Alle Artikel mit dem Schlagwort: Minimalismus

Out of Office. Ichzeit 2018

Meine letzten großen Sommerferien liegen weit zurück. Genauer gesagt im letzten Jahrhundert und im letzten Jahrtausend zugleich. Mitte der 1990er Jahre. Vor dem letzten Schuljahr, das mich nach 13 Jahren Klassenraum in die Welt von Studium und diversen Nebenjobs entlassen sollte. Sechs Wochen, die alles versprachen, aber nichts von mir verlangten. Sechs Wochen, in denen Zeit noch nicht zu einer Währung verkommen war, einer Währung, die man ausgeben und investieren musste – für Hausarbeiten und gute Noten, in Praktika und erste Schritte auf dem Arbeitsmarkt. 42 Tage, die mir wie ein kostbarer Schatz vorkamen und stets ein Gefühl von „Alles ist möglich“ im Gepäck hatten, von Unendlichkeit, Unbeschwertheit und tiefster „Seelenbaumelei“. Weniger Zeug, mehr Zeit Irgendwann sind mir diese Gefühle mehr und mehr verlorengegangen. Denn die Währung hatte sich ausgezahlt. Ein abgeschlossenes Studium, eine fertige Doktorarbeit, solide Festanstellungen. Dazwischen mühsam erwirtschaftete Auszeiten von zwei bis maximal drei Wochen am Stück, um Körper und Geist wieder zusammenzuführen und ein Gefühl für das Hier und Jetzt fernab von externen Ansprüchen an mich und meine Person zu bekommen. …

Minimalismus und Schwangerschaft: Ein Erfahrungsbericht

Als klar war, dass ich schwanger bin, war mir nicht bewusst, was da für ein Berg auf mich zurollt. In den ersten Monaten der Schwangerschaft gestaltete sich alles noch recht harmlos. Mein Mann fand im Internet Checklisten, die angeblich alles beinhalteten, was man für ein Kind braucht. Anfangs habe ich sie schlichtweg ignoriert und als amüsante Randnotiz wahrgenommen. Doch irgendwann fing ich an, die Empfehlungen ernst zu nehmen. Ich verspürte eine Art Druck, alles richtig machen zu wollen: Mein Kind sollte nicht mein Bedürfnis nach Einfachheit aufgestülpt bekommen. Und so fingen wir an, die Listen regelrecht abzuarbeiten. Wir kauften beispielsweise Pucktücher, die am Ende nur einmal zum Einsatz kamen. Oder Jacken, die so schlecht geschnitten waren, dass wir sie ungetragen weiterverkaufen mussten. Wir lernten unter anderem, dass man keinen speziellen Bauch-Gurt-Schoner im Auto braucht; ein einfaches Kissen tut es ebenfalls. Am schlimmsten waren aber nicht die Dinge, für die wir uns selber bewusst entschieden hatten, sondern die, die wir geschenkt bekamen. Ständig erhielten wir ungefragt neue Kleidung. Sie entsprach weder unserem Geschmack noch konnten wir …

Nachlese: Dan-Sha-Ri (Hideko Yamashita)

Sie werden Aufräumkönige genannt. Oder Clutter Consultants. Manchmal auch Entrümpelungsexperten oder einfach nur Coaches. Mit ihren Ratgebern füllen sie längst ungezählte Regalwände auf ungezählten Metern weltweit. Und dennoch ist der Trend zu aktuellen Publikationen rund um Minimalismus sowie ein einfaches und bewusstes Leben ungebrochen. Wie viel Lektüre muss man aber eigentlich konsumiert haben, um die Kunst des Loslassens zu erlernen? Aber noch interessanter: Wie viele (andere) Bücher sind – frei nach der Romanfigur Edgar Wibeau („Die neuen Leiden des jungen W.“) – in einem enthalten? Fast alle (anderen)? Ich selbst bin bei Neuerscheinungen zum Thema mittlerweile skeptisch geworden. Aber dennoch neugierig geblieben. Das Leben entrümpeln, die Seele befreien: Das verspricht die Japanerin Hideko Yamashita seit 2017 mit ihrer deutschen Ausgabe von Dan-Sha-Ri in drei simplen Schritten. Was am Ende zu drei Millionen verkauften Exemplaren rund um den Globus führte. Und zu neuen Denk- und Sichtweisen auf meiner minimalistischen Reise. Bereits 2009 veröffentlichte Yamashita ihr Buch in Tokyo und reiht sich damit neben Bestsellerautorin Marie Kondo („Magic Cleaning“) ein. Im Mittelpunkt der rund 190 Seiten steht …