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Introversion und Minimalismus: eine Liebesgeschichte

Introvertierte sind dem Gefühl der Überforderung meist näher als ihre extrovertierten Mitmenschen. Das liegt in der Natur der Sache. Introvertierte reagieren empfindlicher auf Umweltreize, Veränderungen und soziale Kontakte. An den Tagen, an denen die Pausen zwischen diesen Eindrücken ausbleiben, wird alles schnell zu viel. Warum also nicht den Alltag so gestalten, dass er keinen unnötigen Beitrag zu dieser Flut aus Reizen leistet…?

Was ist Introversion und womit haben Introvertierte zu kämpfen?
Introvertierte sollten eine Romanze mit Minimalismus haben. Was damit gemeint ist, wird aber erst in einigen Momenten deutlich, denn vorher muss geklärt werden, was Introversion eigentlich ist – oder auch nicht ist. Denn manchmal kann es helfen, am anderen Ende anzufangen: Schüchternheit, Angst, Misanthropie, Arroganz – alles Begriffe, die oft fälschlicherweise für Introvertierte genutzt werden. In Wahrheit ist Introversion im Grunde viel simpler: Introvertierte Menschen verarbeiten Reize anders, weshalb sie von ihnen auch schneller überansprucht werden. Im Umkehrschluss tanken Introvertierte die verlorene Energie wieder auf, wenn sie alleine oder mit wenigen Menschen zusammen sind.

Introvertierte kehren ihre Aufmerksamkeit von Natur aus eher auf das Innere. Auf ihre Gedanken, ihre Gefühle, auf ihre Reaktionen. Das macht sie häufig kreativ, nachdenklich, bewusster handelnd oder einfach ruhiger. Nicht gerade die Dinge, die in der Schule gefördert werden, in der sich alles um sofortige Leistungserbringung und zunehmend auch Gruppenarbeit konzentriert. Jobausschreibungen beinhalten fast immer den Anspruch, hervorragend kommunzieren zu können, aufgeschlossen und offen für neue Erfahrungen zu sein. Wer ein Selbsthilfebuch aus dem Regal greift, hat gute Chancen, eine Anleitung dafür zu bekommen, wie man offener, auffälliger, „besser“ wird.

Einfach mal für sich und bei sich sein – für introvertierte Menschen ein absolutes Muss

Minimalismus für Introvertierte
Kein Introvertierter sollte sich dafür schämen, dass er oder sie introvertiert ist. Doch selbst für diejenigen, die nicht ständig zu hören bekommen, sie müssten mehr aus sich herausgehen oder sie wären „komisch“, führt kein Weg daran vorbei, dass die Extrovertierten in westlichen Gesellschaften aktuell den Ton angeben. Wir leben in lauten Städten, müssen immer mehr Informationen verarbeiten, alles ist in ständiger Veränderung.

Wie ein guter Partner kann Minimalismus Introvertierten zwar nicht die Arbeit des Lebens vollständig abnehmen, aber durchaus dafür sorgen, dass sie lernen, sich mehr zu lieben und besser mit den Herausforderungen des Alltags umzugehen. Weniger Kleidung bedeutet weniger Energieverlust bei der morgendlichen Entscheidung, was man anziehen soll. Immer derselbe Platz für Schlüssel, Smartphone, Portemonnaie (und neuerdings Maske) kann Abläufe automatisieren. Weniger Apps auf dem Smartphone, weniger Bilder, Geräusche, Eindrücke.

Wenn Introvertierte mit den nicht zu vermeidenden Reizen wie Kollegen, Straßenverkehr, Freunde treffen, Mails beantworten oder sich um die Familie kümmern besser klarkommen wollen, sollten sie so wenig Reize wie möglich in ihrer kontrollierbaren Umwelt haben. Ein minimalistischer Alltag hilft bei den schweren Herausforderungen des Lebens. So wie ein guter Partner.

Über die Autorin
Jennifer Häuser nutzt ihre Erfahrung als freiberufliche Texterin, um den Introvertierten dieser Welt online ein Zuhause zu bieten.

Wenn sie gerade nicht auf Wanderlust Introvert bloggt, ist sie wahrscheinlich am Tagträumen oder in der Natur unterwegs.

Minimalismus leben: Mitmachen
Wie lebt Ihr minimalistisch(er)?

Schreibt uns eine E-Mail oder meldet Euch direkt über unsere Mitmachen-Seite. Gerne veröffentlichen wir Eure Erfahrungen auf unserem Blog. Wer mag, packt noch ein kurzes Foto von und ein paar Worte über sich dazu. Auch Vorher-Nachher-Aufnahmen sind herzlich willkommen.

Autorenfoto © Jennifer Häuser privat.

Minimalismus und Erinnerungen

Erinnerungen bilden einen wichtigen Teil unseres Kulturgutes. Sie schaffen Überlieferungen, bewahren Tradiertes, schöpfen aus Erlebtem und Gelerntem, können uns Wegweiser, Mahner und Bewahrer sein. Der Duden definiert diese Begrifflichkeit unter anderem als „den Besitz aller bisher aufgenommen Eindrücke“. Viel zu spät ist der Minimalistin in mir klar geworden, dass man diesen innerlichen Besitz jedoch gleichermaßen loslassen und reduzieren kann wie seine(n) äußeren Hüter. Denn Erinnern bedeutet ursprünglich – so das etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache – machen, dass jemand etwas inne wird. Und mit diesem jemand sind wir mitunter eine ziemlich komplizierte Beziehung eingegangen, so kompliziert, dass wir „ihn“ gewähren und „es“ mit uns machen lassen.

Always on
Für die Feng-Shui-Beraterin und Entrümplungsspezialistin („Space-Clearing-Expertin“) Rita Pohle sind wir selbst zuweilen „mental >>überfüllt<< und oft kaum mehr in der Lage, Neues aufzunehmen. Die Kanäle zu unserer Intuition sind verstopft mit unnötiger Information, verschlackt von Fernsehmüll und Banalitäten aus dritter Hand. Wir werden von außen mit >>Abfall<< zugeschüttet. Wenn wir langfristig nicht auch unser Innenleben entrümpeln, uns vom mentalen Ballast befreien, vergiften wir uns innerlich! Denn mentaler Ballast beeinflusst Körper, Geist und Seele. Er kostet wertvolle Zeit und bindet unsere Energien.“ Das schrieb Pohle 2006, also zwei bzw. vier Jahre, bevor etwa in Deutschland die Onlinedienste Facebook und Instagram an den Start gingen. Die Namen ihrer minimalistischen Gegenspieler waren schnell gefunden: Digital Detox, analoge Auszeit, bewusst offline. Handlungsempfehlung: verzichten, ausschalten, deaktivieren; ironischerweise am besten in jenen Momenten, in denen unser nimmersattes Belohnungssystem bereits nach dem nächsten Like giert und unsere Aufmerksamkeit längst in einem verstörenden (Aus-)Maße gebunden ist.

Suitcase of memories: Emotionalen Ballast abwerfen
Die Auswirkungen dieser negativen – neudeutsch – „Awareness“ waren mir lange Zeit allerdings nicht bei meinem Hab und Gut bewusst. Oder anders ausgedrückt: Stets ging es darum, beim Ausmisten über den emotionalen Verlust hinwegzukommen, der vielen Gegenständen wie zäher Kleber anzuhaften scheint. Nie habe ich mir in den ersten Jahren des Aussortierens die Frage gestellt, ob zwischen Nostalgie und Wehmut ebenso Traurigkeit und Wut verschwinden und in eine Form von positiver Vergessenheit geraten können: Der Ärger über die ungenutzte Sportausrüstung, die Wut über die kränkende E-Mail, die Hose, die schon beim Kauf ihre Daseinsberechtigung allein aus dem kurzzeitigen Atemstillstand bezog. Sie alle binden unser Herz und unser Hirn, machen, dass uns etwas inne wird: ein schlechtes Gefühl, ein Leben im „Wenn-dann-Modus“, gewiss aber kein Dasein im Hier und Jetzt.

Wie wenig genug ist, kann ich heute noch weniger denn je an einer konkreten Zahl festmachen. Aber an der beruhigenden Erkenntnis, mich bewusst gegen das Leben in einer unbelüfteten Asservatenkammer entschieden zu haben.

Literaturhinweis:
Rita Pohle: Weg damit! Die Seele befreien. In sieben Wochen das Leben entrümpeln. München 2006, hier S. 16

Digital Decluttering: Checkliste Online-Ordnung

Was haben wir während des Lockdowns nicht alle unser Zuhause auf Vordermann gebracht. Solange wir zu den Glücklichen gehörten, die oft nicht „mehr“ tun mussten, als zuhause zu bleiben, sahen wir uns schließlich intensiv wie selten zuvor mit den eigenen vier Wänden konfrontiert. Wenn der physische Radius sich größtenteils auf das eigene Zuhause erstreckt, ist es schließlich naheliegend, sich mehr mit eben jenem auseinanderzusetzen. Und damit meine ich nicht einmal die längst überfällige Renovierung des Wohnzimmers oder den Balkon, den wir endlich so gepimpt haben wollten, wie wir es uns in unserer Pinterest-Pinnwand von 2017 vorgenommen hatten. Vielmehr war für das gute alte Aufräumen und Entrümpeln, dem Marie Kondo bereits vor einigen Jahren einen Neuanstrich verpasst hatte, jetzt endlich auch die Zeit gekommen.

Keine Frage – ein gemachtes Bett und ein aufgeräumter Schreibtisch können Wunder wirken. Da mag unser digitales Umfeld im Vergleich zunächst weniger sichtbar und greifbar wirken. Und dennoch kann sich dessen Zustand nicht minder auf unser allgemeines Wohlbefinden auswirken. Denn ganz schleichend, und doch nicht unerwartet, ist spätestens mit Corona unsere digitale Umwelt für viele unser zweites Zuhause geworden.

Doch wie steht es um unseren Zweitwohnsitz? Wie kümmern wir uns um unsere Desktops, Mails und Dateien?

Digitale Unordnung
Ein Blick ins E-Mail-Postfach: Nach zehn Jahren haben sich 14.000 Mails angesammelt. Bestellbestätigungen, Arbeitsmails, aber vor allem auch Newsletter über Newsletter. Irgendwie hat es ja immer ganz gut funktioniert… schließlich müssen wir nur den Laptop zuklappen und der digitale Clutter fühlt sich so gut wie bereinigt an. Alternativ können wir uns für relativ wenig Geld eine neue Festplatte kaufen oder Daten in die Cloud laden. Wir stoßen kaum an Grenzen. Aus den Augen, aus dem Sinn – so die Idee. Beinahe verständlich, dass in unserem oft hektischen Alltag immer andere Dinge wichtiger waren, als Ordnung in das Chaos zu bringen. Doch letzten Endes stehen wir vor einem riesigen Haufen – oft unsortierter Daten – die wir als digitalen Ballast mit uns herumtragen.

Unser analoges Dasein hat sich in großen Teilen ins Digitale verlagert – mit allen Vor- und Nachteilen

Denn Lebensbereiche haben sich verlagert. Telefon, Terminkalender, Fotoalbum, Notizbuch, Dokumentenordner… Während die Liste sich endlos fortführen ließe, läuft all das auf unseren Screens zusammen. Wir übertragen zunehmend Teile unseres Alltags in das Digitale. Oft ohne dafür die gleichen Konsequenzen zu ziehen wie in der analogen Welt.

Analoges vs. Digitales Aufräumen
Aufräumen kennen wir meistens eigentlich alle noch ganz langweilig und analog. Damals eher noch als ungeliebte Aufgabe, die uns von unseren Eltern aufgedrückt wurde. Jedoch mussten wir spätestens nach dem ersten Umzug in ein eigenes WG-Zimmer oder in eine Wohnung zähneknirschend feststellen, wie essentiell ein Grundmaß an Ordnung für unser Wohlbefinden ist. Ganz klammheimlich haben wir dann vielleicht sogar begonnen, Freude daran zu finden. Haben gemerkt, wie wohltuend und geistig befreiend bereits der Prozess des Aufräumens selbst sein kann.

Was wir jedoch wohl kaum in unserer Erziehung gelernt haben, ist die Bedeutung des Digital Decluttering. Zu schnell und rasend kamen dafür die Digitalisierung und deren Auswirkungen in unser Leben. Es wird höchste Zeit, das Bewusstsein für digitale Ordnung auch als essentiellen Teil unseres digitalen Lifestyles zu sehen. Denn für die Meisten von uns hat digitale Ordnung oft immer noch nicht den gleichen Stellenwert wie die Ordnung des eigenen Zuhauses. Während Pizzakartons, dreckiges Geschirr und die Wäsche von letzter Woche sich schnell stapeln, aufdrängen und uns unwohl fühlen lassen, beherrschen wir digital ganz wunderbare Vermeidungsstrategien.

Erfahrungen, Tricks und Tipps aus dem Alltag von Minimalistinnen und Minimalisten

Tipps, Tricks und Tools
Dabei geht es auch anders. Es gibt kein Richtig und kein Falsch – jeder kann seine ganz individuelle Strategie für mehr geistige Leichtigkeit, auch im Digitalen, finden. Zum Glück ist das nämlich einfacher als man denkt. Anbei findet Ihr ein paar Tricks und Tipps, die Euch dazu anregen können, Eure ganz eigene Methode zu finden.

  1. Verbinden wir zunächst das Angenehme mit dem Nützlichen und schaffen Freiraum auf dem Desktop. Sieht direkt viel besser aus und motiviert zum Weitermachen! Sobald Ihr Euren Schreibtisch einmal aufgeräumt habt, könnt Ihr, falls nötig, einen „Vermischtes“-Ordner (ggf. mit Unterkategorien) anlegen, falls Ihr einige Dateien doch einmal direkt zur Hand haben wollt. Fegt diesen regelmäßig durch und erfreut Euch beim Starten des PCs zunächst am schönen, cleanen Schreibtisch, der Euch als Erstes begrüßt.
  1. Das Wichtigste, der Anfang, ist bereits gemacht. Von jetzt an ist alles eine Frage der richtigen Einteilung. Bei allem Enthusiasmus solltet Ihr auch hier eins nach dem anderen angehen. Das gilt für Dokumente und Bilder genauso wie für E-Mails. Schließlich soll es ja Spaß machen (ja, wirklich). Erstellt für Euren zu bereinigenden Clutter am Besten zunächst einmal Ordner, je nach Realisierbarkeit nach Monat oder Jahr. Vielleicht könnt Ihr Euch ja eine feste Zeit einplanen, in der Ihr Euch wöchentlich einer machbaren Herausforderung annehmt. Belohnungsgefühle garantiert! Und ganz nebenbei entdeckt Ihr vielleicht kleine Juwele: Fotos und alte E-Mails von Freunden, die alte Erinnerungen wecken und ihren eigenen Platz bekommen.
  1. Falls sich Eure E-Mails wie bei mir auch metaphorisch haushoch stapeln, solltet Ihr Euch zunächst den Newslettern widmen. Leider sind sie der Killer Nr. 1 für jedes aufgeräumte Postfach. Seid hier daher radikal. Ein paar Lieblinge dürfen bleiben, aber in unserem analogen, „wirklichen“ Briefkasten möchten wir ja auch keine ständigen Gratisflyer finden. Qualität geht hier eindeutig vor Quantität.
  1. Lasst die Technik für Euch arbeiten: Das automatische Sortieren von bestehenden wie ankommenden E-Mails in entsprechende Ordner kann die Ordnung enorm erleichtern. Mit den meisten gängigen Mail-Programmen (z.B. bei Apple Mail, Outlook, Google Mail und Thunderbird) könnt Ihr Mails von wiederkehrenden Absendern durch sogenannte Filter oder Regeln ihrem künftigen Bestimmungsort zuweisen.

Von nun an sollte Eurer digitalen Ordnung nichts mehr im Wege stehen. Ich wünsche Euch viel Freude beim Aufräumen – damit Ihr Euch danach mit freiem Kopf digital ausleben könnt. Habt Ihr noch weitere Tricks und Tipps? Teilt sie gerne in den Kommentaren.

Über die Autorin
Dorothea ist 23 Jahre alt, lebt in Berlin und beschäftig sich privat seit Längerem mit den Themen Minimalismus und Entschleunigung. Als Mitglied der Generation Y und den damit einhergehenden Prägungen kann sie ihre „ganz eigene Sichtweise auf die Dinge“ beitragen. Bis zuletzt hat sie bei einer Kreativagentur für Kinowerbung als Junior Account Manager gearbeitet. Derzeit befindet sich Dorothea in einer Orientierungsphase und baut auf Basis ihres langjährigen Hobbys – des Schreibens – eine Portfolio-Seite als Texterin auf.

Praxistipps Minimalismus: Mitmachen
Wie lebt Ihr minimalistisch(er)? Schreibt uns eine E-Mail oder meldet Euch direkt über unsere Mitmachen-Seite. Gerne veröffentlichen wir Eure Erfahrungen auf unserem Blog. Wer mag, packt noch ein kurzes Foto von und ein paar Worte über sich dazu. Auch Vorher-Nachher-Aufnahmen sind herzlich willkommen.

Beitragsbild © Jeff Sheldon on Unsplash, Autorenfoto © Dorothea Klein privat.