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Rente mit 40? Frugalismus als Lebensmodell

Michael lebt schon immer relativ sparsam und minimalistisch. Deshalb stand ihm sogar zu Studentenzeiten trotz wenig Arbeit stets ausreichend Geld zur Verfügung. Im Laufe der Jahre hat er sich dennoch gefragt, warum Menschen mit dem Drei- oder Vierfachen seines Einkommens oft Geldprobleme aufweisen. Schließlich traf er vor Jahren einen englischen Aussteiger in Indien. Nach eigenen Aussagen hatte dieser sich 200.000 Euro erwirtschaftet, dann aber das Berufsleben nicht mehr ausgehalten. „Er rechnete mir vor, wie lange er mit diesem Betrag in Indien leben könnte. Aber auch seine Geldquelle war endlich“, erinnert sich der Münchner. „Durch Zufall bin ich vor einiger Zeit auf die Szene der Frugalisten gestoßen. Frugalisten leben einen bescheidenen Lebensstil und versuchen, einen Großteil ihres Einkommens zu sparen, um nach einiger Zeit von den Zinserträgen des angelegten Kapitals leben zu können.“ Dem Enddreißiger leuchtete dieses Lebensmodell schnell ein, umso mehr, da er selbst nicht sonderlich viel Wert auf Luxus legt und bescheiden lebt. „Macht man sich von übermäßigem Konsum frei, muss man auch wenig für den wenigen Konsum arbeiten. Oder man legt eben das gesparte Geld an“, so sein Fazit.

Mit Weniger zum Mehr: Faszination Frugalismus
Als Verzicht oder Verlust empfindet der Geograph den Frugalismus allerdings nicht. Seine These: „Jemand, der von Grund auf ein minimalistisches Leben führt, muss sich ja überhaupt nicht einschränken, um einen Großteil seines Einkommens zu sparen. Man schlägt quasi zwei Fliegen mit einer Klappe, was positive (nachhaltige) Auswirkungen hat: Du musst für weniger Konsum weniger arbeiten. Es muss weniger produziert und folgerichtig weniger weggeschmissen werden, weniger Energie und Rohstoffe werden verbraucht, weniger Müll entsteht. Du hast mehr Zeit, weil Du ja weniger arbeiten musst.“ Die Liste ließe sich ewig verlängern.

Das wohl bekannteste deutsche Forum zum Thema „Frugalismus“ betreibt der 30-jährige Oliver Noeltig aus Hannover, der bereits in zahlreichen deutschsprachigen Medien zu Wort gekommen ist, u.a. zu den Punkten „Antikonsumerismus“, finanzielle Freiheit, Geldanlage sowie passives Einkommen. Ihm und vielen anderen Frugalistinnen und Frugalisten hat Michael Gehör geschenkt und die besten 100 Tipps aus zahlreichen Gesprächen in einem rund 80-seitigen E-Book versammelt. Ein Interviewpartner: die amerikanischen Segellegende Cap‘n Fatty Goodlander, der seit über 50 Jahren über die Weltmeere segelt und ein abenteuerliches Leben mit wenig Geld führt. „Wie geht das?“, fragte sich der Autor. „Welche Einstellung hat so jemand zu Geld und Eigentum?“.

Erste Antworten auf diese Fragen liefert Frugalist Noelting. Minimalismus21 bedankt sich bei Michael Robert, der uns einen Auszug aus seinem Interview mit Oliver zur Veröffentlichung auf dem Blog zur Verfügung gestellt hat. Das ganze Gespräch gibt es natürlich im Buch.

Lieber Oliver, Du betreibst den wohl bekanntesten deutschsprachigen Blog zum Thema „Frugalismus“. Wie kam es dazu?
Vom US-amerikanischen Vorbild der Frugalisten, der FIRE-Bewegung, hörte ich 2013 zum ersten Mal. FIRE steht für Financial Independence, Retire Early, was auf Deutsch so viel heißt wie Finanzielle Unabhängigkeit und frühe Rente. Alles fing damit an, dass ein Bekannter mir von Mr. Money Mustache erzählte – dem bekanntesten Blogger dieser Szene. Der hatte nur neun Jahre in seinem Job gearbeitet und von seinem Einkommen so viel gespart, dass er bereits mit 30 ausgesorgt hatte. Auf seinem Blog erklärt er, warum das amerikanische Lebensmodell aus Arbeit und Konsum nicht zum Glücklichsein taugt und wie man mit deutlich geringeren Ausgaben zufriedener und erfüllter leben kann. Wenn man dazu noch einigermaßen verdient, kann man auf diese Weise leicht genug sparen, um schon mit 30 oder 40 nicht mehr für Geld arbeiten zu müssen.

Der Blog und die Ideen dahinter begeisterten mich sofort. Ich fing an, das Standard-Lebensmodell aus Arbeit und Konsum zu hinterfragen, bewusster zu leben und meine Ausgaben in einem Haushaltsbuch zu notieren. Außerdem las ich einige Bücher und Blogs über Geldanlage und Aktien. Ich wollte lernen, wie ich mein Geld erfolgreich anlegen konnte. Als ich zwei Jahre später meinen ersten Job als Softwareentwickler antrat, konnte ich so ohne Schwierigkeiten direkt 70% meines Einkommens sparen und investieren.

Screenshot der Webseite Frugalisten. Reicher leben

Schon von Anfang an fand ich es schade, dass die FIRE-Bewegung in Deutschland kaum bekannt war. In den USA gibt es zahlreiche Blogs und Bücher zu diesem Thema. Blogger wie Mr. Money Mustache haben zehntausende Follower. In vielen Städten finden regelmäßige FIRE- Meetups statt, auf denen sich Gleichgesinnte austauschen. Darum startete ich Ende 2015 – damals war ich gerade 27 – meinen eigenen Blog frugalisten.de. Meine Idee war, die FIRE-Philosophie nach Deutschland zu bringen und mit Leuten in Kontakt zu kommen, die ähnlich dachten wie ich. Auf meinem Blog schreibe ich über Lebenskunst, Sparstrategien und wie man sein Geld sinnvoll anlegt. Außerdem veröffentliche ich regelmäßig meine genauen Einnahmen und Ausgaben. Ich selbst habe das Ziel, mit 40 ausgesorgt zu haben, und dokumentiere auf dem Blog meinen Weg zu diesem Ziel.

Wie hat Dich die Erkenntnis, dass man ja gar nicht bis „zur Rente“ arbeiten muss, verändert?
Als ich von FIRE erfuhr, befand ich mich gerade am Ende meines Studiums. Sobald ich meinen Abschluss in der Tasche hätte, dachte ich, werde ich 40 Jahre lang acht Stunden täglich in einem Büro sitzen und arbeiten müssen. Damit das leichter erträglich ist, würde ich mir vermutlich ein schönes Auto kaufen und mich am Wochenende mit Restaurant-Besuchen oder Shopping-Ausflügen belohnen. Irgendwie enttäuschte mich diese Vorstellung aber. Soll das alles gewesen sein? Hat das Leben nicht mehr zu bieten? Eigentlich wollte ich noch andere Dinge machen als nur in einem Job zu arbeiten und am Wochenende das verdiente Geld wieder auszugeben. Skateboard fahren, Zeit mit meiner Freundin verbringen, bloggen, eigene Projekte verfolgen, Freunde treffen. Die Dinge eben, für die ich als Student noch jede Menge Zeit hatte.

Nachdem ich Mr. Money Mustache entdeckte, begriff ich, dass ich gar nicht bis 67 arbeiten muss und dass ich mit meiner Lebenszeit mehr anfangen kann, als sie im Job zu verbringen. Und dass das schöne Auto und ständiges „Belohnen“ am Wochenende mein Leben nicht wirklich bereichern, sondern eher dafür sorgen, dass ich umso länger und härter arbeiten muss.

Beschreibe doch kurz Deinen Lebensstil. Ist es nicht manchmal frustrierend zu sehen, wie andere tolle Fernreisen machen oder ein schickes Auto fahren und man selbst fährt „nur“ mit dem Zug zum Campen?
Mein oberstes Ziel ist es, ein möglichst zufriedenes und erfülltes Leben zu leben: Ein gesundes soziales Umfeld zu haben, einen verlässlichen Partner, gute Freunde, mit denen ich etwas unternehmen kann. Regelmäßig Sport zu treiben und in der freien Natur unterwegs zu sein. Einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen. Herausforderungen zu suchen und ständig Neues dazuzulernen. Über meine Zeit frei verfügen zu können. Das sind die Dinge, die – wissenschaftlich sogar erwiesen – für ein gutes Leben wichtig sind.

Das E-Book „100 Tipps für Frugalisten“ ist für 2,99 Euro bei Amazon erhältlich

Ich weiß also genau, dass die anderen Menschen nicht glücklicher sind, weil sie schicke Autos haben und im 4-Sterne-Ressort Urlaub machen. Im Gegenteil denke ich sogar, dass ich ein spannenderes und erfüllteres Leben führe, weil ich mich eher auf die gerade genannten Dinge fokussiere, statt auf Bequemlichkeit und Konsum. Ich versuche, mit Absicht Herausforderungen zu suchen und nicht immer den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Auf diese Weise entwickele ich mich weiter, werde unabhängiger und lerne Neues dazu. Ich nehme mit Absicht lieber das Fahrrad, anstatt mit dem Auto zu fahren. Wenn etwas kaputt geht, versuche ich es selbst zu reparieren. Ich mache auch meine Steuererklärung selbst oder stelle meine eigene Seife her. Auf diese Weise ist das Leben viel abwechslungsreicher und man entwickelt sich vom passiven, abhängigen Verbraucher zu einem aktiven, selbstbestimmten Lebenskünstler. Das Geldsparen ist dabei fast schon ein Nebeneffekt.

Letzten Endes ist für ein gutes Leben auch entscheidend, mit dem zufrieden sein zu können, was man hat. Unser Umfeld und die Werbung versuchen uns immer einzureden, dass uns immer noch irgendetwas für das perfekte Glück fehlt. Die Haarkur mit der neuen Power-Formel, die Thailand-Reise, die neue Surround-Anlage. Dabei sind Glück und Zufriedenheit eher eine innere Einstellung, die man mit Produkten oder Dienstleistungen schwer kaufen kann. Am Ende ist vermutlich derjenige am Glücklichsten, der sich entspannt zurücklehnen und sagen kann: „Mir ist das alles egal. Ich habe schon alles, was ich brauche, und genieße einfach das Leben.“

Muss man grundsätzlich ein bescheidener und sparsamer Mensch sein, um als Frugalist glücklich zu werden?
Auf jeden Fall sollte man nicht das Gefühl haben, auf etwas zu verzichten, was man eigentlich gerne hätte. Man sollte sich nicht zwingen müssen, Geld zu sparen, sondern es sollte sich ganz leicht und natürlich anfühlen – aus der inneren Einstellung heraus. Das klappt wahrscheinlich am besten, wenn man von Natur aus schon ein genügsamer Mensch ist. Andernfalls muss man eben bereit sein, sich weiterzuentwickeln und mehr Bescheidenheit und Achtsamkeit zu entwickeln. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass das positive Eigenschaften sind, die einem ermöglichen, das Leben viel mehr auszukosten und glücklicher und freier zu leben.

Über den Autor
Michael Robert ist 38 Jahre alt und arbeitet derzeit als Geograph sowie immer wieder auch als Führer von Outdoor-Veranstaltungen in den Alpen. Das Buch „100 Tipps für Frugalisten“ ist sein erstes Buch, ein zweites – reines – Interviewbuch zum Thema ist aber schon im Entstehen. Über seinen frugalistischen Lebensstil sagt er: „Ich lebe ja im Prinzip schon fast immer als Frugalist. Nur hatte das früher keinen Namen. Von daher hat sich diesbezüglich nichts verändert, im Gegenteil: Ich konnte mich bis jetzt ziemlich aus dem Hamsterrad aus Arbeit, Konsum, Schlafen heraushalten.“

#MoreMoments 13: Herr August und Kollegen

Als ich aufgewachsen bin, war Ehrenamt in meinem Elternhaus kein sperriger Begriff, sondern etwas, das gelebt wurde. Mein Vater engagiert sich seit Jahrzehnten beim örtlichen Gartenbauverein, während meine Mutter zusammen mit einer Freundin im benachbarten Kindergarten eine Bücherei gegründet hat. Zwar bin ich selbst schon seit Ewigkeiten Mitglied in selbigem Gartenbauverein und in den Semesterferien habe ich immer gern in der Kindergartenbücherei ausgeholfen, doch seit ich von Zuhause ausgezogen bin, war das Ehrenamt nichts mehr, über das ich mir Gedanken gemacht habe.

Volkslieder und Evergreens ertönen im Altenheim

Bis zum Winter 2016 – da fragte mich mein Gitarrenlehrer, ob ich Lust hätte, bei einem Projekt mitzuwirken. Er sei durch Zufall dazugekommen und da ich so gern sänge, sei es vielleicht genau das Richtige für mich. Eine Handvoll Musiker habe sich zusammengetan und trete mit Volksliedern und Evergreens in Altenheimen auf. Das klang interessant, zudem passte das Timing gut: Bis kurz zuvor hatte ich in einem Gospelchor gesungen, doch als sich die Probezeiten änderten, konnte ich nicht mehr teilnehmen. Mein Gitarrenlehrer nannte mir einen Kontakt und wenig später, im Januar 2017, trat ich das erste Mal mit „Hr. August & Kollegen“ auf.

Jung und Alt kommen beim Musizieren zusammen

In den vergangenen 20 Jahren habe ich mit verschiedenen Chören auf unterschiedlich großen Bühnen gestanden – und doch war dieser Auftritt eine ganz neue Erfahrung. Denn während ein Chor unterhalten, begeistern oder brillieren will, geht es bei unserem Gesangsprojekt darum, Inseln zu schaffen, zu motivieren, eine Pause vom Alltag zu geben. Und auch das Publikum unterscheidet sich von den Zuhörern, vor denen ich bis dahin aufgetreten war: In den Altenheimen singen wir ausschließlich für Demenzkranke. Wobei das noch nicht ganz stimmt: Wir singen weniger für die Heimbewohner, sondern vor allem mit ihnen.

Musik und Gesang erreichen die Herzen der Demenzkranken

Die magische Kraft der Musik
Dieser erste Auftritt machte mir zwei Dinge bewusst: Musik hat einen besonderen Effekt auf Demente, sie können sich oftmals an Lieder aus ihrer Vergangenheit erinnern und erlangen dadurch ein Stück Selbstvertrauen, auch wenn die Krankheit bereits weit vorangeschritten ist. Davon hatte ich zwar schon gehört, doch diese Wirkung selbst zu sehen, war äußerst ergreifend. Zudem dämmerte mir, wie wenig ich über die Lebenswirklichkeit in Altenheimen wusste. Keiner meiner Angehörigen lebt derzeit in einem Seniorenheim, sodass ich mich bis dahin nicht mit diesen Einrichtungen beschäftigen musste. Und deshalb überraschte es mich sehr, wie viel Freude wir zu den Bewohnern bringen konnten, indem wir mit ihnen sangen.

Musik verbindet – egal, in welchem Alter

Nach meinem ersten Auftritt mit „Hr. August & Kollegen“ war ich gleichermaßen beschwingt als auch erschüttert. Ich hatte von Demenzkranken gehört und gelesen, aber zu sehen, was die Krankheit mit dem Menschen macht, ließ mich nicht kalt. Gleichzeitig faszinierte mich, welche Wirkung unsere Lieder auf das Publikum hatte. Manche Bewohner hatten uns anfangs höflich angelächelt, andere wirkten in sich gekehrt oder gar lethargisch. Immer mehr Blicke wandten sich uns zu, sobald die ersten Töne von Geige, Akkordeon und Gitarre erklangen. Je länger wir musizierten und gemeinsam sangen, desto lebhafter wurde das Publikum. Am Ende forderten Heimbewohner und Pflegekräfte zusammen lautstark eine Zugabe.

Ein weiterer Unterschied zum klassischen Chorkonzert: Dort war ich zwar nach dem Auftritt stets geschafft und glücklich, aber niemals so erfüllt wie am Ende dieses ersten Nachmittags mit Hr. August. Dieses Gefühl der Erfüllung ist einer der Gründe, weshalb ich mit solcher Leidenschaft an diesem Projekt mitwirke. Denn obwohl wir Musiker diejenigen sind, die beim Auftritt anderen helfen und etwas geben möchten, nehmen wir doch jedes Mal so viel mit. Die Freude und Dankbarkeit, die uns von allen Seiten entgegenschlägt, ist wie eine warme Dusche für Seele und Herz. Jeder Auftritt entlässt mich mit dem Gefühl, nicht nur etwas Gutes, sondern auch das Richtige zu tun.

Herr August & Kollegen bei der „Arbeit“

Wer ist eigentlich dieser Herr August?
Entstanden ist die Gruppe vor ein paar Jahren, als einige Studenten beschlossen, in Altenheimen zu musizieren. Sie waren alle in verschiedenen Städten verstreut und je nachdem, wo sie sich trafen, fragen sie im örtlichen Heim an, ob sie dort mit den Bewohnern singen dürften. In einem der Altenheime fanden sie die Inspiration für ihren eigenen Gruppennamen: Dort trat eine andere Gesangstruppe namens „Hr. Kramer & Kollegen“ auf. Doch keiner der Studenten wollte seinen eigenen Nachnamen einfügen, bis einer von ihnen eine Idee hatte: Er las gerade den Roman „Der alte König in seinem Exil“ von Arno Geiger. Der Autor beschreibt darin, wie sein Vater August an Alzheimer erkrankt und die beiden im Verlauf der Krankheit noch einmal neu Freundschaft schließen. Kurzerhand liehen sich die Studenten den Vornamen des Protagonisten: Hr. August & Kollegen war geboren. Leider schlief das Projekt einige Zeit später ein, doch im Winter 2016 wurde es schließlich neu belebt.

Ein Teil der 20-köpfigen Musik-Truppe

Seither sind wir eine stetig wachsende Gruppe von derzeit rund 20 Personen aller Altersgruppen, die gern singen und musizieren. Nicht alle sind bei jedem Auftritt dabei, denn manche halten das Projekt im Hintergrund am Laufen: Sie kümmern sich um Organisatorisches, stehen in Kontakt mit den Ansprechpartnern der Heime und erstellen die unersetzlichen Doodle-Listen, ohne die wir uns sonst niemals auf einen Termin einigen könnten. Meistens sind wir etwa acht Leute, wenn wir zweimal pro Monat in zwei Münchner Pflegeheimen auftreten. Neben den Sängern ist auch immer jemand dabei, der ein Leitinstrument wie Gitarre oder Akkordeon spielt, auch eine oder zwei Geigen sind regelmäßig mit von der Partie.

Bevor es losgeht, verteilen wir Notenmappen, Schellenkränze und Egg-Shaker im Publikum, denn wer einigermaßen fit ist, macht begeistert mit. Unser Repertoire umfasst Volkslieder, Schlager und Evergreens – Melodien, die Bewohnern aus ihrer Jugend kennen. Gemeinsam singen wir „Das Wandern ist des Müllers Lust“, „Die Gedanken sind frei“ oder „Rote Lippen soll man küssen“. Mein persönlicher Favorit: „Mein kleiner grüner Kaktus“, denn da singen alle immer voller Begeisterung mit und amüsieren sich über den kleinen Kaktus aus Filz, den ich extra für diese Nummer besorgt habe – schließlich haben wir keine Kosten und Mühen gescheut, um das besungene Original vorzeigen zu können. 😉

Mit „Mein kleiner grüner Kaktus“ begeisterten seinerzeit schon die Comedian Harmonists die Zuhörer

„Wann kommen Sie denn wieder zu uns?“
Vor jedem Auftritt bin ich gespannt, was uns erwarten wird. Das Publikum ist immer recht gemischt: Manche sitzen mit abwesender Miene auf ihren Stühlen, andere beginnen direkt ein Gespräch mit uns, jemand winkt uns begeistert zu. Einige werden von einem Angehörigen begleitet, ein paar sitzen im Rollstuhl, manchmal steht sogar ein Bett im Raum. Während wir singen, dirigiert eine Dame bei jedem Lied mit, während sich ihre Sitznachbarin über die ausladenden Gesten beschwert. Es ist kein leises Publikum, sondern ein aktives: Als wir einmal bei einem Lied eine Strophe vergessen, werden wir direkt darauf hingewiesen. Und neulich haben uns alle zusammen gezeigt, wie das Lied „Mein Hut, der hat drei Ecken“ zu einer echten Herausforderung werden kann – indem man nacheinander einfach fast alle Wörter nicht mehr singt, sondern durch die entsprechenden Gesten ersetzt. Das Gelächter war groß, wenn wieder einer der „Augusten“ lauthals das Wort sang, das wir neu ersetzt hatten. Nach vierzig Minuten enden wir mit einer Zugabe, die sich die Bewohner aussuchen dürfen, und werden im Anschluss jedes Mal gefragt, wann wir denn wiederkommen. Hinterher seien die Bewohner viel ruhiger, heiter und beschwingt, haben uns die Pflegekräfte beider Einrichtungen berichtet. Man könne den Effekt jedes Mal deutlich spüren.

Der besungene Kaktus

Einen besonders emotionalen Moment habe ich bei einem Auftritt im vergangenen Advent erlebt: Wir hatten uns Repertoire angepasst und sangen an diesem Samstag nur Weihnachtslieder. „Alle Jahre wieder“, „Leise rieselt der Schnee“, aber auch „Rudolph, the Red-Nosed Reindeer“ schallte durch den weihnachtlich geschmückten Raum, die Stimmung war feierlich. Zum Abschluss sangen wir natürlich „Stille Nacht, heilige Nacht“ – währenddessen kullerte bei so manchem eine Träne über die Wange und Taschentücher wurden gezückt. Wir hatten uns für dieses Lied alle die Hände gereicht, neben mir saß eine Frau im Rollstuhl, die zwar nicht mitsang, mich aber unentwegt anlächelte und meine Hand fest drückte. Doch als wir zuletzt noch einmal die erste Strophe wiederholten, sang sie aus voller Kehle mit, auch wenn ihr manche Worte Schwierigkeiten bereiteten. Da war ich diejenige, die zum Taschentuch greifen musste.

Über die Autorin
Stefanie Biberger lebt in München und arbeitet als Redakteurin in einer PR-Agentur. Musik und Gesang sind seit jeher ihr Ausgleich zum stressigen Arbeitsalltag – entweder indem sie zu Hause an den Gitarrenseiten zupft oder aber „Hr. August & Kollegen“ mit ihrer Sopranstimme unterstützt. Für ihr Engagement um das karitative Gesangsprojekt wurde sie im Frühjahr mit dem Burda Mitarbeiter-Ehrenamtspreis 2018 ausgezeichnet.
Wer nun neugierig geworden ist und auch aktiv werden möchte, darf sich gern bei uns melden: AugustundKollegen@gmx.de.
Wir freuen uns über neue Mitstreiter!

Alle Abbildungen © Sabrina Raschpichler (www.sabrinaverte.com)

More Moments.
Du willst anderen Menschen zeigen, was Dein Leben erfüllt, was Dich wirklich glücklich macht und bereichert? Du „sammelst“ lieber schöne Momente als Dinge und verbringst Zeit mit etwas Wertvollerem als mit compulsory consumption? Dann melde Dich bei uns und erzähle Deine (Minimalismus-)Geschichte. Wir freuen uns auf Dich.

#MoreMoments. Was wirklich wertvoll ist im Leben. Die aktuelle Blogserie auf Minimalismus21. Alle (vorherigen) Teile der Serie findet ihr unter dem Suchbegriff #MoreMoments rechts oben (Lupe) und natürlich bei Twitter. Zu Teil 1 und Teil 2 sowie zu Teil 3, Teil 4, Teil 5 und Teil 6, Teil 7 sowie Teil 8, Teil 9 Teil 10 und Teil 11 und Teil 12.

Capsule Wardrobe: Projekt 333 in der Schwangerschaft

Ich interessiere mich seit über einem Jahr für Minimalismus. Obwohl ich noch lange nicht am Ziel bin, kämpfe ich mich mit Babyschritten voran – auch, weil ich viele Schritte mit meinem Mann zusammen gehen muss. Aber es haben inzwischen bereits ca. 200 Bücher meinen Haushalt verlassen, 50 CDs und DVDs, zwei Ordner Papierkram und viel Kleinkram; im Bad und sonst wo. Dadurch konnten eine Kommode, ein paar CD-Regale, eine Schreibtischaufbewahrung und ein Spiegeltisch gehen. Und es sieht (meistens) deutlich ordentlicher aus. Eine Shoppingqueen war ich zwar ohnehin nie. Aber ich behalte meine Dinge, bis sie auseinanderfallen. So sammelt sich doch einiges an. Es fiel mir stets schwer, Geschenke abzulehnen oder auszusortieren, wenn sie nicht zu mir passten. Irgendwann fühlte ich mich überwältigt: Meine Wohnung war nur noch ein Chaos und ich völlig überfordert.

Vom vollgemüllten zum bedarfsgerechten Kleiderschrank
Im Kleiderschrank habe ich natürlich auch aufgeräumt. In erster Linie haben mich abgelegte Kleidungsstücke von meiner Stiefschwester verlassen. Wir haben die gleiche Größe, aber sie trägt viel Polyester (kann ich nicht leiden) und eng geschnittene Kleidung, an der ich ständig „rumzuppeln“ muss. Lustigerweise durften dann eher zehn Jahre alte Pullis bei mir bleiben, die abgetragen aussehen, die ich aber liebe. Grundsätzlich dachte ich immer, dass ich nun wirklich keine Capsule Wardrobe brauche. Ich trage viel zu gerne bunt und liebe meine Kleidungsstücke. Gerade die schönen Sommerkleider, die nur wenige Monate zum Einsatz kommen, dafür aber alle bereits mehrere Jahre alt sind. Dennoch hatte ich immer das Gefühl, dass mir Einzelteile fehlen. Ich habe mir zwei neue, blaue Jeans gekauft, weil die alten durchgescheuert waren. Kurze Zeit später merkte ich, dass ich eigentlich dringend eine schwarze Hose brauchte, allein aus Kombinationsgründen. Ich habe noch genug langärmlige Oberteile (fast alle abgelegt von meiner Stiefschwester), aber die sind für meinen Geschmack zu kurz. Ernsthaft: Wieso schneidern die Marken Winterkleidung bauchfrei? Neu kaufen will ich nicht. Im Grunde habe ich ja „genug“. Mein Kleiderschrank ist also größtenteils nicht bedarfsgerecht.

Capsule Wardrobe: Janines Kleiderschrank nach dem Ausmisten

Warum gerade jetzt? Schwanger!
Während der Schwangerschaft fasste ich schnell den Entschluss, mich nicht komplett für ein paar Monate neu einzukleiden. Aber einige Sachen sind dennoch dazugekommen. Ich habe mir zwei zusätzliche Gummizugröcke geliehen, unter denen ich gut dicke Strumpfhosen tragen kann (nicht in der Capsule Wardrobe, weil sie eher winterlich sind). Gebraucht gekauft habe ich mir außerdem zwei Shirts, zwei Tops, drei Leggins und einen Schwangerschaftsrock, der über den Bauch geht. Mein Kleiderschrank ist also ganz schön voll geworden. Und chaotisch. Gleichzeitig nervte es mich, dass mir ständig Sachen in die Hände kamen, die ich gar nicht mehr tragen konnte. Besonders meine Miniröcke und sehr enge Shirts passten früh nicht mehr. Warum also nicht jetzt, wo ich einen großen Teil meines Kleiderschranks ohnehin nicht nutzen konnte, das Projekt 333 – also 3 Monate lang nur 33 Kleidungsstücke – in Angriff nehmen? So hätte ich alles aus den Augen, was ich gerade nicht tragen kann, und genug Platz für die zusätzliche Kleidung. Außerdem sind viele der aktuellen Sachen bereits sehr alt und abgetragen; doch als Schwangere muss ich nicht immer top gekleidet sein. Aus verschiedenen Gründen arbeite ich überdies nicht mehr. Ich denke aber, dass man die Capsule Wardrobe für die Schwangerschaft problemlos um einiges schicker gestalten könnte (siehe Tipps).

Als im 6. Monat der Bauch langsam sichtbar wurde, war der perfekte Zeitpunkt gekommen:  Was jetzt schon sehr eng war, würde ich, bis das Baby da ist, keinesfalls mehr anziehen. Zudem stand der Frühling vor der Tür und die Wintergarderobe konnte weg.

Capsule Wardrobe! Wie bin ich es angegangen?
Erst einmal habe ich mir meine „perfekte“ Frühlings- bzw. Sommer-Capsule-Wardrobe aufgestellt. Schnell habe ich gesehen, dass überhaupt nicht so viel fehlt und ich einiges für die fortschreitende Schwangerschaft leicht umstellen und nutzen kann. Am nächsten Tag sortierte ich meinen Schrank aus: Erst einmal alles raus, was ich die nächsten Monate ohnehin vergessen kann. Ein paar Sachen habe ich nochmal anprobiert. Dann habe ich mich gefragt: Was ist im Moment besonders bequem? Werde ich das auch später tragen können? Habe ich etwas, das farblich dazu passt? Für welche Wetterlagen muss ich gerüstet sein?

Hier könnte Dein Praxistipps stehen! Schreibe uns und werde Gastautor für Minimalismus21

Ich habe schnell alles nach Kategorien zusammengestellt. Als ich fertig war, kam ich auf 35 Teile. Eigentlich zu viel. Um ehrlich zu sein, war ich selbst ein bisschen überrascht, was ich  noch tragen kann und möchte. Aber: Meine Jeans wird nicht mehr ewig passen und ich muss vier Monate auskommen statt drei; nur für den letzten Schwangerschaftsmonat mache ich keine extra Wardrobe. Leggins trage ich übrigens im Normalfall nicht „offen“. Trotzdem wollte ich sie mitzählen, weil ich es zum Schluss wohl doch machen werde. Ich bin also schon für ein paar Schwangerschaftseventualitäten gerüstet. Es soll ja auch kein Kampf sein, unbedingt auf 33 Teile zu kommen.

3 Monate mit 33 Kleidungsstücken oder: Alles, was nicht zählt

  • Einkaufstaschen wie große Rucksäcke, Beutel etc.
  • Wander-, Tanz- und Sportschuhe
  • Reine Sportkleidung (dabei auch die anderen Schwangerschaftsoberteile)
    Schlafanzüge
  • Unterwäsche und Strumpfhosen (kann ich ebenso nicht mehr alle tragen)
  • Ehering, Brille und Armbanduhr (habe ich einfach IMMER an und ohne Brille laufe ich überall dagegen)
  • Haargummis

In sieben Kategorien zur Capsule Wardrobe
1. Accessoires (obwohl ich wenig davon habe, die erste Kategorie, die ich gemacht habe):

  • 1 Kappe
  • 2 Schals /Tücher
  • 1 Handtasche (meine schicken Kleider kann ich gerade sowieso nicht tragen, also eine sportliche)
  • 1 bunter Rucksack
  • 1 Sonnenbrille
  • 1 Kette

2. Kurze Oberteile:

  • 4 einfache Shirts (eines extra für die Schwangerschaft, eines trage ich)
  • 1 schickeres Shirt, teils rückenfrei (recht eng, unklar, ob ich es bis zum Schluss tragen kann)
  • 3 Tops (das schwarze ebenfalls ein Schwangerschaftstop)

Projekt 333 oder die Oberteile aus der Capsule Wardrobe der Autorin

3. Lange Oberteile:

  • 3 Sweatshirt-Jacken
  • 1 Langarmshirt (Rest wäre bauchfrei)

4. Hosen:

  • 1 Jeans (wie gesagt, vermutlich nur mehr kurz in Gebrauch)
  • 1 dünne Gummizughose (ich liebe das Ding)
  • 3 Schwangerschaftsleggins (zwei lang, eine etwas kürzer, werden z.T. auch beim Sport getragen)

5. Kleider und Röcke:

  • 1 etwas dickeres Kleid
  • 2 bunte Röcke (einer davon der Schwangerschaftsrock)
  • 1 langer Rock, kann auch als Kleid getragen werden (dann unförmig, aber jetzt gerade egal)
  • 1 kurzes schwarzes Kleid, kann auch als Rock getragen werden (dann eher unförmig)

6. Jacken:

  • 1 Bolero
  • 1 Regenjacke
  • 1 dickere Jacke (von der Schwiegermama ausgeliehen, leider eher hässlich)

7. Schuhe:

  • 1 Paar wasserfeste Halbschuhe
  • 1 Paar Barfußschuhe
  • 1 Paar Sandalen

Aussortiert wird natürlich erst, wenn ich meine alte Figur einigermaßen wieder habe!

Was ich mir vom Experiment verspreche: Lösungen und Antworten

  1. Einen Kleiderschrank, der für mich funktioniert. Wenn ich morgens nur sehe, was ich nicht tragen kann, macht die Schwangerschaft keinen Spaß.
  2. Kann es funktionieren? Komme ich mit dem Waschen klar, wenn ich nur noch relativ wenig zur Verfügung habe? Gerade die Sweatshirt-Jacken und Röcke lüfte ich meistens eher aus und trage sie einige Tage. Aber Oberteile?
  3. Endlich ein paar Sachen „durchtragen“, besonders das Hardrock-Café-Shirt, die schwarze Sweatshirt-Jacke und die beiden normalen Tops sind extrem abgetragen. Vielleicht kann ich sie nach der Schwangerschaft endlich nicht mehr sehen und als Putzlappen entsorgen. Vielleicht trifft dieses Schicksal dann sogar Sachen, die nicht in der Capsule Wardrobe enthalten sind.
  4. Wieder mehr auf Kleidung freuen, die ich momentan nicht trage(n kann).
  5. Ermitteln, was ich wirklich brauche. Welche Farben kann ich kombinieren, ohne auf Buntes verzichten zu müssen? Welche Basics fehlen?

Tipps und Variationen
Diese Capsule Wardrobe ist natürlich extrem auf meine Bedürfnisse und meinen – eher flippigen – Stil abgestimmt. Aber ich habe mir auch Gedanken gemacht, wie man seinen Kleiderschrank für die Schwangerschaft mit wenigen Neuanschaffungen anders zusammenstellen kann.
Die Garderobe ist auf eine relativ moderate Gewichtszunahme bis ca. 15 kg abgestimmt. Ich bin jetzt im sechsten Monat und es lässt sich vorausahnen, dass ich keine richtige „Bombe“ werde. Seit der Bauch im fünften Monat weiter nach oben gewandert ist, passen meine Hosen sogar wieder besser. Ich kenne aber auch Frauen, die 30 kg und mehr zugenommen haben. Dann hilft natürlich nicht mehr viel. Trotzdem habe ich vorgesorgt. Ich rechne zwar damit, dass ich jedes Kleidungsstück bis zum Schluss noch gut in verschiedenen Kombinationen tragen kann, aber ich habe auf die Bundhöhen geachtet. Ich kombiniere längere Schwangerschaftsoberteile mit Unterteilen, die unter dem Bauch sitzen. Oder ich trage Unterteile mit hohem Bund zu regulären Oberteilen. Im Notfall fällt selbst die schwarze Leggins nicht auf, die zwischen Rock und schwarzem Shirt sichtbar wird.

Ich bin aber eher der Hosen-Typ
Ich persönlich trage im Sommer Jeans eigentlich nur zum Skaten. Das fällt aufgrund der Sturzgefahr diesen Sommer aus. Deshalb reicht eine Jeans in meiner Schwangerschafts-Capsule-Wardrobe; wenn ich aber gar nicht ohne Denim leben könnte, hätte ich statt der drei (!) Leggins vermutlich eher zwei Schwangerschaftsjeans (lang/ kurz) und nur eine Leggins gekauft.
Selbst wenn ich noch arbeiten würde, sähe meine Auswahl nicht viel anders aus. In meinem Beruf als Buchhändlerin trug ich jedes dieser Outfits bereits auf der Arbeit. Aber klar: Es gibt Jobs, da muss man anders gekleidet sein. Einer meiner Tipps: schwarze Chino- bzw. Jogginghosen, die inzwischen wirklich äußerst schick sind und auch nach der Schwangerschaft noch gut aussehen werden, vor allem in Kombination mit einem schlichten Oberteil. Statt der bunten Röcke kann man schwarze nehmen, die mit Feinstrumpfhosen aufgewertet werden, sodass der Gummizug kaum auffällt. Statt der Sweatshirt-Jacken würde ich einen Blazer wählen und ihn offen tragen (möglicherweise in Kombination mit einem Tuch) und einen Cardigan, der sich sowohl im Beruf als auch privat gut kombinieren lässt. Zusammen mit einem schlichten Oberteil sowie einer Kette wirkt beides sehr schick und dürfte für die meisten Büroberufe gut passen.

Das Standard-Outfit aus dem neunten Schwangerschaftsmonat

Wenn es um flotte Schwangerschaftsmode geht, liebe ich Strickkleider. Wann kann man schon den Bauch betonen, wenn nicht jetzt? Mit einer guten schwarzen Leggins und dem genannten Blazer würde ich sogar auf einer Hochzeit auftauchen. Dazu ein paar schicke, flache Ballerinas, wenn man sie gut tragen kann. Sonst einfach niedrige Boots oder einige Halbschuhe mit den schickeren Outfits kombinieren.

16. April 2018: Erstes Update
Recht schnell hat sich meine Capsule Wardrobe erneut verkleinert. Eine der Schwangerschaftsleggins trug ich vor dem Experiment noch nicht und merkte direkt, dass deren Nähte extrem ungünstig sitzen und zu dick sind. Ich hatte sofort aufgeriebene Stellen an den Beinen. Also wird sie verschenkt – ab in den Umsonstladen. Zum Glück war sie ja gebraucht. Ich erwäge auch, die Barfußschuhe auszusortieren. Ich habe bereits kurz nach dem Kauf vor zwei Jahren gemerkt, dass ich sie mir nicht noch einmal kaufen würde. Durch die ganzen Kunststoffe fangen die Schuhe schnell an zu müffeln, obwohl ich damit eigentlich nie ein Problem habe! Zudem musste ich mich immer erst an die Verstärkung der Sohle an der Ferse gewöhnen, wollte sie aber eigentlich vor dem Ausmisten auftragen. Jetzt stelle ich fest, dass ich davon drei Tage lang wunde Füße habe. Komplett barfuß gehen klappt besser. Vielleicht sind meine Füße gerade empfindlicher? Könnten also doch noch nur 33 Teile werden.

Was ich schon sagen kann, ist, dass ich definitiv noch mehr auf bessere Qualität setzen muss. Meine Pumphose lag bereits wieder zwei Mal unter meiner Nähmaschine! Die Nähte sind einfach zu unsauber versäumt und lösen sich ständig. Bei einer kleinen Garderobe kann man solche Kleidungsstücke wirklich nicht brauchen. Auch den langen Rock musste ich bereits reparieren. Weil ich diese Kleidungsstücke bisher aber selten in besserer Qualität gesehen habe, erwäge ich, mir schlicht eine solche Hose selbst zu nähen – sobald ich mich wieder sinnvoll ausmessen kann. Von meiner ältesten Sweatshirt-Jacke mit den kaputten Säumen und dem löchrigen Barcelonashirt bin ich schon jetzt genervt. Die Therapie scheint also anzuschlagen. Ach, eines hatte ich vergessen: Ich stricke mir gerade einen Stillponcho. Je nachdem, wann ich fertig werde, könnte er noch den Platz der Leggins ersetzen.

24. Mai 2018: Zweites Update
Eines der Tops (das grüne) hat einen Fleck, den ich nicht mehr rausbekomme – direkt an der Brust. Mist! Ich bekleckere mich im Allgemeinen momentan ziemlich krass, weil ich meine Ausmaße irgendwie nie richtig einschätze. Ich krame in meiner normalen Garderobe, was ich da noch finde – sonst wird es gerade nächste Woche eng. Es soll über 30° und schwül werden.

Fazit
Das Projekt ist beendet: Mein kleiner Sohn liegt jetzt im Tragetuch an meinem Körper. Noch passe ich nicht wieder in meine komplette Garderobe, aber in Vieles. Wie erwartet wurde ich keine „Bombe“. Ich habe zwar ordentlich zugelegt, bin aber aus nahezu keinem Teil der Capsule Wardrobe rausgewachsen; außer aus einem T-Shirt und einer Sweatshirt-Jacke. Tatsächlich habe ich durch das Experiment einiges gelernt. Zum einen war es wirklich eine Erleichterung, nur noch Kleidung greifbar zu haben, die ich tragen konnte. Ich hatte lediglich eine Kommodenschublade und ein Unterwäschefach. Und das reichte. Zum Schluss wurde es mit den Oberteilen etwas eng, da ich ein Top mit Fleck aussortieren musste und keinen Ersatz besaß; und weil es seit Mai fast durchgängig sommerlich war. Wer kann das ahnen?

Minimale Mogelpackung
In zwei Fällen habe ich allerdings geschummelt: Zum einen habe ich ein T-Shirt ausgetauscht, das zu eng wurde. Zum anderen habe ich mir ein Schwangerschafts- und Stillkleid gekauft. Ich benötigte es für eine Hochzeit kurz nach der Geburt. Und in meinen Augen wäre es Quatsch gewesen, es wegen des Experiments in der Schwangerschaft nicht zu tragen. Dafür habe ich vor allem drei Kleidungsstücke aus meiner Wardrobe nie getragen: den Bolero (dann doch lieber Sweatshirt-Jacken, eine davon war zum Schluss übrigens auch zu klein), die Jeans (zuerst weil so schönes Wetter war und dann… war immer noch schönes Wetter und die Hose zu eng) und das Langarmoberteil (Wetter…).

Gelernt habe ich zudem, dass Qualität wirklich extrem wichtig ist in einem überschaubaren Kleiderschrank. Die Stoffhose lag unzählige Male unter meiner Nähmaschine, weil sie nicht gut verarbeitet war. Das nervt! Meine löchrigen Shirts wurden noch löchriger, weil ich sie so oft trug. Aber nach zehn Jahren ist das in Ordnung. Barfußschuhe kaufe ich nie wieder. Aufgrund des extremen Schweißgeruchs habe ich sie bereits im Mai aussortiert. Ich hasse Plastikkleidung. Eine Leggins, deren Nähte ungünstig saßen, habe ich ebenfalls direkt ausgemistet. Wenn ich durchzähle, umfasste meine tragbare Garderobe in den letzten sechs Wochen noch 23 Teile. Ein T-Shirt und das fleckige Top sind übrigens bereits zu Läppchen für den Babypopo geworden.

Über die Autorin
Darf ich vorstellen: Janine. Historikerin, Buchhändlerin und in der falschen Zeit geborener Punk-Hippie. Mitglied der sogenannten Generation Y. Seit über einem Jahr werde ich Stück für Stück minimalistischer. Und ich weiß nicht, warum ein Baby das ändern sollte.

Alle Abbildungen – soweit nicht anders angegeben – © privat.

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