auch bewusstes atmen und gehen (gerne im Wald und barfuß) und sich dabei an der Schönheit der Natur erfreuen sehr wichtig.
    Ich würde mich sehr über den Gewinn freuen, damit kann ich noch tiefer in die Materie eintauchen und meinen stressgeplagten Freunden davon berichten.
    Allen wünsche ich einen schönen 3. Advent

  5. Petra sagt

    Seit langem weiß ich, dass in der Meditation ein großer Schatz verborgen liegt. Ich komme nur nicht rein. Ich schaffe es nicht, obwohl das Thema Meditation mich ständig umrennt. Hm…

  6. Tanja sagt

    Ich würde gern meditieren, aber es bleibt beim Konjunktiv. Der Alltagsstress macht sich breit, fordert Raum und dabei weiß ich doch, wie gut es tut, die Augen zu schließen und ganz bei mir zu sein. Aber was ist mit den geliebten Menschen? Dann habe ich doch weniger Zeit für sie. Die Krux des Alltags fasst das sehr gut zusammen…ich wünsche mir mehr Zeit für die wundervollen Dinge, Waldspaziergänge und lange Gespräche mit geliebten Menschen. Vielleicht bietet die DVD einen Schubs dafür bewusst Zeit zu nehmen. Allein der Gedanke hat mich schon wieder inspiriert. Danke dafür

  7. Alexandra sagt

    Ich meditiere schon recht lange und ich kann es nur empfehlen. Ich bin seitdem viel viel ruhiger und ausgeglichener geworden. Klar gibt es Situationen da ist es schwierig, aber ohne würde ich wahrscheinlich noch unruhiger und mich deutlich langsamer wieder sammeln und was ich persönlich beobachten konnte, wenn ich unzufrieden bin oder mich nicht wohl fühle kompensiere ich das nicht mehr mit Konsum sondern reflektiere viel besser und meditiere dann. Total genial. Ich bin voll begeistert.

  8. Bernd sagt

    Die Meditation beinhaltet das Anhalten des Alltags, die Reduktion aufs Wesentliche. Materielles wird unwichtig. Wer sich mit lieben Menschen umgibt, in die Natur geht und den Werbeaufrufen der Industrie und auch dem Mainstream trotzt, kann gut bei sich ankommen und erkennen, was für einen selbst lebenswert ist – und auch zu einem gesunden, nachhaltigen, achtsamen und auch ethischen Leben gelangen. Öfter auch mal die Zeitung liegen lassen, den Fernseher auslassen und auch die „Macher“ der Politik als arme Wesen bedauern… 😉

  9. nadine sagt

    Danke für den wertvollen Hinweis! Ich bin schon öfters mit Achtsamkeitstechniken in Berührung gekommen, möchte das Thema aber sehr gerne im nächsten Jahr stärker aufgreifen… Meditation wird dabei auch ein Weg sein. Viele Grüße

  10. Ihr Lieben,

    herzlichen Dank für Eure zahlreichen Kommentare und den interessanten Alltag in Eure Meditations-Praxis. Das hat uns sehr berührt und war spannend zu lesen.

    Wir haben soeben zwei Gewinner gezogen:
    Also schaut schnell in Euren E-Mail-Account.

    Bitte seid nicht traurig, wenn Ihr dieses Mal nicht dabei wart – wir werden auch weiterhin immer wieder Gewinnspielaktionen rund um die Themen Minimalismus sowie achtsames und bewusstes Leben veranstalten.

    Schöne Weihnachten
    Eure M21

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert